Wenn du danach fragst, meine worst-case Prognose sähe imho so aus (aus Sicht des US Marktes):
- Die FED hat sich 10 Jahre lang auf Niedrigzinsen ausgeruht und uns erzählt, dass es keine Inflation mehr gibt, dadurch sind die Asset Preise in den Himmel gewachsen
- Die zweistellige Inflationsrate war ein Schock und als sich die Damen und Herren zusammengesetzt haben, ist ihnen aufgefallen, dass sie allein während Corona die Geldmenge um über 30% ausgeweitet haben
- Dieser Schock hat dazu geführt, dass sie in 2022 zum ersten mal in ihrer Geschichte die Geldmenge real verringert haben - die läppischen 0,6% QT haben in Kombination mit dem Zinsanstieg für eines der schlechtesten Ergebnisse im US Aktienmarkt gesorgt
- Der Schock dürfte noch immer tief sitzen und die Erfahrung aus den 70ern zeigt, dass es riskant ist, den Pivot zu früh zu setzen, das heißt, dass Zinssenkungen 2023 nicht unbedingt wahrscheinlich sind. Die FED geht aber auch ein hohes Risiko ein, dass sie übersteuert.
Wenn man das ganze aus Sicht der Inflation weiterbetrachtet:
- Es fehlen an allen Ecken und Enden Arbeitskräfte. Viele, die vielleicht noch könnten, sind bereits in Rente oder konnten es sich aufgrund der letzten 10 Jahre erlauben, ihre Arbeitszeit runterzuschrauben oder früher in den Ruhestand zu gehen (inflationstreibend)
- Wenn man nun glaubt, dass die FED diese Menschen wieder für den Arbeitsmarkt aktivieren möchte, muss man ihre Vermögen vernichten - das geht gut über einen Crash am Immobilienmarkt und das Runterdrücken des Aktienmarktes
- Die Globalisierung stockt, man merkt, dass Resilienz der Lieferketten plötzlich einen Wert bekommt - auch das ist potenziell inflationstreibend
- Staaten neigen weltweit dazu, sich der Planwirtschaft, Befehls- und Lenkungswirtschaft, ... (nennt es, wie ihr es wollt) hinzugeben - auch das ist inflationstreibend, weil Staaten Kapital nie effizient investieren sondern es verschleudern
Nehmen wir an, man glaubt an die o.g. Punkte und die FED hält die Zinsen erstmal bei irgendwo um die 5% - was für Auswirkungen hätte das ggf?
- Assets ohne Cashflow werden uninteressanter, so eine US Staatsanleihe mit 5% wird plötzlich ein guter Deal sobald die Inflation weiter sinkt -> Crypto und unprofitable Wachstumswerte werden quasi komplett uninteressant für weite Teile der Investoren
- Überbewertete Dividendentitel müssten genauso neu bewertet werden, 3% Dividendenrendite machen in so einer Welt keinen Sinn, d.h. ne Coca Cola müsste sich mindestens halbieren, um ein Investment zu rechtfertigen
- Die Konsumlust der Bevölkerung würde tendenziell eher sinken und sich ggf. vom "zyklischen Spielzeug" hin zu anderen Dingen verschieben
Glaube ich so daran? Nö, aber denke, dass die FED ihren Kurs länger durchhält als die meisten glauben und wir 2023 keine Zinssenkung sehen werden, solange nichts kaputt geht und die USA haben schon immer dafür gesorgt, dass sie aus Krisen eher gestärkt hervorgehen. Deshalb bleibe ich auch bei meiner Strategie, die hauptsächlich auf eine weltweites ETF Portfolio setzt, in dem ich die USA aber über- und Europa untergewichte. Dazu gibts Einzeltitel mit Dividendenwachstum und guter Bilanzqualität.
Ob es Sinn macht, seine Strategie jetzt groß anzupassen, muss natürlich jeder selbst wissen, allerdings erntet man bald vllt. die Früchte seiner Beharrlichkeit oder kauft ab sofort günstiger ein, insofern sollte man sich das gut überlegen. Irgendwann werden sie sicher gezwungen sein, die Schleusen wieder ein wenig zu öffnen und viele Titel sind ja schon gut runtergekommen