Nur wir sind ebenso abhängig vom Öl eines extremistischen Gottesstaats, den Rohstoffen despotisch regierter afrikanischer Länder und billigem Hightech, seltenen Erden und Gütern des tgl. bedarfs aus dem undemokratischen China.
Gebieten die Moral und der Anstand, dass wir kein Öl und Gas mehr aus Russland beziehen, wie können wir dann Handelsbeziehungen mit den Chinesen rechtfertigen bei all dem was dort in Sachen Überwachungsstaat, Folter an Uiguren etc. passiert?
Ist ein bisschen das Dilemma. Ein unangenehmer Punkt, aber ein richtiger, der gerne übersehen wird. Gerade wenn Aktivisten erzählen, dass es falsch war den Russen zu "vertrauen". Ist ja auch korrekt aus heutiger Sicht, aber aus der Perspektive betrachtet: Mit wem müssten wir sonst noch sofort in Europa brechen? Rein aus moralischen Gesichtspunkten betrachtet hat die EU innerhalb ihrer "Grenzen" ja noch genügend Probleme. Ist auch ein bisschen das Problem von uns Mittel und Westeuropäern: Wir sind halt - so hochnäsig und auch behindert das klingen mag (sry, für die Wortwahl, aber ist ja so) - die moralische Hochburg dieser Welt. Und das hat nicht nur seine guten Seiten, denn gerade beim Kapitalismus werden wir Moral die wir sonst vorleben, eigentlich gar nicht gerecht. Es ist eine ganz eigene perversierte Form von Scheinheiligkeit, wenn man ehrlich zu sich selbst ist.
Russland aktuell hat eigentlich nur eines bewiesen: Wir haben einen Toleranzbereich, der sogar recht großzügig ist und du musst quasi einen Krieg anfangen, damit diese Toleranz überbelastet wird. Das ist ja strenggenommen die unangenehme Wahrheit.
China ist da ja eigentlich ein ganz unangnehmes Thema. Es ist auch für mich als progressiver Mensch, dem aber am Ende auch nix besseres als Kapitalismus einfällt, so bissl eine Krise, dass sich da die eigenen Ansprüche an Moral eigentlich sowieso komplett schneiden. Die Alternative? Absolut nicht mehr Konkurrenzfähig zu sein. Zurückzufallen und so ehrlich muss man auch sein und dessen muss man sich gerade als Europäer völlig klar sein: übrig zu bleiben.
Das heißt natürlich alles nicht, dass man seine Moral fallen lassen muss, dass man seine Klimaziele als Einzelstaat z.B. aufgeben muss, seine moralischen Ansprüche an die Gesellschaft, etc....das heißt auch nicht, dass die Sanktionen gegen Russland nicht vollkommen richtig sind (glaube musss man gerade beim Thema Inflation auch darauf hinweisen, dass es für uns eh schon bissl hoch gegenagen wäre, einfach weil Krieg in Ukraine geführt wird und das ist halt ein großes Land, das gerade auch landwirtschaftlich viel leistet). Das heißt aber schon imo, dass man auch wieder anfangen muss Realitäten dieser Welt zu akzeptieren. Nur auf das gerade aktuelle Thema woke zu brüllen wird nicht reichen und ignoriert zu viel. Und es ist halt auch zu oft nur das aktuelle Thema. Afghanistan interessiert (wie von mir auf CW erwartet) schon keinen Schwanz mehr. Die Uiguren in den Lagern, die du ansprichst....ach bitte, Schnee von gestern.
Es ist glaube ich am Ende schon gut, wenn man sich jetzt von Russland distanziert (bzw. eher von diesem Regime...halte gar nix davon zu sagen, dass man nie wieder mit Russland oder was irgendwann nachfolgt, eine Beziehung haben darf...das ist halt genau der Quatsch, den man nicht machen darf, während man sich jetzt in der Wüste und Asien bückt) und sich selbst in gewissen Punkten nicht nur stärkt, sondern vor allem flexibler macht bei der Energiefrage, aber umgekehrt muss einem auch immer klar sein, dass wir in einer kapitalistisch dominierten Welt leben, die für uns auch nur funktioniert, weil wir eine gewisse Skrupellosigkeit selbst an den Tag legen wenn es um Interessensausgleich und Handel geht.
Glaube da schadet es auch niemanden, egal welcher politischen Einstellung man folgt, wenn man sich darüber mal Gedanken macht.