Als Director Dan Greenawalt auf der Spielemesse E3 2010 (14.-17.6.2010 in Los Angeles) „Forza Motorsport 4“ zeigte, staunten viele Zocker: Entwickler Turn 10 setzt beim neuen Ableger der Rennspielreihe auf Microsofts 3D-Kamera Kinect. Eine Simulation mit Zappelsteuerung – passt das? Im Exklusiv-Interview mit COMPUTER BILD SPIELE erklärt Greenawalt, wie es funktioniert und was „Forza 4“ sonst noch auszeichnet.
COMPUTER BILD SPIELE (CBS): Die Fahrphysik der „Forza“-Serie gehört zum Besten, was die Spielebranche bietet. Haben Sie für „Forza 4“ weiter daran gefeilt?
Dan Greenawalt (DG): Die Physik der Autos und des Fahrens ist meine persönliche Leidenschaft. Bei der Entwicklung von „Forza 4“ versuchen wir ständig, beide Punkte zu verfeinern. Das geschieht beispielsweise durch die Partnerschaft mit dem Reifenhersteller Pirelli oder durch neue Entwicklungen in unserem Studio hier bei Turn 10. Für „Forza 4“ konzentrieren wir uns darauf, ein Fahrmodell zu kreieren, das sowohl unsere Hardcore-Fans fordert als auch Einsteiger einlädt.
CBS: Die Fahrphysik von Rennspielen verbessert sich immer weiter, aber das Spielerlebnis ist im Kern immer gleich. Wie sehen Ihrer Meinung nach die Rennspiele der nächsten Generation aus?
DG: Der Kern eines jeden Rennspiels ist eine simple und unendlich attraktive Sache: Sie setzen sich an das Steuer eines schönen, schnellen Autos und jagen es um die Strecke. In der Vergangenheit haben wir neben Gameplay-Elementen von „Pokémon“, „Animal Crossing“ und „World of Warcraft“ vielfältige Werkzeuge zum Bearbeiten und Tauschen von Inhalten integriert, um die Auto-Sammlerei und das Gefühl des Besitzes zu verstärken. Die Zukunft der Rennspiele sehen wir darin, mit der „Forza Motorsport“-Serie attraktiv für Hardcore-Zocker zu sein und gleichzeitig Wege zu finden, Neulinge mit innovativen Ideen anzuziehen. Diese Art des Denkens findet sich in „Forza Motorsport 4“ wieder. Es ist nicht alles, ein Rennspiel zu erschaffen. Es geht darum, ein fesselndes Erlebnis zu kreieren, das den Leuten eine Plattform bietet, ihre Auto-Leidenschaft auf eine neue und aufregende Art auszuleben.
CBS: In „Forza 3“ gibt es viele Inhalte, die von Spielern stammen. Ihre Community ist sehr aktiv. Was ist das Geheimnis dahinter?
DG: Wir sagen immer, in „Forza Motorsport“ ist das Auto der Star. Es ist kein Geheimnis: Der Erfolg beruht darauf, auch die Community-Mitglieder zu Stars zu machen. Als wir das Lackierungs-Tool ins erste „Forza Motorsport“ integrierten, dachten wir, dass es eine gute Idee ist. Aber wir hätten uns nie erträumt, welch unglaubliche Kunst die Fans später damit erschaffen würden. Bei „Forza 3“ sind wir mit dem Store einen Schritt weiter gegangen: Die Spieler erhalten für ihre Schöpfungen Ansehen und beim Verkauf von Lackierungen und
Mit Kinect erkunden Sie jeden Winkel an Ihrem Flitzer.
Tuningeinstellungen sogar Spielgeld. Die Community-Funktionen von „Forza 4“ bauen auf unseren Erfahrungen auf, aber schlagen gleichzeitig neue Wege ein. Ich freue mich darauf, bald mehr zu enthüllen.
CBS: Stellen Sie sich vor, ein Spieler sagt Ihnen: „Forza 4“ ist nur „Forza 3“ mit ein wenig Kinect-Spielerei. Wie entkräften Sie dieses Vorurteil?
DG: Ich habe diese Leute getroffen und den Kommentar schon gehört. Als wir die Kinect-Demo auf der E3 2010 zeigten, wussten wir, dass sie Skeptiker auf den Plan ruft – auch weil es Skepsis gegenüber Kinect vor dem Start gab. Auf der E3 2010 enthüllten wir ausschließlich Details zur Kinect-Unterstützung. Wir haben aus der Demo aber etwas gelernt: Es gibt einen riesigen Hunger nach Innovationen im Renngenre. Die Spieler suchen eine Erlebniswelt Auto, die mehr bietet, als endlos Runden auf einer Strecke zu absolvieren. Sie wollen ihren Lieblingsautos nahe sein und mit ihnen interagieren. Mit Kinect haben wir einige Ideen zum Leben erweckt, die wir schon länger hatten. Aber die Kinect-Integration ist nur ein Aspekt von „Forza 4“. Wir stellen in den kommenden Wochen tonnenweise neue Features vor, die unsere Fans überraschen werden.
CBS: „Forza 4“ nutzt Kinect als Steuerungsalternative. Was bietet das Spiel Zockern, die Kinect nicht besitzen?
DG: Das Spiel unterstützt weiterhin Gamepad- und Lenkrad-Steuerung. Wir beabsichtigen nicht, unsere leidenschaftlichen Fans abzuschrecken, die von der „Forza“-Serie ein unvergleichliches Rennerlebnis erwarten. Wir haben noch nicht mal damit begonnen, die Details bekannt zu geben, die den Kern der Simulation betreffen. So arbeiten wir, wie bereits erwähnt, mit Pirelli zusammen. Wir integrieren ihre Forschungsdaten in unser Reifenmodell. Das Resultat ist ein lebendiges Fahrgefühl mit mehr Kontrolle.
CBS: Wie funktioniert die Steuerung über Kinect?
DG: Es ist, als würden Sie in Ihrem Auto sitzen. Sie halten Ihre Hände auf zehn und zwei Uhr und rotieren sie im oder gegen den Uhrzeigersinn, um das Lenken zu simulieren. Interessant ist auch eine andere Kinect-Funktion, die vermutlich ein großes Plus für gestandene Fahrer darstellt: Kinect erlaubt Head-Tracking, mit welcher Steuerung Sie auch fahren. So hat der Pilot volle Kontrolle über die Perspektive im Spiel. Indem Sie den Kopf nach links oder rechts bewegen, schauen Sie so tief in eine Kurve, wie Sie möchten. Genau wie bei der geschwindigkeitsabhängigen Lenkung ist es keine Eins-zu-eins-Übertragung: Kinect nutzt Bewegungsrundungen und Sichtsprünge, damit Sie den Kopf nicht vom Bildschirm wegbewegen müssen. Aber es ist nicht nur eine coole Funktion, die einfach zu bedienen ist: Für Rennfans, die alles aus sich herausholen wollen, ist es ein riesiger Vorteil.
CBS: Kinect kam bisher vor allem bei Casual-Spielen zum Einsatz, bei denen eine genaue Steuerung ohne Zeitverzögerung nicht so wichtig ist. Die „Forza“-Serie ist das Gegenteil. Verstehen Sie Fans, die Bedenken haben?
DG: Bei der Entwicklung von „Forza 4“ ist es uns wichtig, Kinect an den richtigen Stellen zu integrieren. Die Spieler haben die Wahl, wie Sie steuern. Funktionen wie das Head-Tracking von Kinect ergänzen das Fahrmodell des Spiels. So sorgen wir für ein besseres Erlebnis für den Fahrer. Wir nutzen Kinect nur dort, wo es das Spiel besser macht.
CBS: Ist „Forza 4“ Teil einer Microsoft-Strategie, Kinect den Hardcore-Spielern schmackhaft zu machen?
DG: Wir haben von Microsoft keine Anweisungen erhalten, wie wir Kinect benutzen sollen. Wir sind mit dem Anspruch an die Sache herangegangen, diese tolle Technik kennenzulernen und Wege zu finden, das Fahrerlebnis zu verbessern. Ich denke, wir kratzen erst an der Oberfläche der Möglichkeiten. Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir später auf den Kinect-Start als Wendepunkt zurückschauen, der die Spiele-Entwicklung verändert hat.
CBS: In „Forza 3“ sind maximal acht Fahrzeuge auf der Strecke. Da bieten einige Konkurrenten mehr. Warum existiert die Begrenzung? Erhöht sich die Zahl in „Forza 4“?
DG: In der E3-2010-Demo haben wir einen Überholmodus vorgestellt, in dem Sie an einer endlosen Reihe von Fahrzeugen mit einem Ferrari 458 vorbeikommen müssen. Ich habe 23 Autos in eineinhalb Minuten überholt. Aber egal, ob gegen sieben Online-Konkurrenten, allein gegen einen Geist, gegen unzählige Autos im neuen Überholmodus oder gegen einen Freund auf der Couch: Unser Ziel war es immer, ein tolles Fahrerlebnis zu bieten. Das bedeutet für uns: 60 Bilder pro Sekunde, eine schöne Grafik mit dynamischer Cockpit-Perspektive, eine hochwertige Simulation mit Schaden und eine Netzwerktechnik, die Fahrer gleicher Fähigkeitsstufen schnell zu aufregenden Online-Rennen zusammenbringt. Dieses Ziel ändert sich mit „Forza 4“ nicht – egal, wie viele Autos auf der Strecke sind.