Von der Leyen prescht voran
Das Kabinett hat nach längerem Streit Eckpunkte zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz verabschiedet. Unklar ist aber, wann ein Gesetz kommt - und ob es wirkt
Wenn Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen über Kinderpornografie im Internet redet, scheut sie vor drastischen Details nicht zurück. Da gebe es Bilder, auf denen Säuglinge missbraucht und anschließend körperlich misshandelt würden, beschrieb sie die Problematik etwa bei der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung an diesem Mittwoch. Zu Treffen mit Journalisten bringt sie auch mal Anschauungsmaterial mit.
In ihrem Kampf darum, zumindest den Zugang zu solchen entsetzlichen Szenen im Internet künftig zu erschweren, ist die CDU-Politikerin nun einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Das Bundeskabinett beschloss nach langem Streit, die von ihr vorgestellten Eckpunkte für eine Änderung des Telemediengesetzes. Auf diese Weise sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um alle deutschen Internetanbieter zu verpflichten, kinderpornografische Seiten zu sperren.
Da die Gesetzesänderung dauern wird, will von der Leyen allerdings vorher schon freiwillige Verträge mit den Internetzugangsanbietern schließen - wogegen sich Bundesjustizministerin Birgitt Zypries (SPD) sträubt. Aber auch in dieser Hinsicht konnte von der Leyern am Mittwoch einen wichtigen Erfolg vermelden: 75 Prozent der Provider seien bereit, sich auf eine entsprechende freiwillige Vereinbarung einzulassen. Dazu gehörten Telekom, Vodafone/Acor, O2, Kabel Deutschland und Alice. Nicht mitmachen wollen dagegen United Internet, Freenet und Versatel. Auf diese werde der Druck nun aber auch wegen des anstehenden Gesetzes wachsen, zeigte die Ministerin sich zuversichtlich.
Um Ostern herum sollen die Verträge unterschrieben werden. Danach wird es laut von der Leyen noch einmal drei bis sechs Monate dauern, bis Nutzer statt bei dem von ihnen erwarteten Angebot auf den Hinweis stoßen, warum die gesuchte Seite gesperrt ist.
Dass Handlungsbedarf besteht, wird wohl von wenigen bestritten. Denn in den letzten Jahren hat Kinderpornografie im Internet dramatisch zugenommen. Für das Jahr 2007 weist die Kriminalstatistik einen Zuwachs von 111 Prozent aus. Das Wachstum hat Gründe: Es handelt sich um einen Millionenmarkt. Bis zu 400.000 Mal werden entsprechende Seiten in Deutschland täglich angeklickt.
In den Augen von der Leyens ist der Konsum von im Internet relativ einfach verfügbaren Bildern und Videos gewissermaßen der Einstiegsweg in eine Szene, deren harter Kern sich in schwer zugänglichen Foren zurückzieht. Darüber hinaus entstehe durch die leichte Verfügbarkeit solchen Materials der Eindruck, viele Menschen konsumierten solche Bilder. "Die Hemmschwelle sinkt", befürchtet sie.
Trotz der Einigkeit aller politischen Kräfte im Deutschland, dass gegen Kinderpornografie konsequent vorgegangen werden muss, wird der Vorstoß von der Leyens auch heftig kritisiert. Internetexperten bezweifeln die Wirksamkeit solcher Sperren, Web-Aktivisten befürchten den Beginn einer umfassenderen Internet-Zensur auch in anderen Bereichen. Und Justizministerin Zypries beharrt auf einer gesetzlichen Grundlage, da es sich um einen Eingriff in die Informationsfreiheit der Bürger handele, die auch im Netz gilt.
Doch der Widerstand bröckelt. Zumindest bei einer rechtlichen Regelung schließt etwa die FDP-Datenschutzexpertin Gisela Piltz, die die Sperrung von Seiten ebenfalls kritisch sieht, eine Zustimmung ihrer Partei nicht aus. Der Vorteil bestehe darin, dass dann der Staat den Eingriff in die Grundrechte verantworte und dies nicht den Providern aufgebürdet werde, sagte sie ZEIT ONLINE.
Auch einigen weiteren Bedenken versucht von der Leyen mit ihren Eckpunkten zu begegnen. So sollen nicht die Anbieter entscheiden, welche Seiten gesperrt werden, sondern das Bundeskriminalamt. Dadurch soll verhindert werden, dass auch unbedenkliche Seiten aus Angst vor Strafzahlungen blockiert werden. Zudem soll die Sperrliste täglich aktualisiert werden, um zu vermeiden, dass die Verbreiter von kinderpornografischem Material einfach ständig die Adressen wechseln.
Bleibt das Problem, dass versierte Internetbenutzer immer in der Lage sein werden, die Sperren zu umgehen. Doch dies ändert nach Ansicht der Ministerin nichts daran, dass zumindest ein Teil der Interessenten, womöglich der größere, durch die geplanten Blockaden aufgehalten werde. In Skandinavien etwa gibt es Erfahrungen mit ähnlichen Gesetzen, deren Wirksamkeit allerdings auch umstritten ist.
Unklar ist jedoch nach wie vor, ob die Verträge mit den Betreibern vor der Gesetzesänderung verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Zypries bezweifelt das. Von der Leyen stützt sich dagegen auf die Einschätzung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der Verfassungsminister habe ihr zugesichert, dass die Vereinbarungen rechtlich in Ordnung seien.
Bis wann eine Gesetzesänderung die Unklarheiten beseitigen wird, ist noch nicht abzusehen. Sie halte dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr für durchführbar, hatte von der Leyen immer wieder gesagt. Am Mittwoch zeigte sie sich etwas optimistischer. Im Wirtschaftsministerium, das für die erforderliche Änderung des Telemediengesetzes zuständig ist, seien die Vorarbeiten schon weit angelaufen, so von der Leyen.