Quatsch, dazu reicht ein simpler Laptop. Wir arbeiten zum Beispiel mit vielen indischen Entwicklern zusammen. Die mussten vorher in einem unangenehmen Großraumbüro sitzen, jetzt sitzen sie mit ihrem Rechner/Laptop im Homeoffice. Seitdem sind die Leute dort so effizient wie nie zuvor- was ja auch verständlich ist. Insofern ist das sehr lustig, wie manche sich das hier vorstellen.
Des Weiteren ging der Corona-Lockdown in Japan in Summe gerade mal neun Wochen. Man hätte also nur neun Wochen Homeoffice machen müssen, der Rest war Nintendos freie Entscheidung. Und wenn sie dann die Leute monatelang im Homeoffice lassen, obwohl die Infrastruktur offensichtlich nicht passt, dann ist das einfach fehlerhaftes Prozessmanagement - ergo: Auch wieder die eigene Schuld.
Bei allem Respekt, aber es scheint mir wirklich, dass du keine Ahung von Projektplanung im Softwarebereich im Allgemeinen hast.
Eins vorne weg, hier in Deutschland gab es glaube ich keine einzige Woche, in der man in Homeoffice arbeiten musste. Es waren ständig nur Empfehlungen und Beschränkungen ausgesprochen, dennoch ist ein Großteil der Arbeit, da wo es möglich ist ins Homeoffice verlegt worden. Dein Argument, dass in Japan nur neun Wochen Homeoffice waren und deshalb dürfte es nicht so viel Auswirkung haben, ist also nicht wirklich zutreffend. Mit Sicherheit wird auch dort ohne wirklichen Zwang sehr viel Arbeit ins Homeoffice verlagert.
Und ja es gibt Software-Unternehmen, die sehr gut mit Corona klar kommen, aber auch welche für die es eine riesige Herausforderung darstellt. Das liegt nicht an Inkompetenz von Unternehmen wie du es hier unterstellen willst, sondern generell an sehr vielen Faktoren. Mal als Beispiel die Videospielbranche, da hat sich doch mittlerweile fast jeder große Entwickler zu Entwicklungsschwierigkeiten durch Corona geäußert. Willst du jetzt also einer gesamten Branche inkompetenz unterstellen, nur weil es vielleicht bei eurem Unternehmen, was ganz anders funktioniert klappt und bei Videospielentwicklung nicht.
Es gibt zahlreiche Gründe warum gerade die Videospielentwicklung besonders von Corona betroffen ist. Ich nenne hier mal ein paar:
- Probleme mit Lizenzen für Tools: Da kann ich auch aus eigener Erfahrung sagen, dass das zu einem Problem werden kann. Wir haben zum Beispiel bei uns für unser Tool zum Testen Floating-Lizenzen. Heißt bei uns im Arbeitsnetztwerk, können eine bestimmte Anzahl an Nutzern die Lizenz gleichzeitig nutzen, aber wenn man per Remote darauf zugreifen will, ist die Nutzung seitens der Lizenzgeber jedoch deutlich eingeschränkter, da nur wenige Leute per Remote Zugriff auf die Lizenz bekommen. Mit anderen Worten im Homeoffice ist der Zugriff auf Lizenzen schwieriger, und das wird noch schwieriger je größer das Team ist. Und gerade bei Videospielentwicklungen sind die Teams gigantisch im Vergleich zu anderen Softwarebranchen. Natürlich gibt es da ja auch die Möglichkeit Lizenzen auszuweiten, aber da gibt es ja auch noch sowas wie ein begrenztes Budget.
- beschränkter oder gar kein Zugriff auf spezielle Hardware: Gerade Videospielentwicklung findet ja nicht ausschließlich am Laptop statt. Man braucht Devkits, Hardware für Erstellungen von Grafiken oder Sounds usw. und das hat man einfach nicht im Homeoffice.
- Arbeiten, die unmöglich im Homeoffice passieren können wie Motion Capturing, Aufnahmen von Synchronsprechern oder Musik. Gerade solche Arbeiten sind unter Kontaktbeschränkungen schwierig umzusetzen.
- Sehr viele beteiligte Parteien. Im Vergleich zu normaler Softwareentwicklung sind bei einem Videospiel viel mehr Teams und/oder Unternehmen beteiligt. Natürlich funktioniert die Kommunikation bei so einer Struktur schon überwiegend digital, aber es reicht ja auch, dass wenige Parteien, die eventuell sogar an kritischen Arbeiten dran sind, in Verzug kommen um die gesamte Entwicklung zu verlangsamen. Und aus Erfahrung kann ich sagen, wenn eine Partei sich sagen wir mal um zwei Wochen verzögert, ist die gesamte Verzögerung in der Regel mindestens genau so hoch.
- Egal wie gut die digitalen Möglichkeiten zur Kommunikation sind, digitale Kommunikation bleibt langsamer als direkte Kommunikation. Das wirkt sich natürlich besonders auf Videospielentwicklung aus, da Videospielentwicklung durch nahezu alle Phasen der Entwicklung sehr viele kreative Komponenten hat. Eben schnell ein Bild auf ein Whiteboard malen um die eigene Idee zu erklären funktioniert halt nicht im Homeoffice und bedarf größerer Vorbereitung.
- Sehr viele individuelle Probleme wie keine ruhige Arbeitsumgebung zuhause. Klar kann das auch in die andere Richtung gehen wie in deinem Beispiel mit den indischen Entwicklern. Aber nehmen wir mal Japan, dort haben die Arbeiter meist kleine Wohnungen und schon gar kein eigenes Büro zuhause. Und wenn man dann noch Kinder hat, dann hat man im Homeoffice deutlich weniger Ruhe als im Büro. Generell ist ja die Arbeitskultur in Japan sehr stark auf direkte Kommunikation im Büro ausgelegt. Viele Arbeitskräfte haben kein Privatleben/keine Freunde außerhalb der eigenen Familie und dem Unternehmen. Da kommt dann natürlich eine besondere psychische Belastung dazu, wenn man ständig im Homeoffice sitzt. Das wirkt sich alles auf die Produktivität aus.
Ich könnte die Liste hier ewig weiterführen, aber um es mal auf den Punkt zu bringen. Softwareentwicklung generell ist ein extrem komplexer Prozess und kleinste Probleme können hohe Wellen schlagen. Nur ein Bruchteil der Projekte werden wie geplant umgesetzt und je größer ein Projekt und das Team dahinter sind, desto anfälliger ist die Umsetzung für Verzögerungen. Nicht umsonst haben sich schon sehr viele Entwickler zu Problemen durch Corona geäußert.