Ich habe um Scarface bisher auch immer einen Bogen gemacht. Aber wenn du den selbst mit einer Abneigung für Ganster(Filme), die auch bei mir vorhanden ist, so hoch bewertest, werd ich ihn mir mal anschauen
Im Film ist Tony Montana bzw der "American Dream" ganz klar im Mittelpunkt und der wurde wie gesagt super gespielt.
Daher kann man ihn trotz der Gangsterthematik mögen.
Was ich außerdem sehr gut am Film fand, und vergas zu erwähnen: Der Film hat auch endlich mal Bösewichte die zielen können.
Der Hauptgrund warum ich Actionszenen nicht mag ist, dass die Hauptcharaktere unverwundbar wirken und so einfach keine Spannung aufkommt. Bei Scarface ist das ganz anders.
Jetzt les ich grade, dass es von Once Upon a Time in America sehr bald eine um 20-30 Minuten erweiterte Fassung gibt. Jetzt frag ich mich, ob ich auf die warten soll, da ich den auch noch nicht gesehen habe.
Der Film ist ja soetwas wie Sergio Leones Lebenswerk und wurde so weit ich weiß vor paar Jahren schon in seiner ursprünglich gedachten Langversion auf DVD veröffentlicht, nachdem die Kinoversion extrem gekürzt wurde.
Mit 230min ist der Film auch so schon extrem lang. Es ist halt fraglich, ob die längere Version wirklich besser wird.
Mit Martin Scorsese hat sich zwar ein ganz Großer an die Restaurierung gemacht, aber die 230min Version ist an sich schon verdammt gut.
Kurz gesagt: Beim Schauen hatte man nicht den Eindruck, dass etwas fehlt, daher könnte die längere Version besser sein, muss es aber nicht zwangsläufig.
Blue Velvet
Hab zwar schon alle David Lynch Filme gesehen, aber bewertet habe ich erst einen. Diese Filme sind psychologisch und symbolisch so komplex, dass sie eine regelrecht wissenschaftliche Recherche benötigen, was wiederum sehr Zeitaufwendig ist. Da ich aber Semesterferien habe und zusätzlich dank eine Grippe nicht arbeiten muss, hatte ich etwas mehr Zeit und versuche mich mal an einer leichten, eigenen Interpretation.
(Am besten nur weiterlesen, wenn man den Film gesehen hat oder es einem egal ist, weite Teile der Handlung schon vorher zu wissen)
Ein Lynch Film hat immer verschieden Ebenen. Angefangen von der Grundidee bis hin zur Symbolik einzelner Bilder bzw. Szenen.
So fange ich am besten mit den groben Dingen an und arbeite mich weiter runter.
1. Traum und Alptraum
Die zentrale Thematik des Film ist die Ambivalenz zwischen träumerisch idyllischer Kleinstadt und alptraumhafter "Unterwelt".
Einer dunklen Seite hinter dem seidenen Vorhand. Dementsprechend beginnt der Film auch bildlich mit dem blauen Seidevorhang.
Eine weitere grundlegende Unterscheidung gibt es zwischen Fantasie und Realität.
2. Der Kern der Handlung - Die Protagonisten
- Der Vater:
Hier kommen wir direkt zum Kern meiner Interpretation. Im Gegensatz zu allem was ich bisher zum Film gelesen habe, ist für mich der Vater der Dreh und Angelpunkt der Geschichte.
Die Idylle wird nicht mit dem Auffinden des Ohres zerstört oder mit der ersten Konfrontation mit Frank. Die Traumwelt platzt mit dem Herzinfarkt des Vaters. Die Szene mit den Käfern ist für mich der klare Cut und Abstieg in die "Alptraumwelt".
Etwas ganz Entscheidendes passiert aber direkt danach. Jeffrey ist nämlich bevor er das Ohr findet schon einmal im Vorgarten, findet das Ohr aber nicht. Es muss also eine Rolle spielen, dass er dazwischen beim Vater war.
Und hier kommt der Clou: Für mich symbolisiert Frank und alles was nach dem Fund des Ohres passiert Jeffreys inneren Kampf mit dem Trauma seines "entstellten", idealisierten Vaters.
Es wirkt weit hergeholt, weil in Frank und Dorothy ebenfalls viele wichtige Dinge angesprochen sind und der Anfang fast schon banal wirkt, um eine größere Rolle zu spielen, aber es gibt paar Anzeichen, die das unterstützen.
1. Wie erwähnt, ist der Herzinfarkt des Vaters der klare Auslöser für das Ende der Idylle.
2. Ab dem Fund des Ohres beginnt seine Konfrontation mit dem Umständen, nachdem er also seinen entstellten Vater zum ersten mal sieht.
Das Ohr ist sein Bedürfnis, seine Machtlosigkeit zu überwinden.
3. Das Ende vom Film ist erzählerisch erstaunlich - fast betont - unstimmig und bekommt daher mehr den Charakter einer wirren Fantasie, als von realen Ereignissen.
4. Die Idylle ist nicht wiederhergestellt nachdem Frank tot ist. Sie ist erst wiederhergestellt, nachdem wir wieder aus dem Ohr "rausgehen" und der Vater wieder bei bester Gesundheit ist. Das Einzige, was die Idylle beeinflusst, ist der Gesundheitszustand des Vaters.
5. Sehr interessant ist, dass der Anfang und das Ende auch sehr träumerisch dargestellt sind, die Geschichte um Frank aber dunkel und "realistisch". In der Psychoanalyse beschreibt man gerne die Fantasie als realer, als die Realität.
Die Fantasie um Frank ist also realer, als die "falsche" Idylle, die wir uns vorspielen und darum ist der idyllische Anfang und Schluss auch verträumt dargestellt und die Fantasie von Jeffrey realistisch.
In diesem Kontext:
Die Rolle von Frank:
Frank symbolisiert den überspitzten Verfall des idealisierten Vaters. Überspitzt, weil die traumatische Entstellung seines reellen Vaters einen schock auslöst. Er also die Idealisierung des Vaters mit dem Trauma kompensiert.
Das spiegelt sich sehr gut in dem überspitzen, fast schon idealistischem Bösen Frank wieder, der das Gegengewicht zu seinem erschütterten positiven Ideal bildet.
Die erste Szene mit Frank ist die Vergewaltigungsszene, in der es klare Anzeichen gibt, dass Frank und Dorothy die Rolle von Jeffreys Eltern einnehmen. Slavoj Zizek verknüpfte interessanterweise die Atemmaske und das Stofftuch im Mund mit einer kindlichen Vorstellung, wenn es den Elter (zufällig) beim Sex zuhört. Für ein Kind mag das schwere Atmen des Vaters sich so anhören, als ob er durch eine Maske atmet usw.
Hinzu kommt, dass Jeffrey in der Situation gefangen ist. Nicht körperlich, sondern wegen der Situation. Er kann vor dem, was er sieht nicht flüchten. Er muss im Wandschrank bleiben und zu sehen bzw zuhören.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Frank auch Jeffrey selber verkörpert. Beide haben im Grundsatz ähnlich Charakterzüge. Frank verkörpert puren Hedonismus und Jeffrey zeigt dies im Ansatz. Er schläft mit Dorothy, obwohl er mit einem anderen Mädchen eine Beziehung eingeht, er wiedersetzt sich den Anweisungen des Polizeidirektors, nur weil er seine Neugier befriedigen will und er schlägt Dorothy, genau wie Frank.
Das alles kann man als die Folgen des Verlustes einer guten Vaterfigur deuten.
Die Rolle von Dorothy:
Dorothy spielt eine zentrale Rolle. Sie ist die Begierde. Im Kontext meiner Interpretation: Die Begierde dem Vater zu helfen, etwas zu tun, um so zur alten Idylle zurück zu kehren. Beide Punkte verbindet sicherlich ihre Eigenschaft als "Haupttrauma." Später sehen wir nämlich in einem Traum nochmal den Vater, diesmal viel entstellter und wir sehen wie er Dorothy schlägt. Nicht vergessen, das Trauma gestaltet seine Fantasie.
Jeffrey ist nahezu besessen ihr zu helfen und geht darum so weit, sie sogar zu schlagen, obwohl er das nicht will.
Ein sexuelles Interesse sehe ich dabei nicht. Er hat nur mit ihr Sex, weil sie es "verlangt". Alles in ihm dreht sich darum ihre Depression zu heilen. Die Heilung, die auch Frank möglicherweise als Vorwand nimmt, liegt aber nicht im masochistischen Sex, sondern in der Erfüllung ihrer Rolle als Mutter.
Letztendlich steht also nur Frank im Wege für die Erlösung. Der Tot von Frank ist die Genesung des Vaters. Am Ende ist Dorothy vereint mit ihrem Sohn und Jeffreys Welt wieder in Harmonie.
Die entscheidende Szene kommt aber zum Schluss, als bei der Szene mit Dorothy und Don das "böse" Lied gespielt wird. Ein klarer, bekräftigender Kommentar, dass die Idylle falsch ist!
Fazit:
Der Film kommentiert die Wahrnehmung von Realität und Fantasie, indem er uns aufzeigt, dass die Fantasie realer sein kann als die Realität.
Von der Perspektive der Postmoderne ist es eine Kritik an traditionellen Familienwerten, mit der Abwertung des Ideals einer heuchlerischen Idylle.
9 von 10