Zu Beginn spielt der Film mit einem. Man merkt früh, dass mit dem Protagonisten (der Name wird nie genannt, genauso wenig Details über seine Vergangenheit) etwas nicht stimmt, er nicht ins Bild passt. Er ist wortkarg und wirkt fast schüchtern, wüsste man nicht, dass er Nachts für Kriminelle den passionierten Fluchtfahrer spielt. Man könnte es als Kick abtun, den er sich Nacht für Nacht einholt, weil ihn sein Privatleben nicht ausreichend befriedigt oder er gar des Lebens überdrüssig ist. Dafür spricht auch sein Job als Stuntfahrer, der viele Gefahren mit sich bringt, ihn aber scheinbar nicht bekümmert. Doch eigentlich ist er einfach anders, nicht kategorisierbar - jemand der um seine Stärken weiß, sie aber nicht von sich aus auspielt, jemandem den Kopf einschlägt und im nächsten versucht, sich für die Liebe zu einer Frau zu entscheiden. Er fährt viel umher, das Zeitgefühl ist dabei ein anderes, die Musik tut ihr übriges. Er ist tendenziell gesehen ein Soziopath, ist sich dessen allerdings bewusst und versucht sich dagegen zu wehren.
Seine anhaltende apathische Haltung wirkt wie auferlegt, eine Konsequenz seines früheren Lebens über das man nichts erfährt und man nur mutmaßen kann. Auch sein Angestelltenverhältnis in der Werkstatt, in der er weit unter Mindestlohn arbeitet, lässt darauf schließen, dass er versucht Buße zu tun. Für ein Leben, dessen er sich mittlerweile schämt oder schämen will. Eine Art Selbstgeißelung. Trotzdem ist klar, dass er sich nicht vollständig davon lösen kann. Er braucht die Gefahr als Bestandteil seines Lebens, versucht sie aber zu kontrollieren, zu limitieren. Er gewährt seinen "Klienten" fünf Minuten Rückendeckung, mehr nicht. Danach sind sie auf sich allein gestellt und nicht mehr sein Problem. Es kann nicht auf Dauer funktionieren.
Bei seiner Nachbarin lernt er das Leben kennen, das er sich wünscht, beziehungsweise das Leben, von dem er gerne hätte das er sich es wünscht. Er ist der Skorpion, er trägt die Jacke nicht ohne Grund. Er weiß wie er tickt, daran besteht kein Zweifel. Doch das Glück währt nicht lange, eigentlich ist es vornherein zum Scheitern verurteilt. Er versucht Abstand zu gewinnen, aber wird Zeuge von etwas, das sich zu einem Problem entwickelt. Um seine Nachbarin zu schützen lässt er sich auf einen Deal ein, der alles nur noch schlimmer macht, ihren Ehemann das Leben kostet und sie, und ihren Sohn, nun endgültig in die Schusslinie zieht. Ein einziger Shitstorm der Extraklasse. Nichts was er nicht schon von irgendwoher kennen würde. Er tut was er tun muss, er glaubt tun zu müssen um seine Nachbarin, seinen Boss und am Ende vielleicht auch sicht selbst retten zu können. Letzteres erscheint sekundär. Seine Jacke zieht er inzwischen nicht mehr aus. Der Weg ist klar, wenn nötig bis zum blutigen Ende. Bei seinen Widersachern handelt es sich eh um Kriminelle, keiner würde ihnen eine Träne nachweinen. Er setzt sich eine Maske auf, vielleicht um sich selbst von seiner Tat zu distanzieren, die im Gegensatz zu den vorangegangenen nicht auf Notwehr basierte, sondern geplant war, vorsätzlich geschah. Ob er es will oder nicht, er ist der Skorpion, der den Frosch auf halber Strecke über den See ersticht und damit selbst in den Abgrund hinabsteigt. An ein Leben mit seiner Nachbarin und ihrem Kind ist nicht mehr zu denken, es geht nur noch um Schadensbegrenzung. Darum ihr ein sicheres Leben zu ermöglichen.
Sein starrer Blick in die Ferne, als er am Ende blutbesudelt in seinem Auto sitzt, war, hinsichtlich seiner Duelle mit dem Sohn, eine nette Finte. Die letzte Szene hätte ohne Probleme auch am Anfang des Films stehen können. Für mich ist der Film ganz klar ein Drama mit Thriller-Elementen. Über einen Mann der versucht sich seinem Schicksal zu widersetzen, die Liebe zu finden, einfach normal zu sein und letztlich dabei zu scheitern. Ganz große Nummer! Gosling hat die Rolle verdammt gut gespielt. Hut ab!