Der Bau des Geisterwalls
[Auszüge aus dem Tagebuch von Ababael-Kul, Vorarbeiter des Geisterwalls]
So Xarxes es will, verfasse ich mein Leben für die Nachwelt. Bis zum heutigen Datum gab es keinen Grund für mich, Wörter niederzuschreiben, wenn sie nicht dem Abschluss eines Bauvertrages dienlich waren. Doch die Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Dunmer und dem Konglomerat der Nedier, angeführt von Deutero-Nediern ist nun schon einige Zeit her und hat unser Leben grundlegend verändert. So sehr, dass manch einer denken möge, dass diese geschriebenen Zeilen es wert seien, gelesen zu werden.
Als ich vor einigen Wochen den Brief von einer Hand Almalexias überreicht bekommen habe, mit dem Befehl des Baus eines Geisterwalls in nie dagewesener Größe, brach ich beinahe zusammen. Der Bau eines Geisterwalls ist eine große Ehre für jeden Bauunternehmer in Dunmereth, vertrauen die Häuser einem doch die Gebeine ihrer Ahnen an. Aber ein Projekt dieser Größe raubte mir über Wochen den Schlaf. Nächte verbrachte ich damit, die Pläne zu entwerfen, grobe Materialkosten zu berechnen und sie an alle Tribunen zu schicken. Und jedes Mal hoffte ein kleiner Teil von mir, dass die Antwort des Tribunals sage, dass ich ungeeignet für die Arbeit wäre, doch scheine ich es nicht zu sein. Morgen schon breche ich von Ald’Ruhn auf, um zum roten Berg zu reisen und den Bau zu überwachen.
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Am Fuße des Berges liegen die Materialien bereit. Der Zaubermeister höchstselbst trat vorbei, überreichte mir abgeänderte Varianten meiner Baupläne und sprach mir Lob für meine Fertigkeiten aus.
»Selten musste ich die Arbeit eines Meisters seines Handwerks so wenig korrigieren«, sagte er. Eine Gänsehaut zog sich für Stunden über meinen Körper, wie damals, als ich meine Frau zum ersten Mal erblickt habe. Könnte sie mich nur sehen.
Anfangen wollen wir mit der Geisterpforte, einer umfangreichen Tempelanlage, die, so Vivec will, von seinen Kriegswappenträgern bemannt und gesichert wird. Hier können wir die Baumaterialien zwischenlagern, damit die Mabrigash in den Foyadas sie sich nicht eines Nachts unter den Nagel reißen. Wobei nur die Tribunen selbst wissen, was diese Hexen mit Kalk, Sand, Panzern, Holz und Stein anzufangen wissen.
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Noch immer sitzt die Aufregung, dass Sotha Sil selbst mit mir sprach, tief in meinen alten Knochen. Ich schrieb einen Brief an Alvon, der den Hexenmeister mehr verehrt, als mich. Was ich ihm nicht verübeln kann, war ich doch nie ein guter Vater für ihn. Doch er hielt zu mir und sprach mir seinen Neid aus. Näher an Liebesbekundungen eines Sohnes, werde ich zu meinem Lebzeiten wohl nicht mehr kommen.
Der Bau der Geisterpforte geht gut voran und der Boden lässt sich einfacher ausgraben, als zunächst angenommen, doch die Mabrigash stellen ein immer ernsteres Problem da, so dass ich, wie die Vorschriften meiner Branche es verlangen, den Auftraggeber um zusätzliche Wachkräfte bitten musste. Blöd nur, dass es sich dabei um drei lebende Götter handelt. Wenn es hart auf hart kommt, bitte ich das Haus Redoran um Hilfe.
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Selten hat mich ein so sehr gerührt, als die angeforderte Verstärkung zu sehen. Drei Hände Almalexias und zwei Dutzend Ordinatoren standen heute Morgen vor dem Baulager, beschienen von der Morgensonne, die durch die Foyada schien. Sie waren still, nur eine der Hände in weiß-silberner Rüstung trat zu mir, fragte, in welcher Richtung die Mabrigash waren und ich zeigte die Foyada hinab. Dann marschierten sie los. Wir waren mitten im Bau des rechten Konstruktes, als die Ordinatoren zurückkamen, blutüberströmt. Es würde keine Probleme mehr von den Ketzern geben, sagte die eine sprechende Hand zu mir und ohne uns die Möglichkeit des Dankes zu gewähren, marschierten sie los, als wäre der Weg vom Roten Berg nach Gramfeste nur ein Spaziergang. Und in der Tat ließen die Angriffe nach. Lediglich einige Höllenhunde griffen uns noch an, was für uns kein Problem darstellte.
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Der Bau der Tempelanlage ist abgeschlossen und dauerte nur wenige Monate. Die Bauten des Stützrahmen haben Links und Rechts schon begonnen, während ein großer Teil der Landschaftsformer des Hauses Telvanni damit begannen, den Boden um den roten Berg herum zu ebnen. Es freut mich, dass es auch unter diesem Fürstenhaus gläubige gibt, die einen Auftrag des Tribunals nicht ablehnen.
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Der Bau läuft deutlich besser, als angenommen. ALMSIVI selbst segnet uns, dem bin ich mir sicher. Doch wo man das Glück an einem Ort pachtet, wird es wo anders genommen, wie man im Haus Dres so schön sagt. Alvon ist krank. Er wurde in Dhalmora attackiert und seine Wunden entzündeten sich. Er hätte nie nach Bal Foyen reisen sollen, wie es ihm seine Mutter geraten hatte.
Hätte er mir bloß früher geschrieben, wie es um ihn stand, hätte ich ihm helfen können. So kann ich nichts anderes tun, als meine Arbeit zu vollenden und meine Gebete an das Tribunal zu senden, dass sie meinem Sohn helfen mögen.
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Ich habe lange gebraucht, dieses dumme Tagebuch wiederzufinden. Ich hatte einige Tage freie Zeit und als ich von der Beerdigung von Alvon wiederkehrte, war der rote Berg bereits umschlungen von einem Ring aus magisch gebräuntem Kalkstein. Ich informierte Almalexia, Vivec und Sil über den Fortschritt und seit dem warten wir.
Wir werden für jeden Tag der Arbeit bezahlt also nutzen wir die Zeit und verschönerten den noch inaktiven Wall. Einige der besonders frommen Bauarbeiter schlugen vor, die Abbilder unseres Auftraggebers in regelmäßigen Abständen anzubringen, damit »Diese stets vom Herzen des Landes auf uns Blicken.« Wir haben nur mehr wie genug Materialien übrig, daher erlaubte ich es. Ich mag den Gedanken, dass die Drei von nun an ununterbrochen auf uns herabblicken. Wie sie es seit jeher taten. Herabblickend und ignorierend.
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Über meine hundert Jahre in der Industrie habe ich schon mehr Geisterwälle errichtet, als ich zählen kann. Oft für Adelshäuser oder öffentliche Gruften. Doch dieses Projekt ist anders. Um einen Geisterwall zu erschaffen, benötigt man die Überreste der Angehörigen der jeweiligen Gruft. Doch wer ist der Angehörige des roten Berges? Mit dieser Frage befassten wir, ich und die Telvanni Magister samt Priester der Indoril, uns, weil wir seit Wochen keinerlei Antwort der Auftraggeber erhalten haben. Doch dann, ehe wir mit dem Gedanken spielen konnten, das Bauunternehmen abzublasen, geschah es: Vivec trat, barfuß und nur mir einem Lendenschutz gekleidet, zur Geisterpforte. Mit ihm ein Heer aus Kriegswappenträgern, gekleidet im Blut des Berges und den Glas der Erde. Ich, als Vorarbeiter, sagte ihm, dass wir auf Antwort des Tribunals warteten.
»Und hier bin ich«, sagte er, hob seinen unerwartet phallusförmigen Speer in die Luft und die Erde erzitterte. Dutzende Knochen schossen aus der Asche des Berges Vvardenfell in die Höhe. Gebeine von Chimern, wie wir sie einst waren. Mehr Gebeine, als wir zählen konnten und mehr, als die Geschichtsbücher erahnen ließen. Einige der Kriegswappenträger trugen Bündel in ihren Händen, Knochen, gewickelt in den Insignien des roten Hauses, die sich ebenfalls in die Luft erhoben. Langsam glitten die Gebeine in die Erde unter dem Stützrahmen.
»Eines fehlt noch«, ertönte Vivec in seiner zweifachen Stimme. Ein Kriegswappenträger reichte ihm ein schmuckloses Bündel, welches er schwebend vor sich hielt und auffaltete. Erst erkannte ich nicht, was an diesen Gebeinen besonders war, doch dann sah ich eine vier-fingrige, rechte Hand.
»Euer Sohn starb, bevor sein Dienst zu Ende war. Erlaubst du ihm, seinen Dienst für alle Ewigkeit fortzuführen?«
Nie war ich so sprachlos, wie in diesem Moment. So sehr, dass ich unter Tränen nur nicken konnte, ehe sich die Gebeine zu denen der Helden des Krieges und der Redoran vermischten. Dann begannen die Zauberer der Indoril, die Riten anzuführen und der Wall erhob sich mit ohrenbetäubender Kraft aus der Erde, bis hin zum Stützrahmen. Als ich mich herumdrehte, war Vivec verschwunden, und seine Begleiter bemannten die Pforte.