Soul Reaver 2
Mit jedem weiteren Durchspielen wird mir bewusster, was für ein seltsames Spiel SR2 doch ist.
Zum einen macht es so viel richtig, ab hier wird Raziels Geschichte wirklich interessant und auch Kains Status wechselt vom reinen Bösewicht aus SR1 wieder zu einer eher ambivalenten Figur. Kenntnisse aus BO1 machen die Örtlichkeiten, die man hier besucht, sogar noch einen Tick interessanter und man erkennt viele Sachen wieder, die hier gar nicht so explizit genannt werden (etwa die Ignis Fatuus Leuchtfeuer im Sumpf, die zu Voradors Anwesen führen
).
Und dass Spielelemente wie Orte zum Speichern oder Kontrollpunkte als Teil der Spielwelt integriert werden ist einfach eine tolle Idee gewesen. Auch, wie man den Soul Reaver verändert hat finde ich recht interessant (früher habe ich da nicht allzu viel drüber nachgedacht).
Im Vorgänger war er eine coole und nützliche Waffe, jedoch nur eingeschränkt nutzbar. Hier steht er Raziel jederzeit zur Verfügung und ist sogar seine mächtigste Waffe, allerdings sollte man ihn nicht allzu überschwänglich benutzen, weil sich das Schwert sonst alle Seelen selbst einverleibt (sodass nichts für Raziel übrig bleibt) und sich von seiner Lebensenergie ernährt. Eine äußerst spannende Dynamik, man muss immer abwägen, ob man den Reaver verwendet, um stärkere Gegner schneller zu vernichten oder lieber eine andere Waffe, damit man ihre Seelen zur Stärkung der eigenen Gesundheit verschlingen kann. Auch die Rätsel gefallen mir immer noch sehr und die sind auch ein bisschen das Highlight des Spiels.
Aber wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Wenn man direkt zuvor SR1 gespielt hat, ist Teil 2 geradezu erschreckend linear. Es gibt absolut nichts zu erkunden, eigentlich rennt man immer nur von A nach B, um die Geschichte voranzutreiben.
Und man hat man es irgendwie geschafft, das Kampfsystem schlimmer zu machen.
In Teil 1 war es noch innovativ, wenn auch etwas hakelig, aber die Idee, Gegner mithilfe der Umgebung auszuschalten bzw. ihre Schwächen auszunutzen, war unheimlich cool. Hier ist es einfach nur noch tumbes Gekloppe. Klar, eine ähnliche Mechanik wie mit den SR1-Vampiren war schon aus Story-Sicht unwahrscheinlich. Aber es ist eben immer noch dasselbe System, nur ohne diesen strategischen Faktor (und ohne die spaßige Glyphen-Magie). Dass Gegner wirklich ALLE Angriffe blocken können macht es nur noch schlimmer... zumal sie deine eigene Abwehr mit einem stärkeren Angriff locker durchbrechen können.
Auch das Anvisieren funktioniert hier nicht mehr so gut... viele Schläge gehen gerne mal ins Leere, weil Raziel vorbei schlägt wenn er mal in Fahrt ist.
Ebenfalls nicht hilfreich ist die Kamera. Die ist oft viel zu nah oder bleibt wegen der Umgebung irgendwo hängen, wodurch die Kämpfe dann sogar noch unübersichtlicher werden.
Eine Sache, die ich nach wie vor immer noch verblüffend finde, ist das Pacing: SR2 ist ein recht kurzes Spiel und doch finde ich es super seltsam, wie sie ihre Speicherpunkte gesetzt haben. Bis du das erste Mal Speichern kannst vergehen mindestens 20 Minuten mit vielen Cutscenes, die man nicht abbrechen kann - gerade heutzutage wurmt mich das, besonders mit Blick auf ein Erlebnis mit Okami vor einiger Zeit. Da klickte ich mich auch 20 Minuten durch ein nicht überspringbares Intro, nur um dann festzustellen, dass meine Memory Card nicht funktioniert. Und da durfte ich das Intro dann vier Mal wiederholen, ehe ich merkte, dass es tatsächlich an der MC und nicht an was anderem lag. Aber das jetzt nur am Rande.
Ja, inzwischen glaube ich, dass SR2 ein bisschen der Anfang vom Ende für LoK war. Der fiese Cliffhanger in Teil 1 hat sicher auch schon viele vergrault, aber hier hat man halt sehr stark auf die Story gesetzt und dabei das Gameplay vergessen. Während SR1 noch als echte Konkurrenz für Tomb Raider angesehenen und vom Mainstream beachtet wurde, ging es hier schon viel mehr in Richtung Nische.
Und trotz all seiner Makel mag ich SR2 sehr. Es trifft einfach einen bestimmten Nerv bei mir. Das ist die Magie von Legacy of Kain.