Ich hab mir Zelda und die Switch ebenfalls zum Launch gegönnt und bisher wohl um die 50 Stunden in das Spiel gesteckt
Passender Weise hatte ich diese Woche auch Urlaub, sodass ich mir richtig Zeit für den Titel nehmen konnte. Nach anfänglicher Euphorie stellt sich bei mir allerdings langsam eine leichte Ernüchterung, um nicht zu sagen Enttäuschung ein. Sicher, das Spiel ist großartig, hat einen gigantischen Umfang und ist wundervoll designt, keine Frage, aber mir fehlen die "Magie", das Organische, und vor allem die Abwechslung. Achtung, kleinere Spoiler folgen.
Die 120 verfügbaren Schreine gehören objektiv betrachtet mit zu den besten Rätseln, die Nintendo in einem Zelda je entworfen hat. Ich bin jedes Mal aufs Neue verblüfft, wie viele Spielereien man um die gerade einmal vier verschiedenen Module des Shiekah-Steins herum designen kann. Das ist aber m.E. auch gleichzeitig die größte Schwäche an den Schreinen - sie basieren ausschließlich auf diesen vier Gameplayelementen und der dazugehörigen Physikengine (fairer Weise muss ich sagen, dass ich noch nie ein Freund von physikbasierten Rätseln war). In allen anderen Zeldas gab es deutlich mehr Abwechslung bei den Rätseln. Ich vermisse die Items vergangener Teile, von denen es so viele verschiedene mit großartigen Rätselideen gab. Dazu kommt noch, dass alle Schreine in komplett demselben blauen Stil gehalten sind. Ketzerisch könnte man sagen: hat man einen Schrein gespielt, hat man alle gespielt - neue Gameplayelemente oder Items kommen auch nach über vierzig Schreinen bisher nicht vor, an der Optik ändert sich sowieso nichts. Und auch die Belohnungen sind immer dieselben - man erhält ein Zeichen der Prüfung, das man wahlweise in Herzcontainer oder in Ausdauer investieren kann. Auch hier keine Überraschung.
Wenn ich also die Schreine nach einem gewissen Übersättigungseffekt abziehe, dann bleibt nicht mehr allzu viel Inhalt in der riesigen Welt übrig. Ja, man findet überall in der Welt Truhen mit Waffen und Rüstungen, von denen es aber so unendlich viele gibt, dass ich auch hier nach einer Weile jeden Inhalt schulterzuckend entgegen nehme - wohl in dem Wissen, dass ich die meisten Items sowieso binnen eines Kampfs leider zerbrechen werde. Aber sonst? Schreine und Waffen? Das war's? Und dafür diese große Welt?
Dann das Wetter - ich glaube, in meinem Spiel gewittert es zu 70% der Zeit und das _nervt_mich_kollossal_
. Bei Gewitter sehe ich in wenigen Metern Entfernung schon nichts mehr, rutsche von Wänden beim Klettern ab und werde mit metallischer Ausrüstung vom Blitz getroffen. In der Praxis gestaltet sich das dann so, dass ich auf der Suche nach einem bestimmten Punkt bin und minutenlang nichts mehr sehe, oder dass ich an Stellen unterwegs bin, an denen ich zwangsläufig klettern muss, um weiterzukommen, es aber nicht kann, oder dass ich vor allen Gegnern weglaufen muss, weil alle Holzwaffen in meinem Inventar bei den ersten paar Gegnern während des Gewitters bereits zerbrochen sind. Ich stehe also im Zweifelsfall minutenlang da und kann NICHTS machen. Das killt jeden Funken Entdeckerdrang binnen Sekunden.
Schließlich bleiben noch Story und Dungeons. Letztere sind meine sicherlich größte Enttäuschung. Es war ja im Vorfeld bekannt, dass sie an Komplexität verloren haben (nicht zuletzt auch aufgrund der dafür eingeführten 120 Schreine), aber dass es in dieser riesigen Welt davon nur vier gibt und diese zum Teil nur aus zwei oder drei Räumen bestehen, finde ich schon traurig
Die "Idee" hinter den Schreinen ist zwar genial, aber m.E. wurde dafür zu viel an Inhalt und Kreativität geopfert. Dungeons waren für mich in jedem Zelda immer DAS Highlight schlechthin - raumübergreifende Abhängigkeiten, um ein zentrales Element herum designt (Schatten, Säulen, Feuer, Wasser, Luft, verdrehte Räume, Zeit uvm.), platziert in überaus kreativen Umgebungen, z.B. im Deku-Baum, auf einem Piratenschiff, in einem Wal uvm. Die Schreine sind dafür kein Ersatz, weil sie in sich abgeschlossene Mini-Rätsel ohne übergreifende Abhängigkeiten in immer derselben Umgebung sind. Organisch ist daran leider nichts. Das viel von mir kritisierte Skyward Sword hatte mit den Zeitsteinen z.B. eines der genialsten Dungeon-Designs überhaupt. Etwas Vergleichbares fehlt in BotW völlig.
Die Story ist auch sehr simpel gehalten und recht repetitiv. Jeder wichtige NPC erzählt einem immer wieder dieselbe Geschichte von vor 10 000 Jahren, die man schon im Tutorial längst verstanden und verinnerlicht hat. Ich bin zwar noch nicht durch, etwas mehr als "Wir haben damals versagt und probieren es jetzt noch einmal" hätte es aber schon sein können. Zugegeben, vielleicht kommt ja noch was. Ich bleibe optimistisch
Positiv:
+ wunderschön designte Welt, toller Stil, tolle Grafik (Texturen und Framerate stören mich persönlich nicht)
+ Fördert enorm den Entdeckerdrang
+ keine lästigen Tutorials mehr, keine Hilfestellungen
+ unvergleichliches Freiheitsgefühl
+ fantastische Physikengine und damit verbundene Schreinrätsel
+ keine (oder kaum) Motion Steuerung (Gott sei Dank!!!)
+ atmosphärischer Soundtrack, wenn er denn mal stattfindet
+ passende Umgebungsgeräusche (Rascheln des Winds, Wasserplätschern, Vögel uvm.)
+ Sprachausgabe
+ clevere KI
+ unzählige, glaubhafte Abhängigkeiten (Wetter, Aktionen des Spielers, Interaktion von Gegnern und Objekten in der Welt)
+ viele verschiedene Lösungswege für Rätsel
+ Viele Referenzen auf andere Zeldas
Negativ:
- Gewitter als Spielspaß-Killer
- Die Welt fühlt sich leer an (ja, das ist storytechnisch so gewollt, es gefällt mir aber nicht)
- keine echten Dungeons mehr
- alle Schreine sind spielerisch wie optisch "gleich"
- die Welt bietet im Grunde nur Waffen/Ausrüstungen und Schreine: fehlende Abwechslung, keine Überraschungen, repetitiv
- keine Items mehr
- Kochen nervt nach einer Weile, kein "Speichern" von Rezepten zum Nachschlagen
- Überladene Steuerung
- Überladenes und zu kleines Inventar, zu viele Kochzutaten, zu viele Waffen
- Schwierigkeitsgrad im Kampf manchmal nahe an der Frustgrenze
- kein melodiöser Soundtrack mehr
Mein bisheriges Fazit: BotW ist ein großartiges Spiel in einer glaubhaften Welt, das dem Spieler im Kampf und bei den Rätseln alles abverlangt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mit dieser neuen Ausrichtung der Serie in Zukunft glücklich werde. Zu Gunsten des Open-World-Konzepts hat man viele alte, unnötige Zöpfe abgeschnitten, gleichzeitig aber auch vieles entfernt, was immer die Alleinstellungsmerkmale und Kernessenz von Zelda war und bis zuletzt stets modernisiert und hervorragend umgesetzt worden ist - als da wären Dungeons, Items und Musik. Gerade letztere geht mir enorm ab und macht viel der Magie der Reihe aus. Man hat leider nicht nur die Schwächen wegrationalisiert, sondern auch einen großen Teil der Stärken.
Ich glaube, dass ich demnächst die Hauptstory durchspielen und das Spiel danach ins Regal stellen werde. Auf 100% habe ich wegen der Überraschungsarmut und Gleichförmigkeit der Schreine und Belohnungen keine Lust.