Juhee, da darf ich wieder posten nach einem dreiwöchigen Bann für... nichts. Darum etwas ältere Themen nochmal aufgewärmt.
Themenfeld 1: Heteronormativität als Problem
Heteronormativität ist genauso wenig ein Problem wie die Aussage, dass Homosexualität eben nicht der Norm entspricht. Es ist eine gesellschaftliche Realität, dass man bei einem Menschen erstmal annimmt, dass er heterosexuell ist. Das ist reine Wahrscheinlichkeitsrechnung und hat mit Diskriminierung nichts zu tun. Wenn du in Shenzen einen Menschen triffst, gehst du auch erstmal davon aus, dass er Chinese ist. Wenn du einen erwachsenen Menschen in einer Schule triffst, gehst du davon aus, dass er Lehrer ist.
Tatsache ist doch, dass Calvin diese Heteronormativität lebt wie kein Anderer hier. Einerseits prangert er an, dass man bei Menschen automatisch an Heterosexualität denkt. Andererseits packt er absolut jeden Charakter in Videospielen, dem nicht 'QUEER' auf die Stirn tättowiert ist, in die heterosexuelle Schablone.
Das ist eine problematische, auf der verinnerlichten Heteronormativität basierte Wahrnehmung, die von keinem anderen hier so strikt gelebt wird.
Und dann wird die ganze Realität einfach um diese verschrobene Wahrnehmung herum angepasst. Jemand postet eine Liste mit 46 mutmaßlich heterosexuellen Charakteren und da ist Ellie drin?
"Ach, das ist ein Einzelfall." Man macht Calvin darauf aufmerksam, dass da fast die Hälfte der Liste falsch ist?
"Ach, das ist nun Cherry Picking." Jemand postet eine Liste von mutmaßlich queeren Charakteren?
"Ach, die Liste ist falsch, das kann man nicht ernst nehmen. Die Aussage bleibt: fast alle Charaktere sind heterosexuell."
Letztlich ist die Sachlage klar: Heterosexualität ist in Videospielen sehr selten ein zentrales Element der Spiele. Calvin konnte kein Game nennen, bei dem die Heterosexualität
das Merkmal, das das Game auszeichnet, schlechthin ist. Ganz einfach, weil es das nicht gibt. Es gab früher Dating Sims, bei denen Männer nur Frauen daten konnten, aber diese Zeiten liegen längst hinter uns. Entweder ist Heterosexualität heute kein Thema oder nur ein Randthema, oder aber der Spieler kann die Sexualität des Charakters frei wählen.
Bei Homosexualität oder Trans-Charakteren ist die Sachlage schlicht anders. Dort
gibt es solche Spiele. Es gibt immer wieder Charaktere, bei denen die Queer'ness quasi auf die Stirn tättowiert ist. Wir hatten einen The Last of Us Trailer, der sich komplett um den Kuss von zwei Frauen gedreht hat. Wir haben bei Tell me Why einen Charakter, den man unmöglich charakterisieren kann, ohne darauf zu verweisen, dass er Transgender ist. Solche Games gibt es bei Heterosexuellen Charakteren schlicht nicht. Und ja, das liegt daran, dass Heterosexualität die Norm ist und darum gar nicht thematisiert werden muss. Weil es die Lebensrealität eines Charakters deutlich weniger prägt als die Homosexualität. Aber man sollte auch hier wieder nicht die Realität komplett verdrehen und behaupten, dass Heterosexualität in ach-so-vielen Games so bedeutsam sei.
Auch hier ist es etwas ironisch, dass Calvin immer betont hat, dass es bei der Darstellung von Homosexualität nicht nur um Sexszenen gehe. Denn Heterosexualität wird in Videospielen in aller Regel entweder gar nicht thematisiert, oder aber sie wird exakt auf diese Sexszenen reduziert. Ja, der Witcher ist heterosexuell. Welche Rolle spielt das für das Game? Keine wirklich bedeutende. Außer halt um Sexszenen einzubauen.
Und letztlich haben wir das Problem mit dem Begriff 'Normal'. Wir leben in einer Zeit, in der alleine um die Sexualität von Menschen zu beschreiben mehrere hundert Begriffe erfunden hat, die größtenteils völlig bedeutungslos sind, weil 'normal' nicht mehr gern gesehen wird. Denn normal bedeutet, dass man sich in einer Gruppe nicht abhebt. Und das will man nicht. 'Abnormal' oder 'Unnormal' sind darum keine diffamierenden Begriffe, sondern Tatsachenbeschriebe.
Und damit schließt sich der Kreis: wenn man auf der Straße von einer Frau angesprochen wird und sie von einem Partner spricht, geht man davon aus, dass der Partner ein Mann ist. Und wenn man aud der Straße von einem Mann angesprochen wird und er von einem Partner speicht, geht man davon aus, dass der Partner eine Frau ist. Ganz einfach, weil es die Norm ist. Und als homosexueller Mensch weicht man nun mal von dieser Norm ab und damit muss man leben, weil es unverneidbar ist. Denn die Norm ist völlig logisch, weil in mehr als 9 von 10 Fällen mit der Erwartungshaltung richtig liegt
Und ja, es steht jedem frei, ob er ein Game mit queeren Charakteren kauft. Das ist in keiner Form problematisch. Manche Menschen wollen sich nun mal mit dem Charakter identifizieren - und das fällt schwerer, wenn der Protagonist queer ist. Mir ist das völlig egal. Aber wie so oft zerlegt Calvin seine eigene Argumentation mit dem Vorwurf der Homophobie, wenn jemand solche Games nicht kauft. Denn nur wenn man es für legitim hält, einen heterosexuellen Charakter zu fordern, um sich besser mit ihm identifizieren zu können, kann man es auch für legitim halten, queere Charaktere zu fordern, um sich besser mit ihnen identifizieren zu können.
Themenfeld 2: Sketch
Eines vorweg: was um Sketch passiert ist, ist idiotisch. Es sollte jeder OnlyFans Accounts betreiben können, ohne dass es nun in irgendeiner Form verpönt ist. Man muss aber hier natürlich auch anmerken, dass Sketch seinen OnlyFans-Account wohl ebenfalls für äußerst verwerflich hält und damit ist er bereits auf dieser Ebene Teil des Problems. Gehen wir doch mal die Fakten kurz durch: Sketch hatte einen OnlyFans-Account. Er hat auf diesem OnlyFans-Account expliziten Content gepostet. Dann hat seine Streaming-Karriere Schwung bekommen und er hat diese Vergangenheit hinter sich gelassen. Wie er im Video sagt, hat ihn seither die Angst geplagt, dass die Bilder wieder auftauchen. Diese Angst hat ihn beinahe in den Suizid getrieben. Das ist tragisch, aber damit zeigt er selber, dass er die Ansicht der Leute, dass ein solcher Account verwerflich ist, teilt. Das sollte es nicht sein.
Und hatte es wirklich etwas mit der Homosexualität zu tun? Prominente Persönlichkeiten haben, unabhängig von der Sexualität der Person, seit es das Internet gibt mit Leaks zu kämpfen. Die meisten meisten davon tragen absolut keine Schuld, weil die Videos oder Bilder illegal erlangt wurden. Bei Sketch ist das etwas anders. Er hat den OnlyFans-Account selber betrieben. Er hat die Bilder selber online gestellt. Und dass die Bilder im Internet sind hat er damit eigentlich nur sich selber zuzuschreiben. Sketch ist damit also auf der einen Seite einen von vielen Opfern von Leaks, er ist aber einer von wenigen, die die Bilder selber und völlig bewusst geleakt haben.
Themenfeld 3: DrDisrespect
Als erstes: nein, DrDisrespect wurde nicht übertrieben verteidigt, sondern bereits bei seinem Bann vor einigen Jahren ordentlich durch den Dreck gezogen. Gaming- „Journalisten“ wie Slasher, aber auch die große Mehrheit der Streamer hat ihn bereits bevor jemand eine Ahnung hatte, was passiert ist, verurteilt. Es gab einige wenige, die abwarten wollten, bis rauskommt, was vorgefallen ist – aber es hier darzustellen, als hätte es eine riesige Defense-Brigade gegeben hat mit der Realität nichts zu tun. Viel mehr hatten wir einen völlig übertriebenen Shitstorm basierend auf einem einzigen Tweet von Slasher, der den Tweet heute selbst bereut.
So viel dazu. Heute wissen wir etwas mehr, was vorgefallen ist:
- Es gab unangebrachte Textnachrichten mit einem Minderjährigen.
- Es wurden keine Bilder ausgetauscht
- Twitch hat DrDisrespect den ganzen Vertrag ausgezahlt.
- Es kam zu keiner rechtskräftigen Verurteilung.
Aus moralischer Sicht kann man vieles als fragwürdig bezeichnen. Aber offensichtlich hat sich DrDisrespect nicht strafbar gemacht, was die Berichterstattung von vor 4 Jahren ad absurdum führt. Denn diese ging in eine komplett andere Richtung. Aktuell gibt es imo nur noch zwei Optionen, was wirklich vorgefallen ist:
- DrDisrespect hat unangebrachte Textnachrichten an einen etwa 16 – 17-jährigen Nutzer geschickt und/oder er wusste nicht, wie alt der Nutzer war. Das wollte Twitch nicht und sie wollten DrDisrespect loswerden, aber weil es in dem Alter in den meisten Ländern und Bundesstaaten keine Straftat ist, konnte DrDisrespect nicht belangt werden und Twitch wurde zur Verantwortung gezogen. Man hat sich aber auch in beidseitigem Einverständnis darauf geeinigt, dass nichts davon publik werden darf.
- DrDisrespect hat unangebrachte Textnachrichten an einen jüngeren Nutzer geschickt. Damit hat sich DrDisrespect strafbar gemacht. Twitch wollte aber kein Verfahren einleiten, weil es ihnen ebenfalls geschadet hätte, und man hat sich in beidseitigem Einverständnis darauf geeinigt, die Geschichte unter den Teppich zu kehren. In diesem Fall hätte sich Twitch in ähnlichem Maße strafbar gemacht wie DrDisrespect selbst.
Man kann nun diskutieren, welche der beiden Optionen wahrscheinlicher ist. Ich persönlich bezweifle, dass Amazon einen solchen Bock schießen würde und eine strafrechtlich relevante Tat unter den Teppich gekehrt würde. Bleibt wohl die rechtlich legitime Unterhaltung zwischen einem minderjährigen Nutzer über dem Schutzalter und die moralisch fragwürdige Komponente. Dass Sponsoren hier die Reißleine ziehen, ist nicht weiter überraschend und kann man auch gutheißen. Aber man sollte die Situation nicht überdramatisieren. Letztlich deutet alles darauf hin, dass sich DrDisrespect moralisch fragwürdig, aber rechtlich im legalen Rahmen bewegt hat. Das so zu benennen ist keine Verteidigung von DrDisrespect sondern ziemlich sicher eine faktengetreue Wiedergabe der Geschehnisse.