Den ersten Teil sehe ich ähnlich.
Es geht hier um eine KI, die ihrer Aufgabe gefolgt ist, es dabei aber nie geschafft hat, über ihre Programmierung hinaus zu denken. Eine Optimierung, die leider nicht alle nötigen Einschränkungen erfahren hat, irgendein Algorithmus scheint hier nur ein lokales Maximum errechnet zu haben etc.
Aber grade das finde ich schade, auf dieses Thema wird nicht weiter eingegangen. Mass Effect hat sich die gesamte Serie über mit dem Thema der künstlichen Intelligenzen beschäftigt und mit der Frage des Zusammenlebens von Wesen ganz unterschiedlicher Herkunft. Meiner Meinung nach war das der interessanteste Teil von Mass Effect als Science Fiction Geschichte, die mehr bietet als Popcorn-Unterhaltung. Space Operas eignen sich zur Darstellung von zukünftigen Zivilisationen als Sittenspiegel für unsere heutige und Mass Effect hat das teilweise durchaus gut genutzt. Dass man am Ende dann dieses Thema komplett ignoriert hat, finde ich sehr schade, grade weil man mit der Reaper-KI einen Ansatzpunkt hatte.
Den zweiten Teil sehe ich anders. Das was die Reaper-KI sagt, lässt imo zumindest nicht den Schluss zu, dass sie gehackt wurde. Sie scheint sich ihrer "Aufgabe" immer noch bewusst zu sein und sagt ja selbst, dass die Fertigstellung des Tiegels und das erreichen des Raums von Shepard jetzt die Parameter (Randbedingungen) geändert hat und andere Lösungen zulässt. Auch was die Leviathane gesagt haben, lässt eher darauf schließen, als habe die KI einfach so lange den Zyklus wiederholt, bis ihre Algorithmen irgendwann andere Lösungsmöglichkeiten errechnen - das scheint durch Shepard nun geschehen zu sein.
Die neuen Auswahlmöglichkeiten sind also nicht durch die Programmierung des Tiegels gegeben, sondern werden Shepard von der Reaper-KI zur Auswahl gestellt.
Dass Shepard sich nun einfach diesen 3 Möglichkeiten fügt, ohne sie zu hinterfragen, finde ich ziemlich untypisch für ihn. Das 4. Ende ist deswegen imo sogar das beste, obwohl dadurch all unsere Anstrengungen quasi umsonst waren und es gegen den ansonsten optimistischen Ton (zumindest von Teil 1) der Serie geht.
Das Problem beim Mass Effect Ende ist einfach, dass alle drei Lösungen auf der Prämisse basieren, dass organische und synthetische Wesen nicht einfach nebeneinander existieren können - eine Prämisse, die Shepard zumindest bei mir mit den Geth widerlegt hat... wieso akzeptiert er sie plötzlich einfach? Mal davon abgesehen, dass die Lösungen der Reaper-KI keine sind für das Problem, dass diese KI bei der Zerstörung der Reaper sieht. Wer hindert die neuen organisch-synthetischen Wesen daran, neue rein synthetische Wesen zu erschaffen? Und schon steht das gleiche Problem wieder bevor. Gleiches gilt für rein organische Wesen im Kontroll-Ending. Soll Shepard dann mit seinen Reapern angreifen, um die synthetischen Wesen zu zerstören?
Ich finde es übrigens auch super, dass kein Ende wirklich perfekt ist. Ein übertriebenes Happy End wäre nach so einem Krieg imo unangebracht. Ich fand es super, dass ich mich mit meiner Entscheidung für die Zerstörung der Reaper auch für eine Zerstörung von EDI und den Geth entscheiden musste. Da das ganze nur ein Spiel ist, war das natürlich kein Problem, aber trotzdem habe ich zuerst gezögert, als mir die KI das gesagt hat - fand ich richtig gut. An dieser Stelle präsentiert Mass Effect 3 die Chancen und Möglichkeiten von Videospielen als Storymedium. In einem Buch oder Film hätte ich nur traurig sein können, dass sich Shepard so entschieden hat, hier musste ich selbst diese Entscheidung treffen - ein vollkommen anderes Gefühl. Und da man im Verlauf von 3 Spielen in über 100 Stunden voller Entscheidungen eine enorme Bindung zu dem Universum aufgebaut hat, fällt sie nicht leicht.
Ich habe aber ein Problem damit, dass die als "ideale Lösung" präsentierte Synthese nichts anderes ist, als Gleichmacherei. Das impliziert, dass Zusammenleben nur möglich ist, wenn jeder gleich ist - was komplett gegen die Nachricht des gesamten Franchises geht. Mass Effect feiert doch die Unterschiede zwischen den Kulturen und es geht darum, dass sie trotz ihrer Differenzen zusammen arbeiten. Es war ein Problem der Protheaner, dass alle gleich waren und der Vorteil dieses Zyklus waren grade die hochgradig verschiedenen Zivilisationen.
Das kann man natürlich darauf schieben, dass dieses "ideale Ende" natürlich nur aus der Sicht der Reaper-KI ein solches ist, aber wieso akzeptiert Shepard das, wenn er all die Spiele vorher für das genaue Gegenteil eingetreten ist?
Das Hauptproblem ist imo, dass Shepard an dieser Stelle einfach nicht handelt, wie ich es von ihm erwartet hätte. Und grade da Mass Effect ein Spiel ist, in dem man Entscheidungen selbst treffen kann, frustriert das imo umso mehr. Ich würde das Starchild so gerne mehr hinterfragen und zumindest versuchen, eine andere Lösung zu finden, weil Shepard genau das imo gemacht hätte. Wenn er dann keinen Weg mehr findet, kann er immer noch die 3 Möglichkeiten in betracht ziehen.
Mal davon abgesehen nervt mich die Space-Magic, die einfach mal Menschen und co. umschreibt und ihnen grüne Linien gibt. Aber damit hab ich bei Mass Effect sowieso schon abgeschlossen - in einem Spiel, in dem Aliens miteinander Sex haben können und teilweise sogar so kompatibel sind, dass Asari Kinder mit jeder anderen Spezies bekommen können (außerdem scheint "sexyness" für den menschlichen Betrachter ein enormer evolutionäre Vorteil zu sein

), sollte ich wohl keine Logik erwarten, was DNA und co. angeht.
