Kinect arbeitet nicht verzögerungsfrei, das kann man doch eh vergessen…
Ich spare mir langes Wehklagen über Leute, die nicht den Spaß einer Spielerfahrung messen, sondern nur die technischen Daten. Wenn man nach zehn Minuten Spielen mit Kinect sagt “Nee, das ist nix für mich” dann sage ich “Schade, aber OK”. Wenn aber einer sagt “Ich messe da X Millisekunden Verzögerung, das System ist nicht gut” sage ich “Hast du mal jemanden, der kein Nerd ist, die Spiele spielen lassen?”.
Bei der Verzögerung (Lag) zwischen “Ich bewege mich” und “auf dem Bildschirm passiert was” muß man drei Komponenten berücksichtigen. Die erste ist der Fernseher – viele Fernseher haben eine “Bildverbesserung” die leider bis zu einer fünftel Sekunde Zeit schluckt. Die zweite ist natürlich die Hardware von Kinect – die braucht auch etwas Zeit, um aus dem 3D-Bild der Kamera die Spielerposition zu berechnen und nein, das kann ich nicht mit einem genauen Wert spezifizieren, weil es situationsabhängig ist.
Der von manchem Rezensenten “gemessene” Lag führt in der Regel aber aus einem ganz anderen Effekt: Der Spieler macht eine Bewegung, diese Bewegung löst im Spiel etwas aus. Aber dazu muß die Bewegung erkannt sein. Beispiel Kinect Adventures: Ich springe, die Figuren auf dem Bildschirm springen auch und mein Boot hüpft in die Luft. Nur, um im Programmcode zu sagen “Jetzt geht das Boot nach oben” muß das Spiel zweifelsfrei erkannt haben, ob der Spieler wirklich gesprungen ist, und das geht erst, wenn der Spieler schon “in der Luft” ist. Die Animation läuft also ein wenig hinterher.
Das gibt es übrigens auch in anderen Spielen, nur sind wir da an das Timing gewöhnt. Wenn ich bei “Street Fighter” auf einen Knopf drücke (oder auf vier Knöpfe hintereinander für eine Kombo) dann starte ich damit erst die Animation des Schlages. Der Schlag ist nicht im Gesicht des Gegners, wenn ich den letzten Knopf drücke, sondern erst einige Animationsphasen später. (Vom “Lag” in Online-Spielen rede ich gar nicht erst). Das kommt uns nicht seltsam vor, weil Videospiele seit über dreißig Jahren so funktionieren – wird aber seltsamerweise von manchen Erbsenzählern ausgeblendet, wenn sie ein Kinect vor sich haben. Nach drei Minuten hat jede meiner Testpersonen das “Timing” von der Wildwasserfahrt in Kinect Adventures kapiert und hüpft im richtigen Augenblick, um ein Hindernis zu überwinden. Tischtennis in Kinect Sports ist die ersten Minuten ungewohnt, aber danach geht der Ablauf ins Blut.
Das Wichtige für Entwickler von Kinect-Spielen ist, diese Verzögerung zu kennen, zu minimieren und insbesondere sein Spieldesign darauf anzupassen. Wie man Timing-Probleme überlistet, zeigen uns Musik-Spiele wie Guitar Hero und Rock Band. Denn theoretisch ist es auf Grund des Lags bei Input und Output auch völlig unmöglich, die Noten im echten Takt zu treffen. Deswegen haben die Spiele eine Kalibrierungs-Option, um diese Verzögerungen auszugleichen und intern so zu tricksen, daß der Spieler diese nicht merkt und glaubt, im Takt zu sein. So scheint auch Dance Central keinen “Lag” zu haben – da macht man nach, was die Figur auf dem Bildschirm tut, und sieht keinen eigenen Avatar. Nach dem Rock-Band-Prinzip wird hier der Zeitunterschied zwischen Musik, Grafik und Input ausgeglichen.
Innerhalb der lieferbaren Kinect-Spiele mag es Differenzen geben, wie präzise oder schnell die Steuerung anspringt. Ich habe in den letzten Wochen nur die Microsoft-Produkte antesten können und muß feststellen, daß sich bei vernünftigem Spieldesign die Frage des internen Lags gar nicht stellt. Man steht vor dem Bildschirm, bewegt sich, kontrolliert das Geschehen auf dem Bildschirm und hat einfach Spaß dabei.