Mein Eindruck von AVATAR:
AVATAR - oder Der mit dem Herrn der Ringe tanzt, um anschießend bei den Waldelfen zu leben, weil es Braveheart so wollte.
So oder so ähnlich KÖNNTE man ganz kurz und wenig aussagekräftig James Camerons neuen Film zusammenfassen.
Zweifelsohne waren sowohl "Der mit dem Wolf tanzt", "Braveheart" und auch "Der Herr der Ringe" Meisterwerke. Ist auch Camerons AVATAR ein Meisterwerk oder nur ein Werk eines Meisters?
Um es ein wenig vorweg zu nehmen: der Film erfindet das Rad der Erzählung nicht neu und bewegt sich auf sehr bekanntem Terrain hinsichtlich des Aufbaus der Geschichte, was dazu führt, daß man an vielen Stellen des Filmes merkt, das gleiche schon einige Male irgendwo gesehen zu haben, bzw. recht treffsicher vorherzusagen, was als nächstes, bzw. irgendwann im Film passieren wird.
Warum ist das so?
Nun, Cameron führt einige Personen und Geschichten ein, die zwangsläufig ein bestimmtes Filmereignis vorhersagen, wie bspw.: als von dem Großvater des Großvaters berichtet wird, dem einst gelang auf einem Riesen Flugtier zu reiten, um alles Stämme in Zeiten großer Not zu vereinen
Na, wer wird das wohl auch tun? Bleibt ja nur der (Anti-)Held des Films.
Natürlich spielt dieser Held eine tragische Rolle, die dazu führt, daß er sich erst beliebt, dann unbeliebt, dann wieder beliebt macht
Der Bösewicht wird installiert und muß fallen
Usw usw usw
Ist dies dem Film und seiner Gesamtstory abträglich? Überhaupt nicht!
Denn es ist eine Erzählung, die so immer wieder vorkommt und einfach erfolgreich ist - und letztlich auch funktioniert, weil sie den Wunsch des Zusehenden widerspiegelt, der befriedigt werden will. Hinzu kommt, daß die Thematik tragisch genug ist und es in der Realität genug Geschichten gegeben hat, die anders ausgegangen sind - warum also kein Happy End nach 3 Stunden? Eben.
Im Grunde ist AVATAR eine Art Amis vs. Indianer mit Science-Fiction-Setting.
DIe bösen Menschen dringen aus Habsucht und Geldgier auf einem Femen Planeten ein, auf dem mehrere Stämme von Eingeborenen im engen Kontakt mit der Natur zusammenleben und eigentlich ziemlich glücklich sind. Dumm nur, daß dieser Planet einen Rohstoff besitzt, den die Menschen unbedingt haben wollen, und für den sie über Leichen gehen.
In diesem Zusammenhang werden sog. Avatare gezüchtet, Dummys, die dazu dienen, daß die Menschen ihren Geist in diese künstlichen Eingeborenenkörper transferieren, um so mit ebendiesem Naturvolk interagieren zu können. Es soll herausgefunden werden, ob sie sich umsiedeln lassen. Es werden Schulen gebaut, damit sie die Sprachen der Menschen lernen
und damit man sie irgendwann im Reservat internieren kann. Sie sollen gelockt werden mit Technologie und Konsumgütern. Dumm nur, daß dieses Volk keinerlei Interesse an menschlichem Schwachsinn hat.
In diese Szenerie tritt nun ein gehbehinderter Ex-Marine, der den Spitzel für das Militär mimen soll, irgendwann aber die Seiten wechselt und zusammen mit den Eingeborenen gegen die bösen Invasoren kämpft.
Camerons Film ist eigentlich genial. Wären da nicht einige erzählerische Patzer, die jedenfalls mir den Filmgenuß ein klein wenig verhagelt haben.
So bedient sich Cameron einiger, meines Erachtens, unnötiger Analogien zum irdischen Leben, wie bspw. bei den wie Pferden aussehenden Kreaturen
und nicht nur das: sie werden einmal im Film sogar Pferde genannt
das ist echt saublöd und hätte nicht sein müssen.
Positiv hervorzuheben ist hingegen Camerons Liebe zum Detail, denn er hat sich für die Fauna einen modus operandi ausgesucht, den er konsequent umsetzt: Alles Tiere haben ähnliche Atemöffnungen, in der Regel sechs Beine usw. Clever.
Störend empfand ich auch am Ende des Film den "Endkampf" mit den Oberbösewicht, der hätte so nicht sein müssen, weil er total hanebüchen und überzogen ist. Aber das ist wohl wieder ein Zugeständnis an Hollywood
irgendwie müssen die geistlosen Massen eben bis zuletzt bei der Stange gehalten werden; sie brauchen offenbar einen blödsinnigen Klimax, der in einem depperten Mann vs Mann endet. Nun ja.
Und dann wären da noch Logikfehler, von denen mich einer richtig genervt hat: Kurz vor der Schlacht um den Planeten bekommt unser Held gesagt, daß er mittels der Mutter Erde seinen menschlichen Geist endgültig in den Avatar laden könnte. Macht er das? Nöö! Er wartet lieber noch ne Weile, lässt seinen eigenen Körper ungeschützt im Wald liegen und zieht in den Krieg.
Na ja
Summa summarum aber ist der Film ein Meisterwerk, sowohl technisch, als auch filmisch.
Er geht erzählerisch keine Risiken ein und begeistert dennoch.
So fasziniert der Film mit einer so noch nie dagewesenen Optik, die vor allem (oder nur?) in 3D ihre volle Wirkung entfaltet.
Nun, ich muß zugeben, ich habe den Film bislang nur 2x in 3D im Kino gesehen - wie er in 2D und/oder auf Blu-ray wirkt, lässt sich natürlich noch nicht sagen.
Aber der Streifen entfesselt (jedenfalls in mir) einen fast unbändigen Wunsch, im Alltag alle Zelte abzubrechen und weit weg in die Natur zu ziehen; alles hinter mir zu lassen, dem täglichen Wahn den Rücken zu kehren und endlich Frieden zu finden. Eine Illusion, eine Utopie, die nicht umsetzbar ist, jedenfalls nicht so einfach - und damit den Zuschauer direkt berührt und trifft. Mich jedenfalls
Wenn ich mich hier umschaue
dann haben wir wirklich unsere Mutter fast umgebracht. Und sind drauf und dran uns alle ebenfalls in den sinnlosen Tod zu jagen, weil es immer höher, schneller, weiter gehen muß.
Wir roboten nur noch. Nach dem Film, da wurde mir das noch schmerzlicher bewußt, in welchem Wahnsinn ich mich bewege. So sinnfrei. Ohne Ziel und ohne Zweck. Nur, um irgendwann ins Gras zu beißen; und das ist dann wahrscheinlich der bewußteste Moment von allen. Cheerio.
Nun ja.
Ich zieh zu den Berggorillas am Kilimandscharo
oder so. Oder auch nicht.
Durchhalten!
Aber wozu?
Niemand weiß es
Und wir dringen auch heute noch immer wieder und immer mehr bei Völkern ein, die wir unbedingt bekehren wollen: religiös, technisch, ideell
Und es interessiert uns überhaupt nicht. Hauptsache das Ziel ist erreicht, koste es, was es wolle. So war es, und so wird es wohl immer sein. Egal, ob wir Mensch, Ureinwohner oder Tier meucheln. Oder einfach die Natur endgültig zunichte machen - Hauptsache, wir bauen auch noch am letzten grünen Fleckchen dieser Welt eine Straße und bringen auch dem letzten Wesen auf diesem Planeten Burger, Bier und Coca Cola.
Mahlzeit!
Quintessenz:
Dieser Film bewegt, rührt zu Tränen, regt zum Nachdenken an und unterhält sogar noch.
Nach zweimaligem Genuß steht für mich fest: Er kommt in meine persönliche Top 10. Denn er ist wunderschön in Bild und Ton und bietet eine Geschichte, die einen einige Tage nicht mehr loslässt.
Danke Jimmy!
Dieser Film bekommt daher:
8/10 Punkte.