Ein Dokumentarfilm über den Überfall der Hamas auf Israel im vergangenen Jahr kommt ganz ohne Bilder des Horrors aus. Er ist dennoch nicht minder aufwühlend, zu sehen, wie Zeuginnen und Zeugen von den systematischen Vergewaltigungen berichten.
Mehr als sieben Monate nach Beginn der Kämpfe im Gazastreifen ist vielerorts in Vergessenheit geraten, wann und wie dieser Krieg angefangen hat. Es war der 7. Oktober - der Tag, an dem die palästinensische Terrororganisation Hamas das israelische Musikfestival Nova und zahlreiche israelische Ortschaften überfiel. 1200 Menschen wurden an diesem Tag brutal ermordet, 252 als Geiseln verschleppt.
Diese Gewalt wird von den meisten propalästinensischen Demonstranten weltweit ignoriert, egal ob sie einen muslimischen Hintergrund haben oder aus der linken Szene kommen. Vor allem aber leugnen sie die von den Terroristen verübten Vergewaltigungen.
Dabei waren diese Grausamkeiten ein Kernbestandteil des Massakers der Hamas. Während selbst feministische Organisationen dazu schwiegen, produzierte die israelische Filmemacherin Anat Stalinsky einen Dokumentarfilm über den Horror: "Screams Before Silence", zu Deutsch "Schreie vor der Stille".
Der auf Youtube verfügbare Film basiert auf Interviews, die die ehemalige Facebook-Managerin Sheryl Sandberg führte.
Aufnahmen der Verbrechen werden nicht gezeigt
"Ziel war es, den Menschen weltweit das Grauen anhand von Gesprächen mit Zeugen zu zeigen", sagt Anat Stalinsky. Der knapp 60-minütige Film verdeutlicht das Ausmaß der sexuellen Gewalt, deren Ziel es war, die Wirkung des Überfalls noch zu maximieren. Die Täter verübten ihre Verbrechen nicht im Verborgenen: Sie filmten die Vergewaltigungen, um sie in Propaganda-Videos zu verbreiten.
Aus Respekt vor den Opfern und ihren Familien enthält Stalinskys Films solche Szenen nicht. "Die Dokumentation soll verständlich machen, was den Frauen widerfahren ist", sagt die Filmemacherin. "Vor allem, weil weltweit das Massaker geleugnet wird. Ich wende mich an den Zuschauer, dem die Ereignisse nicht vertraut sind. Der Film ermöglicht dem Publikum, eine eigene Schlussfolgerung über das Ausmaß der systematischen sexuellen Übergriffe durch die Hamas zu ziehen."
"Eine unvorstellbare Dimension"
Im Dokumentarfilm kommen Ersthelfer und Überlebende des Massakers zu Wort, die Augenzeugen von Vergewaltigungen waren. Detailliert schildern sie die weitreichende, koordinierte Art der Angriffe. "Auf so was ist niemand vorbereitet", sagt Simcha Greiniman, Pressesprecher der israelischen Nothilfeorganisation ZAKA. "In über dreißig Jahren als Freiwilligenhelfer habe ich weltweit Naturkatastrophen und Terroranschlägen erlebt, Körperteile eingesammelt und Leichen identifiziert. Aber wenn man Hunderte von entstellten und verbrannten Menschen auf einem Feld sieht, ist das eine unvorstellbare Dimension."
"Screams Before Silence" zeigt, dass die Vergewaltigungen und Verstümmelungen durch die Hamas keine spontane Tat waren, sondern bewusst und vorsätzlich erfolgten. Im Film zeigt Greiniman Sandberg Fotos entstellter Frauen. Ihnen wurden Nägel und Metallgegenstände in die Geschlechtsteile getrieben, manchen wurde in die Vagina geschossen, Körperteile wurden abgeschnitten. Zu sehen sind Sandbergs schockierte Reaktionen, die Bilder selbst werden nur verschwommen gezeigt. Solche Verbrechen werden in diesem Ausmaß und in dieser Brutalität nicht ohne Plan verübt. "Es wird deutlich, dass hinter den sexuellen Übergriffen ein Muster steckte", sagt Greiniman, der früher im Gazastreifen gearbeitet hat. "Seit die Hamas dort eine islamistische Diktatur errichtet hat, leiden die Menschen", sagt er. "Ihre Lage ist schwer. Doch nichts rechtfertigt so ein Verbrechen."
Wer schweigt, macht sich mitschuldig, mahnte die Holocaustüberlebende Eva Szepesi im Januar im Bundestag. Deshalb ist Stalinskys und Sandbergs Dokumentation so wichtig: Weil Fakten verschwiegen oder sogar geleugnet werden. Die Stärke des Films ist, dass er den Horror allein über die Gesichter der Augenzeugen und ihre schockierenden Aussagen transportiert. Auch ein israelischer Soldat kommt zu Wort, der bei dem Festival Leben retten wollte, dort aber nur noch auf Leichen traf.
Wut und Hilflosigkeit
"Auf der Fahrt zum Nova sah ich das Ausmaß der Katastrophe", berichtet Rami Davidian, ein weiterer Protagonist des Films. "Menschen rannten um ihr Leben. Instinktiv sammelte ich so viele auf, wie ich konnte." Der 59-Jährige fuhr mehrfach zwischen dem Festivalgelände und seinem Heimatort hin und her und wurde so unfreiwillig zum Helden: 700 Menschen konnte er in Sicherheit bringen. Im Film läuft er mit Sandberg durch einen Wald, wo Vergewaltigungen stattfanden. "Hier traf ich auf Terroristen, doch weil ich Arabisch spreche, hielten sie mich für einen Beduinen und überließen mir einige Mädchen, die ich in Sicherheit bringen konnte", erzählt er ihr. "Doch ich sah auch Dutzende nackter Frauen, die tot zwischen zwei Bäumen gefesselt waren."
Ruth Halperin-Kaddari, früher Vizepräsidentin des UN-Ausschusses für Frauenrechte, erklärt in dem Film, das Ziel der Hamas habe darin bestanden, ein ganzes Volk durch den Missbrauch weiblicher Körper zu demütigen - ein Vorgehen, das es seit dem Anbeginn der Geschichte gegeben habe. Der bewegendste Teil des Films ist das Interview mit Amit Soussana, die in ihrem Haus in Kfar Azza als Geisel genommen und in Gaza sexuell missbraucht wurde. Ihr Mut, sowohl in der schockierenden Situation als auch in ihrer Fähigkeit, über das, was dort geschah, zu sprechen, ist ergreifend.
Jenseits aller persönlichen Superlative sprüht "Screams Before Silence" vor Emotionen wie Wut und Hilflosigkeit. Es ist nicht nur eine Dokumentation, sondern auch ein Aufruf zum Handeln. Der emotionale Aspekt verstärkt sich, weil die Beschreibungen und Rekonstruktionen das Gefühl einer albtraumhaften Reise zurück zu dem Moment erwecken, in dem unschuldige Menschen ihrem Schicksal überlassen wurden.
"Bei der Premiere in New York wurde uns vorgeschlagen, den Film auf den Campus der Universitäten zu zeigen", auf denen gegen Israel demonstriert wird, erzählt Stalinsky. "Die Demonstrationen werden durch Unwissenheit und Ignoranz verursacht. Besonders wenn es um Sexualverbrechen geht, besteht der Wunsch, sie zu leugnen, weil sie nicht mit ihrem Narrativ übereinstimmen, dass der 7. Oktober ein gerechter Krieg für die Palästinenser war. Unser Film versucht, das Gegenteil zu beweisen."