Das Problem ist, es gibt in dem Buch keinen Gegenpol. Halsey wird von allen Seiten gebasht ohne Ende, was in Anbetracht dessen dass die Menschheit nur dank der Spartaner überlebt hat, total hirnrissig ist. Alle Charaktere in dem Buch wissen dass ohne John niemand von ihnen mehr leben würde und doch lassen sie KEIN gutes Haar an dem Programm - selbst Mendez nicht (was übrigens das lächerlichste am ganzen Buch war).
Finds ja in Ordnung dass Halsey für ihre unethischen Experimente verurteilt wurde, aber dass niemand auch nur einen Funken Verständnis für sie aufbringt ist an den Haaren herbeigezogen. Auch Nylund hat sie nicht als Messias dargestellt, aber wenigstens gabs da ein bisschen Transparenz verdammt nochmal. Parangoskys Rede am Schluss war da nur noch das i-Tüpfelchen oben drauf. Sie, welche die krassesten Sachen abgezogen hat und von allem wusste, verurteilt Halsey wegen den Klonen? Was sollte der Kack bitte?
Und was die Veränderung der Charaktere betraf bezog ich mich eindeutig auf Mendez. Was Traviss aus ihm gemacht hat ging ja mal gar nicht. Er arbeitet also 20 Jahre mit Halsey am Spartaner II Programm, zieht das Spartaner III Programm von Anfang an mit auf und verurteilt dann Halsey? Ich dachte ich wäre im falschen Buch gelandet. Wie kann man sowas überhaupt rechtfertigen?
Das Problem lag ja darin begründet, dass viele der Charaktere überhaupt nicht um die Umstände der Rekrutierung und Ausbildung bescheid gewusst haben. Man ging davon aus, dass es sich bei den Spartanern um Erwachsene gehandelt hat, die besondere Merkmale aufwiesen und somit für eine Rekrutierung in Frage kamen. Stattdessen stellte sich für die Besatzung der Port Stanley heraus, dass man Kinder entführte und Blitzklone einsetzte. Hier wird also am heroischen Lack der Spartaner-Legende gekratzt. Niemand stellte den Nutzen der Spartaner in Frage, nur die Details ihrer Ausbildung schockierten und warfen ein ganz neues Licht auf das Projekt und die Person die es leitete. Nur weil das Überleben der Menschheit maßgeblich von den Spartanern abhing, kehren die Charaktere des Buchs doch nicht geschlossen alle fragwürdigen Aspekte unter den Teppich. Schließlich handelt es sich um Menschenleben und nicht um eine gefühlslose Kosten/Nutzen-Rechnung. Auch wenn der Umgang mit diesem Thema sicherlich davon abhängt, welcher Schlag Mensch man ist.
Dass es jetzt, nach der Beendigung der großen Kampfhandlungen, von allen Seiten Kritik hagelt verwundert mich nur wenig. Nach dem Krieg fällt es leicht den Moralapostel zu spielen und seine eigene Feig- oder Ratlosigkeit hinter Beschuldigungen zu verstecken. Oder die eigenen Verbrechen gegen andere aufzuwiegen, sei es nur, um sich einzureden, nicht der schlimmste von allen Beteiligten gewesen zu sein. In dem Fall muss man Halsey und Mendez einfach als gebrochene, kaputte Individuen betrachten. Da geht es nicht um Rationalität bis ins kleinste Detail. In meinen Augen wurde hier einfach ein subtilerer Weg gewählt, um Halsey und Mendez durch die Strapazen des Krieges als verändert hinzustellen. Damit meine ich ihre Gespräche und den Umgang miteinander auf der Schildwelt. Beide haben unsagbare Verbrechen begangen und zahlen sich selbst gegenüber nun Rechnung dafür. Was sie zunehmend auffrisst und gegeneinander aufschaukelt. Nicht jeder Mensch ist so kalt oder abgestumpft wie manche Gestalten der Weltgeschichte es vermeintlich waren, als dass sie gegen jede Kritik immun wären, allem voran ihrer eigenen. Was man vor oder während dem Krieg als notwendig und tolerierbar erachtet, kann einen aller Konsequenz zum Trotz eben später einholen. Dies ist keine hohle Phrase. Beide legen sich Argumente und Beleidigungen zurecht und attackieren sich. Nach meiner Erinnerung geht es ihnen nicht um gegenseitige Absolution, sie sind sich ihrer Schuld durchaus bewusst (Gott sei Dank, das wäre cheesy gewesen), sondern darum, wer der größere Heuchler und damit größere Missetäter ist. Ihre Anfeindungen sind eine natürliche Konsequenz ihrer gemeinsamen Vergangenheit und in meinen Augen nachvollziehbar. Nylunds Bücher waren in der Hinsicht eben einfach platter.
Ja, Halsey wurde in dem Buch sehr viel Platz eingeräumt und kam sehr schlecht weg. Fehlt ein Gegenpol? Kommt drauf an. Wie würdest Du ihn Dir denn wünschen? In Form einer Figur die Halseys Arbeit als über jeden Zweifel erhaben ansieht? Vielleicht interessant in Verbindung mit dem Rest, wenn es zu offenen Streitgesprächen kommen würde. Ansonsten eher mau. Wir haben mehrere Figuren die von den Maßnahmen Halseys angewidert sind, von den Leuten aus den eigenen Reihen enttäuscht sind, die grünes Licht gaben und nun Strafvollzug fordern. Dabei reden wir aber mit Ausnahme von Vaz (war es Vaz?) nicht direkt von Hinrichtung. Für mich ist dies eine angemessene Reaktion. Die Frau hat schließlich einiges Dreck am Stecken, auch abseits des Spartaner-Programms und der damit verbundenen Probleme. Sie hat anderweitig Kriegsverbrechen begangen - Spionage, Betrug, Diebstahl. In der realen Welt wäre die Frau längst auf Lebzeiten weggesperrt, eher aber "entfernt" worden. Nur ihren Verdiensten mit den Spartanern hat sie es überhaupt zu verdanken, dass man sie am Leben lässt. Verständnis für ihre Handlungen aufzubringen fällt schwer, wenn man keinen direkten Bezug zu der Person hat, und alle Kenntnisse über sie ein solch schwarzes Bild zeichnen. Zumal die ODSTs ohnehin im Schatten der Spartaner stehen und mehr Anerkennung für ihre Arbeit fordern. Welches Crewmitglied sollte also den verständnisvollen Gegenpol stellen? Osman? Wohl kaum ... Naomi? Ihr Wohlwollen hätte nur wenig Gewicht, da sie eine Spartanerin und damit von der Gehirnwäsche betroffen ist. Auch wenn es über die Jahre sicherlich zu einiger Selbstreflexion und Zweifel kam. ODSTs? Vorbelastet, auch wenn Linda sicherlich zur Entmystifizierung beigetragen hat.
Der Nutzen der Spartaner steht außer Frage, das Gesamtwerk der Person hinter dem Projekt allerdings nicht. Dafür fällt der Schatten ihrer Verbrechen für die meisten Personen des Buches einfach zu tief. Das niemand Verständnis für die Perosn Halsey aufbringt und Traviss einen gewissen dogmatischen Ansatz fährt, muss man eben hinnehmen. Hirnrissig ist dieser Umstand allerdings nicht.
Was mich am Meisten stört ist dass dies alles ein sehr seltsames Bild auf die Spartaner wirft. Ich sah John, Linda, Kurt, Fred und alle anderen immer als die Übersoldaten, die einfach aus voller Überzeugung für ihre Sache kämpften. Und zwar von Anfang an. So weit ich mich erinnere waren die Spartaner II von Anfang an härter als üblich und ich kann mich nicht erinnern dass Nylund sie je als nen Haufen wimmernder Kinder beschrieben hat, von denen sogar einige ausgebüchst sind (laut Traviss so geschehen). Selbst als damals bei den medizinischen Eingriffen einige starben nahmen es die Überlebenden hin. Die waren halt knallhart. Und so hatte ich sie immer im Kopf. Und dann kommt Traviss und macht aus Naomi.... Naja, du hast es ja gelesen. Mir fehlen die Worte.
Auch wenn ich die Spartaner von ihrer heroischen, aufopferischen Art sehr cool finde, fehlte es ihnen schon immer an Charakter. Haben sie den als Videospielfiguren in einem Ego-Shooter gebraucht? Wahrscheinlich nicht wirklich. Beim jetztigen Stand des Halo Universums begrüße ich es allerdings sehr, dass man diesen nun nachreicht. Das sie sich inmitten des Krieges nach ihrer Gehirnwäsche und isolierten Lebens nicht einfach niederknien und zur Denkerpose ansetzen ist klar, aber trotzdem handelt es sich um Menschen und nicht um Maschinen. Und somit kann man nicht einfach ewig ausblenden, dass es über kurz oder lang zu Fragestellungen, Zweifeln und anderen persönlichen Belangen kommt. Zumal die S2 immer älter werden. In Halo 4 deutet eine Sequenz darauf hin, dass der Kapitän der Infinity in John einen alternden Spartaner sieht. Zurecht. Ich bin gespannt darauf wie sie ihn darstellen werden.
Das Rekruten desertierten ist sehr wohl angesprochen worden. Spätestens in Halo Evolutions. Und das einige Kinder eingeschüchtert waren ebenfalls. Die allseits bekannten S2 sind keineswegs ein Maßstab für die gesamte Generation und so wurde es auch nie explizit dargestellt. Auch wenn diese knallharte Eindimensionalität ihrer Person einen gewissen Charme hat, sollte er sich in Zukunft lieber auf ihre Effizienz und Handhabe im Kampf beschränken.