Eine hin und wieder geäußerte Kritik in Bezug auf Videospiele lautet, dass dieses oder jenes Spiel "keine Story" hätte. Was zunächst nach einem schwerwiegenden Verbrechen klingt, wird zu einer mehr oder minder harmlosen Äußerung unbedachter Zeitgenossen, wenn man bedenkt, dass "keine Story" hier für das Fehlen einer vorrangig durch Zwischensequenzen oder ähnliche semi-cineastische Maßnahmen vorangetriebene Handlung im Sinne der Squaresoft–Epen, besonders der Final–Fantasy–Teile gemeint ist und dabei scheinbar vernachlässigt wird, dass auch andere Elemtene eines Spieles zur "Story" gehören, wenn auch in einem weniger direkten Sinne.
Zugegeben, es war immer ein Quasistandard des japanischen Rollenspiels, die Charaktere und Handlung auszuarbeiten und den Menschen am Controller als eine Art Puppenspieler die Figuren durch das Skript zu lenken. Dies traf aber bislang nicht auf die Etrian–Odyssey¬–Serie zu.
Und somit dürfte es wenig verwundern, wenn die Geschichte ein wenig holprig wirkt und eher den Eindruck erwecken dürfte, als hätte man eine Legitimierung gesucht, den ersten Teil neu aufzulegen.
(Warnung: In den nächsten Absätzen folgen Spoiler. Keine schwerwiegenden, da ich bisher nur den Anfang der Geschichte gespielt habe, aber nur so als Hinweis.)
Um zur Sache zu kommen: Im Story–Modus des Spieles ist der Spieler ein "Highlander" (nein, ich habe meine Figur nicht MacLeod genannt), eine speerschwingende, auf den Angriff spezialisierte Klasse, der auf eine Mission in die Stadt Etria entsandt wird. Nach einer ersten Lektion in Kartographie bittet die Regierung der Stadt den Spieler darum, eine mysteriöse Ruine zu untersuchen. In jener Ruine begegnet man schließlich dem Rest der Truppe, darunter dem namensgebenden "Millennium Girl", Frederica. Zurück in Etria beschließen eure vier neuen Freunde, euch zum Anführer einer Gilde zu machen, um weitere Forschungsausflüge in das Yggdrasil–Labyrinth zu machen und das Geheimnis um eine Serie von Erdbeben und Frederica zu lösen.
Wirklich besonders sind die Figuren dabei nicht. Eure Spielfigur ist ein stiller Protagnonist, Frederica das an Amnesie leidende Überbleibsel einer alten Zivilisation und der Rest eurer Gruppe besteht aus einem Gelehrten, einem Kind mit einem Händchen für etwas, dass der Elementarmagie (hier "Formula" genannt) entspricht und einen weiblichen Tank mit einem hohen Interesse an alkoholischen Getränken.
Man kann also kein Oscar–Material erwarten, aber dies war abzusehen bei einer Serie, deren Fokus immer stärker auf Erkundung und der eigenen Interpretation der Umgebungen lag. Möglicherweise ist dies meiner eigenen Historie mit den EO–Spielen geschuldet, aber die zentrale Motivation, die man mitbringen muss, um auch diesen Modus zu genießen, ist die Lust am Erforschen und Kartieren, zwei Dinge, die die Serie wirklich ausmachen. Wer eine komplexe Handlung mit multiplen Twists erwartet, wird gegebenenfalls enttäuscht sein, denn versierte jRPG–Spieler werden recht zügig erkennen können, wohin die Reise gehen wird.
Macht dies das Spiel nun schlechter? Nein. Etrian Odyssey Untold bringt die diversen Verbesserungen des vierten Teils mit sich und wer bislang den doch recht hohen Schwierigkeitsgrad als Bedrohung empfand, der wird sich darüber freuen, dass diese Neuauflage diesen entschärft hat. Wer aber einen starken Fokus auf das narrative Element erwartet, wird eher enttäuscht sein. EO ist und bleibt ein Dungeoncrawler, wohlgemerkt ein sehr guter, weil massiv auf Erkundung setzender Dungeoncrawler.