Natürlich haben sich die Pronomen geändert. Aber nicht in der Form, wie es hier immer aufgeführt wird, um die Gendersprache zu verteidigen: Deutsch hatte in älteren Formen mehr Pronomen, die man der Einfachheit halber gestrichen hat.
"Ihr" und "euch/eure/euer/eurer/eurem/etc." sowie "wir" und "uns/unser/unsere/unserer/unserem/..." hatte zusätzlich zu all den Angleichungen, die wir heute an den Genus und den Kasus haben, noch weitere Angleichungen, ob es zwei oder mehr Personen waren. Entsprechend hatte die deutsche Sprache mal eben doppelt so viele 1. / 2. Person Pluralformen be allen Adjektiven und verschiedenen personenbezogenen Pronomen. Hat man alles aufgegeben, weil sich Sprache durch den natürlichen Sprachwandel tendenziell vereinfacht.
Dann hatten wir auch mehrere Pluralgeschlechter im Deutschen
(ähnlich zum Französischen heute mit "Ils" und Elles"). Wir hatten also unterschiedliche Artikel und Pronomen für
"Männer", "Frauen" und
"Dinge", die wiederum einen Einfluss auf die Flexion der Adjektive etc. hatten. Wieder: im Mittelhochdeutschen wurde das vereinfacht, heute haben wir keine Unterscheidung mehr zwischen den Geschlechtern im Plural. Grund: natürlicher Sprachwandel vereinfacht die Sprache tendenziell.
(Fun fact: im Schweizerdeutschen haben wir es teilweise noch; aber nur bei der Zahl zwei. Im Berndeutschen haben wir unterschiedliche Formen für "zwei Männer", "zwei Frauen" und "zwei Dinge". )
Und die Nutzung des Höflichkeitspronomen hat sich geändert von
"Du" zu
"Ihr" zu
"Sie".
Darum ist der plötzliche Wandel, dass man für jedes Pronomen für 100'000 Geschlechter jedes der 100'000 Geschlechter mit der richtigen Flexion der Pronomen, Adjektive und Nomen versehen muss ja so absurd. Schon nur die Einführung des Pronomens "hen/hem" hätte zur Folge, dass sich die ganze Sprache verändert - und um
Welten komplizierter würde. Und nochmal:
niemand macht das Konsequent, weil es selbst den Leuten, die solche Pronomen einführen wollen, zu kompliziert ist.
Vor allem ist es völlig unsinnig, weil wir bereits von Grund auf ein geschlechtsneutrales Pronomen
(es) haben. Die ganze Diskussion im Deutschen führt daher, dass man sich am Englischen orientiert, was aber völlig unsinnig ist. Denn ein grundlegender Unterschied zwischen Englisch und Deutsch ist: Englisch hat kein grammatikalisches Geschlecht und bezieht die Pronomen auf die Biologie / Identität.
"It" bezieht sich darum nicht auf einen Menschen. Deutsch hat ein grammatikalisches Geschlecht und bezieht die Pronomen auf dieses grammatikalische Geschlecht, das aber nichts mit der Biologie / Identität zu tun hat.
"Es" kann also Problemlos ein Mensch sein.
Das ist in den Grundzügen korrekt, aber verdrehst du Cause und Effect. Du hast einerseits Recht, dass Adels-Französisch und Latein im Laufe der Zeit abgeschafft wurde. Du blendest aber aus, warum Adels-Französisch und Latein überhaupt genutzt wurde. Das war kein natürlicher Sprachwandel, sondern ein Sprachplan zur gezielten Abgrenzung. Man hat Latein nicht genutzt, weil es so weit verbreitet oder praktisch war. Man hat Latein genutzt, um sich vom minderwertigen Pöbel abzugrenzen. Ähnlich hat man Adels-Französisch, um soziale Exklusivität zu signalisieren.
Abgeschafft wurde es letztlich, weil es eben nur in diesen Kreisen als Status-Symbol gedient hat, aber keine wirkliche Bedeutung in der breiten Bevölkerung hatte. Und da haben wir die Parallelen: ähnlich wie Adels-Französisch und Latein hat Gendersprache in der breiten Bevölkerung keine Bedeutung. Es gibt aber eine kleine Gruppe, die sich zur Signalisierung ihrer unglaublichen sozialen Gerechtigkeit diese Sprache - auf Kosten der Mitmenschen, die durch die Kommunikation exkludiert werden - durchzusetzen versuchen. Genau wie der Adel die soziale Exklusivität signalisieren wollte, wollen die Gender-Aktivisten ihre politische Ideologie mit der Verwendung signalisieren. Es ist eine rein politische Bemühung und Selbst-Selbstbeweihräucherung ohne jede gesellschaftliche Bedeutung.
Besonders geil finde ich, wenn Leute statt "
Jemand" "
Jemensch" schreiben, weil
"Jemand" von
"Mann" abhängt. Blöderweise stammt
"Mensch" direkt vom althochdeutschen Wort
"mannisco" ab; also
"Mann". "
Jemand" hingegen nicht. Das Beispiel zeigt gut, dass es den Leuten nicht um tatsächliche Sprache geht, sondern um reine Selbstbeweihräucherung.
Oder um Aufmerksamkeit. Oder um es mit den Worten des Nonbinär-Wikis zu sagen:
Wichtig ist nicht, dass es sinnvoll ist. Wichtig ist, dass es auffällig ist.