So, ich werde, obwohl ich nicht mal Akt 1 durch habe, sogar schon etwas über die Philosophie des Spiels zu sprechen kommen können, da - wie in einem Deus Ex - die Grundsätze des Spiels auch hinter E-Books und Emails zu Tage kommen und ans Licht treten.
Keine Storyspoiler, nur Ausschnitte aus Emails bzw. E-Books:
Eine häufige Kritik vor dem Release von Cyberpunk war, dass die Entwickler von CDPR einfach aus der Cyberpunkgenre die "Coolness" sich angeschaut haben und sich dachten "Ja, Cyberblingbling macht Cyberpunk aus." Die Kritik ist zwar nicht komplett aus der Luft gegriffen, liegt aber dennoch komplett daneben.
Eine Sache stimmt. Anders als in anderen Werken von Cyberpunk fühlt sich die "Coolheit" hier nicht natürlich an, sondern künstlich. In anderen Werken ist die Cyberwelt organisch halt da und darauf baut man seine Geschichte auf. Sie existiert in anderen Werken einfach. Hier aber wirkt diese künstlich, falsch, aufgesetzt, Personen betonen sich besonders "Cool", alle achten darauf richtig Cyber zu sein, die besten Cyberkarren zu haben, als Lebenssinn pflegen sie zu denen zu gehören "die sich hier einen Namen gemacht haben". Das Problem der Kritiker ist aber, dass die glaubten das wäre reiner Selbstzweck. Als würden die Entwickler von CDProjekt meinen das wäre die Essenz der Cyberpunkgenre.
Nein. Im Gegenteil, das Ganze ist nur Mittel zum Zweck. Es folgt der Philosophie von demjenigen, der den Begriff "Cyberpunk" als Titel für sein Werk "Cyberpunk 2020" erst genutzt hat. "combination of low-life and high tech" (Mike Pondsmith). Die Darstellung der Pseodocoolheit des Cybers ist die Fassade, die Illusion, die Selbstlüge der Gesellschaft. Das Cyber soll überschatten, überdecken, dass man eigentlich in der absoluten dystopischen Welt lebt.
Mal symbolisch. Die Stadt ist Tags hässlich. Die Meere vermüllt, die Bewohner verarmt. Nachts aber sieht die Stadt doch ganz schick aus mit den Neonlichtern oder? Das Cyber überschattet die Armut und unterdrückt den Punk. Die Neonlichter sollen die Wirklichkeit überschatten. Kacke sieht schicker aus wenn man diese Orange anleuchtet. Man baut sich bewusst eine Illusion auf, eine künstliche Matrix und die folgen dann alle, um sich eben nicht damit beschäftigen zu brauchen, dass man eigentlich in einer Dystopie lebt, im kompletten Abfall. Die Welt ist nicht einfach nur da, sie wird künstlich erzeugt. Die schöne Welt ist einfach nur Werbung. Darum geht es. Und die Menschen leben diese Werbung als Realität, um sich die echte Realität erträglicher zu machen.
Im Radio spielt lustige hippe Musik. Die wahre Musik (Der eigentliche Soundtrack draußen) aber ist erdrückend und tief. Daher ich mir denken kann wie sich die Hauptstory entwickelt, aber dazu kann ich noch wenig sagen.
Die Charaktere sind nicht einfach alle nur "Cool" drauf (Mit Ausnahme von Jackie, der für den Spieler die innere Hoffnung trägt, dass die Fassade echt ist). Die tun das nur, weil das halt in dieser Kulissenwelt so erwartet wird.
Cyberpunk2077 ist ironischerweise im Gegenteil die Metaebene zur Cyberpunkgenre selbst geworden. Und nicht die Plattheit dieser. Es ist nicht einfach nur künstlich Cyber, weil man als Entwickler angeblich diese als Quintessenz der Genre begreift. Es
SOLL alles nur künstlich Cyber sein, weil die Welt und die Gesellschaft es als Quintessenz seiner selbst ansieht.
Und diese Problematik die Welt von der Entwicklerabsicht zu separieren zieht sich übrigens schon durch die gesamte Debatte von Cyberpunk2077 (Plakate). Man kommt mit einer Metaebene nicht klar, weil man es sich angewöhnt hat, dass die Entwickler für einen schon das Denken übernehmen, indem dieser "Botschaften" draufklatscht. Und man diese dann einfach nur noch zuzuordnen braucht. Statt dass das Werk für sich selbst spricht.