Das ist das Perverse: Anstatt für sich selbst MEHR zu fordern, lassen sich diejenigen, die arbeiten und wenig verdienen, von Politik und anderen Akteuren dazu einspannen, für die Ärmsten NOCH WENIGER zu verlangen. "Lieber geht es jemandem noch schlechter als mir, als dass es mir selbst besser gehen könnte".Es wird eben nach unten getreten, weil das einfacher ist, als sich mal grundsätzliche Fragen zu stellen. Irgendwo muss man sich selber rechtfertigen, wenn man die ganze Woche arbeiten geht und trotzdem knapsen muss. Also redet man sich dann ein, besonders wertvoll zu sein.
Im Grunde genommen hängt es nachher am Geld, weil man mitziehen muss. Zum Feiern am Wochenende braucht man Geld und die Family muss auch versorgt werden. In D ist es auch üblich, dass man zu alles und jedem Versicherungen hat, um sich stark zu fühlen. Dann kommen noch die Handyverträge das Sky-Abo usw. usw.
Es geht bei der Ablehnung gegen Alg2-Emfänger auch nicht wirklich um Faulheit, sondern darum, dass die in einer kapitalistischen Gesellschaft am wenigsten haben und daher ganz unter stehen. Insgeheim weiß jeder, dass Reichtum nicht zwingend auf Leistung beruht. Die Abstiegsangst und das "soweit unten bin ich aber nicht" tun da ihr übriges. Umgekehrt labern manche Alf2-Empfänger auch ziemlichen Mist, um sich selber besser darzustellen. Manchen Zeitgenossen ist das nicht klar und die fühlen sich dadurch provoziert.
Dass Reichtum nichts mit Leistung zu tun hat, weiß im Grunde genommen jeder, der mit offenen Augen durch die Welt läuft. Zumal allein die Vorstellung absurd ist, dass jemand wie Jeff Bezos soviel tüchtiger war als jemand, der "nur" 2000 Euro netto verdient. Dazu all die BS-Jobs und dann noch Sachen wie kürzlich die Bayonetta 3-Synchronsprecherin, die sich aufgeregt hat, weil ihr ein Stundenlohn von 1000 Dollar zu wenig war, und Leute haben sie unterstützt, lol. Geld ist eine reine Illusion, an der aber jeder mitmacht, auch dadurch, dass tabuisiert wird, offen über's eigene Gehalt zu sprechen.
Wie gesagt, es muss erst richtig krachen, bevor sich was ändern wird. Ist in Deutschland leider immer so. Norstream 2? Erst der Ukrainkrieg hat dafür gesorgt, dass es beendet wird. Klimawandel? Noch wird nicht genug getan, auch hier wartet man auf irgendeinen Dammbruch. Corona? Erst mussten Krankenhäuser und Intensivstationen überfüllt sein, ehe konsequente Maßnahmen durchgesetzt wurden. Vorrausschauend handeln ist etwas, das unserer Politik schlichtweg unmöglich erscheint, und auch jetzt gerade wiederholt Scholz genau das: Verkauft einen Teil des Hamburger Hafens an China, direkt rein in die nächste Abhängigkeit. Einfache, kostengünstige Verbesserungen wie ein Tempolimit auf Autobahnen? Wird auch blockiert. Und selbst Sanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine werden vor allem von Deutschland, von Scholz gebremst, weil kurzfristig gedacht wird. Ich traue Scholz ja mittlerweile zu, dass sein gestriges Gerede von wegen Marshall-Plan für die Ukraine nur Show ist, weil er davon ausgeht, das nie tatsächlich finanzieren zu müssen, wenn Russland den Krieg gewinnt - Scholz tut jedenfalls alles, um Putin zu helfen.
Zurück zum Anfang: Zentrales Problem ist, dass in Deutschland das schiere Konzept des "Jobs" viel zu sehr hochgehalten wird. Die Menschen definieren sich über ihre Arbeit und wissen teilweise gar nichts mit sich selbst anzufangen, hätten sie keine Arbeit. Dabei sollte doch das Ziel sein, dass irgendwann in der Zukunft niemand mehr arbeiten muss, sondern alle das tun können, was sie wirklich tun wollen. Insofern finde ich es doppelt problematisch, Grundsicherungsempfängern Faulheit vorzuwerfen - irgendwas tun auch die. Nur bringt es kein Geld. Und darum dreht sich leider bei viel zu vielen Menschen alles.