Citizen Kane
Gerade zum ersten mal gesehen.
Zu meinen beiden bisherigen Lieblingsfilmen (Spiel mir das Lied vom Tod, Es war einmal in America) wollte ich nie was schreiben, weil es schlicht und ergreifend Seiten füllen würde und teilweise wäre es auch ziemlich schwer überhaupt passende Worte zu finden.
Das gute an Citizen Kane ist aber, dass man seine herausragendsten Eigenschaften kurz, einfach und übersichtlich beschreiben kann. Deswegen die Ausnahme.
Also was macht diesen Film so gut? Ganz einfach: Er ist in den wichtigsten Kategorien schlicht überragend. Das, wohlgemerkt, nicht nur für seine Zeit. Die vier Kategorien wären in dem Fall: Schauspiel, Narration, Maske und Bild; die ich allesamt näher erläutern werde.
Schauspiel
In den letzten Jahren habe ich angefangen vermehrt auf das Schauspiel zu achten. Interessant wird es, wenn man sich etwas mit dem Handwerk an sich beschäftigt, man verschiedene Interpretationen gleicher Rollen sieht und bei Making Offs verschiedene Aufnahmen vergleichen kann.
Dadurch, dass ich (unbewusst) stark auf das Schauspiel achte, denke ich auch bei guten Leistungen oft nur: "Ich sehe hier einen guten Schauspieler, der wirklich gute Arbeit macht". In den seltensten Fällen, kommt es dazu aber erst garnicht. Nein, ich habe mir während des ganzen Filmes nur gedacht: "ich sehe gerade den Aufstieg und Fall eines Zeitungsmagnaten".
Dieses besondere Maß an Glaubwürdigkeit erreicht der Film vor allen mit den gegenseitigen Reaktionen der Schauspieler. Diese wirken zum Teil so echt, dass man sich kaum vorstellen kann, dass sie diesen Dialog schon jemals vorher gehört haben, geschweige denn auswendig lernen mussten. Wenn etwas überraschendes im Dialog passiert, wirkt der Partner tatsächlich überrascht. Das trifft übrigens nicht nur auf Orson Welles zu, sondern auf den gesamten Cast.
Narration
Vielleicht das markanteste am Film. Zuerst das Offensichtliche. Der Film fängt mit dem Ende an und bedient sich dann unterschiedlicher Zeitebenen um die Geschichte zu erklären. Grundsätzlich kann man das Vorgehen dabei nur als innovativ und im Endeffekt sehr abwechslungsreich bezeichnen. Der Film bedient sich nämlich gleich vier grundauf verschiedener Arten der Narration.
Die Handlung, in diesem Fall Kanes Leben, wird allgemein stehts in kurzen, simplen, aber sehr betonten Etappen dargestellt. Zu Beginn des Films wird dabei das Leben von Charles Kane in Form eines TV-Berichts zusammengefasst. Etwas, was später oft genug in allen möglichen Genres wiederverwendet wurde.
Darauf folgt man einem Reporter bei seinen Recherchen und erfährt so die Geschichte über seine Gespräche. Interessant hierbei ist, dass der Reporter die Rolle des Zuschauers einnimmt, geht er doch den Fragen nach, die wir uns alle stellen und die noch nicht beantwortet wurden.
Dann gibt es natürlich noch die Rückblenden, bei denen wir direkt vor Ort sind. Bei den Zeitsprüngen an sich hat man sich auch oft etwas einfallen lassen. So fangen Sätze in einer Zeit an und enden in einer anderen und die Szene am Esstisch mit seiner ersten Frau ist wohl eine der herausragendsten der Filmgeschichte. Bei den Rückblenden wird dabei mit einer Weitwinkelperspektive (die den Eindruck erweckt als wären wir Zuschauer als Beteiligte mit im Raum) und zum anderen mit ganz klassischer Bildsprache gearbeitet. Mehr dazu aber beim "Bild".
Maske
Grundsätzlich hängt die Bedeutung der Maske sicherlich stark vom Film selber ab. In Citizen Kane nimmt sie aber ein ganz zentrale Rolle ein, weil viele Charaktere im verschiedensten Alter gezeigt werden und oft nur Anhand des Aussehens klar gemacht ist, in welcher Zeit wir uns jetzt befinden. Wie gut die Maske dabei ist? Als ich die ersten Bilder und Szenen des Film sah, dachte ich wirklich, dass der Schauspieler Orson Welles 50 Jahren alt ist. Meine Überraschung war groß als ich paar Szenen danach einen 24 Jahren jungen, schlanken, vitalen Welles sah.
Bild
Beim Bild hat man sich vieler subtiler Elemente bedient. So wird die Kamera oft von weit oben oder tief unten gezeigt, je nachdem ob auf den Charakter (übertragen) hinab und hinauf geschaut wird. Desweiteren wird viel mit Licht und Schatten gearbeitet. Gerade in der Szene in der Oper steckt eine immense Bildsprache. Es ist eine der wenigen Stellen, an denen wir eine Nahaufnahme haben, was in dem Fall seine beklemmte, wahnhafte Entwicklung ausdrücken soll. Er sieht nur noch ein Ziel, eine Aufgabe. Kane ist dabei stehts im Rampenlicht und um ihn herum wird es immer dunkler, was zeigt, dass er sich immer mehr von "seinem" Volk distanziert. Auch hier spielt Welles die Rolle so überragend. Der Gesang seiner Freundin symbolisiert den Zerfall seiner Ideale. Kane aber ist stur. Man fühlt regelrecht die Anspannung, seinen Trotz, seinen Kampf und seine Entschlossenheit.
Zu guter letzt wird darauf geachtet, dass der Reporter (aka der Zuschauer) so anonym und unscheinbar wie möglich erscheint. Er soll lediglich den Zuschauer in die Ereignisse hineinversetzen.
Am Ende wurde ich wirklich positiv überrascht. Und das von einem Film, der als der beste aller Zeiten angesehen wird.
Im Endeffekt würde ich da wirklich nicht groß widersprechen wollen, ist es erst der dritte Film, dem ich eine volle Punktzahl geben würde und unter den dreien ist er vielleicht sogar der Beste.
10 von 10