Ein neuer Text von mir
Ein Ork unter Philosophen
Der schwer gepanzerte und mit einer Silberaxt bewaffnete Gorgan betrat die Straße vor dem festlich geschmückten Anwesen in der Kaiserstadt. Der Anblick widerte ihn an. Ein gigantischer Wohnsitz und ein hungernder, abgemagerte Bettler, der daneben saß und vor Hunger zitterte. Er hasste diese Stadt an solchen Tagen. Sein Ziel war jedoch klar: Michael Kruxor. Der kaiserliche Lump hatte im gestrigen Suff seine Frau Mola begrabscht und wird heute dafür büßen. Zu Gorgans Pech war heute jedoch der Tag der Philosophie. Ein Feiertag um dem absteigenden Berufszweig der Weisheitsliebe zu frönen. Das Anwesen im Talos-Platz-Bezirk diente als Feststätte für die Philosophen der Hauptstadt.
Gorgan trat nach vorne zum Türsteher.
Der hielt ihm seine Hand vor die Brust. „Nur für Philosophen“, sagte der bärtige Nord.
„Ja, dann gehe ich rein“, antwortete Gorgan.
„Ihr seid ein Freigeist? Ihr seht nicht wie einer aus.“
„Die orkische Form ist ein Überaus wertvolles Gut der Natur. Und wie in der Natur üblich, gibt es Abweichungen von der, als Norm betitelten Perfektion.“
Der Nord hob die Brauen. „Das war nicht schlecht. Gut du darfst rein. Weißt du, wie es hier abläuft?“
Gorgan schwieg.
„Das hier ist eine Art Wettbewerb. Jeder Philosoph kriegt von mir eine rote Münze.“
„Muss ich Acht Stück sammeln?“
„Bist du ein Klempner, oder was? Nein. Sammele so viele wie du imstande bist.“
„Und wie kriege ich welche?“
„Ganz einfach: Sprich einen Denker an und fordere ihn heraus. Wenn du ihn ansprichst, stellst du ihm eine philosophische Frage. Wenn er sie beantwortet, verlierst du. Wenn er es nicht schafft, gewinnst du. Hast du keine Münzen mehr, verlässt du das Fest. Klar soweit?“
Gorgan nickte. Ihm waren die Münzen egal. Er wollte nur Michael Kruxor mit Weisheit besiegen.
„Aber die Waffe bleibt draußen.“
Gorgan schüttelte den Kopf. „Die gehört zu mir.“
„Nein. Damit könntest du jemanden verletzen.“
„Wer glaubt, man könne ein Lebewesen oder gar das Leben selbst töten, lebt in Unwissenheit. Nur der materielle Körper des unzerstörbaren, ist in der Lage zerstört zu werden. Und ist der Körper nicht nebensächlich? Ist nicht die geistige Arbeit eines Philosophen viel wichtiger?“
Der Nord seufzte. „Dabei wollte ich nur ein paar Septime verdienen um mir eine Fotze am Hafen zu ordern! Na schön, Grünfresse. Geh rein.“
Gorgan betrat endlich das Gehöftund wurde von einer beinahe vergewaltigenden Übermacht an Gerüchen begrüßt. Die Decke des Anwesens wurde mit Stoff verziert und in der Mitte der Eingangshalle war ein Festmahl serviert worden. Gorgan trat zum Bankett und grinste. Seine Weisheit, die Michael bezwingen würde konnte noch ein paar Sekündchen warten. Er nahm sich einen Teller und legte diverses Fleisch drauf. Da kam ein schmächtiger Bosmer auf ihn zu und räusperte sich. Gorgan drehte sich um und blickte auf das Kriegsbemalte Gesicht des Boiche. Es war klar, dass der Waldelf ihn herausforderte.
„Ist das nicht etwas zu viel Essen, Ork?“, er schielte auf den, wirklich nicht spärlich befüllten Teller.
Gorgan nickte. Er legte sich seine Antwort zurecht um seine Münze nicht zu verlieren. „Nahrungsmittel in der Erscheinung der Tugend verlängern das Leben, geben Gesundheit und reinigen. Sie bringt Glück und Zufriedenheit und schmeckt dementsprechend Süß, angenehm, Würzig und gut. Nahrung, die zu Bitter, zu Heiß, zu salzig ist, wird jedoch von denen geschätzt, die sich in der Erscheinungsweise des Leids befinden. Diese Nahrung verursacht Schmerz, Übelkeit und Krankheit. Daher biete ich einem Mann vor dem Anwesen dieses Essen.“
Der Bosmer wirkte beinahe schockiert, über die Worte der Grünfresse. „Ist das so? Dann erlaubt mir euch bei eurer Wohltat beizustehen.“
Gorgan nickte, nahm den Teller und verließ das Gut.
Draußen unterhielt sich der Türsteher mit einer Hure. „Ich verdiene hier nicht Schlecht … und würde die Septime gerne in deine Löcher investieren.“
Die Hure feierte gestern ihren 13. Geburtstag. Etwas, um das sich Gorgan später kümmern wollte.
Gorgan trat zum Bettler neben dem Anwesen und überreichte ihm den Teller, wohl wissend, dass er vom Bosmer begutachtet wurde. „Mein lieber. Beim Anblick der Freude und des Reichtums dieser Ideologen, erinnerte ich mich an das Zittern deiner Gliedmaßen und deinen Hunger. Hier nimm. Genießt Speiß' und Trank.“
Dann wandte er sich wieder dem Bosmer zu und dieser schnippte ihm seine rote Münze entgegen, die Gorgan auffing. „Gut gespielt. Aber sei ehrlich, Ork. Du wolltest das Zeug alleine essen, oder?“
„Gab es da jemals zweifel?“
Der Bosmer lachte auf und ging über eine Seitenstraße. Er hatte seine einzige Münze an einen Ork verloren.
Gorgan betrat wieder das Festund suchte nach Michael. Jedoch wusste er nicht, wie der aussah.
Er sprach einen Rothwardonen an. „Entschuldigen Sie?
Der Rothwardone drehte sich um. „Ja?“
„Wissen sie zufällig, wo ich Michael Kruxor finde?“
Der dunkelhäutige Mann rollte mit den Augen. „Erst die Mentalität, dann die Gespräche. Nochmal, Ork.“
Gorgan seufzte.
Der Rothwardone tat es ihm gleich und ergriff die Initiative. „Sagt, warum seufzt ihr, Grünmaul?“
„Ich bin jetzt nicht imstande hier noch länger stehen zu bleiben. Ich vergesse mich und mein Geist taumelt. Ich bin müde, suchend nach dem Ziel meiner Aufgabe.“
Der Rothwardone nickte. „Wenn ihr müde seid, so legt euch schlafen, aber wisst! Nur wer in seinen Gewohnheiten, wie dem Schlafen maßvoll ist, wird alle materiellen Leiden lindern.“
Gorgan grinste frech. „Wie ein flackerndes Licht an einem dunklen Ort, so ist auch der Geist eines Philosophen in der Lage sich selbst zu genießen. Das Leiden bestärkt, ähnlich wie das Hell und Dunkel einer flackernden Flamme die Höhen und Tiefen des Geistes und des Lebens. Wenn das Leid der Müdigkeit größer wird, denkt man, es gibt keinen größeren Gewinn als Schlaf. Mit dieser Einstellung gerät man niemals ins Wanken, da man so das gute anerkennt.“
Der Rothwardone seufzte und überreichte eine Münze. „Also, du suchst Michael? Warum? Er ist der größte Denker überhaupt.“
„Ich will ihn mit Weisheit bezwingen.“
Der Rothwardone lachte. „Wenn du meinst. Er ist im oberen Stockwerk. Am Fenster.“
Gorgan nickte und ging eilig zur Treppe. Dort kam ihm eine Khajiit entgegen und griff ihm an die Schulter. Gorgan drehte sich um und die Khajiit ergriff das Wort. „Was ist das Schicksal eines Gläubigen, der nicht Standhaft ist?“
Gorgan bekam langsam zu viel. „Vergeht ein solches Individuum nicht, wie eine zerissene, dunkle Wolke, ohne Halt in irgendeiner Sphäre?“
„Das ist mein Zweifel, Oh Ork. Und ich bitte dich ihn vollständig zu beseitigen.“
Gorgan nickte. „Ein Gläubiger, der nur glückbringenden Tätigkeiten nachgeht, wird weder in dieser, noch in der spirituellen Welt Perfektionismus erreichen. Wer nur gutes tut, meine Freundin, wird niemals das Gute anerkennen.“
„Ach fick dich doch! Das war meine letzte Münze, du Arsch!“, keifte die Katze, warf die Münze dem Ork zu und verließ das Anwesen. Gorgan seufzte und ging die Treppen hoch. Er wollte den Philosophen Michael Kruxor endlich mit Weisheit bezwingen.
Und da saß der größte Philosoph dieser Ära. Michael Kruxor. Seine Thesen über KINETISCH INTERLINKTE NIRNISCHE MULTIBENUTZER-NTH-GEN-EXOFORMEN und seine Analyse der 36 Lehren des Vivec waren selbst dem unterbelichteten Lump ein Begriff. Gorgan räusperte sich. Zeit zu Glänzen!
Michael Kruxor stand auf. Der fast kahle Mann wandte sich zu Gorgan. „Ja?“
Gorgan atmete angespannt ein. Er griff an seinen Rücken und zückte seine Axt. „Jede große Waffe hat einen Namen. Das ist meine Axt: Weisheit.“ Und er schlug. Michaels Kopf flog im hohen Bogen durch den Raum und landete vor der Treppe.