Gaming-Plattformen als Raum für hasserfüllte Ideologien
Rechtsradikale Ideologien werden in Zusammenhang mit Games nicht ausschließlich über mehr oder weniger aufwendig produzierte Spiele verbreitet. Auch Online-Communitys werden als Räume für menschenfeindliches Gedankengut genutzt. Dort sind nicht nur organisierte Rechtsradikale aktiv. Es gibt auch Gamerinnen und Gamer sowie Gruppen und Chats, die entsprechende Einstellungen pflegen, aber nicht unbedingt einer organisierten Gemeinschaft angehören. Immer wieder organisieren sie sich, um online und offline Menschen, Organisationen und Firmen anzugreifen, denen sie den Kulturkampf erklären. Dabei geht es meist um Kritik an stereotypen Darstellungen von Minderheiten in Games oder um neue Games, die von einer solchen stereotypen Darstellung von Figuren abweichen, weil sie etwa queere, schwarze oder nicht sexualisierte weibliche Spielfiguren beinhalten.
Eine der bekanntesten und umfangreichsten dieser Kampagnen wurde ab 2014 unter dem Begriff "
Externer Link:Gamergate" bekannt. Unter dem Vorwand, man kämpfe für einen ethischen Spielejournalismus, wurden damals vor allem Frauen massiv angefeindet und bedroht. Ein Exfreund der Spieleentwicklerin Zoë Quinn hatte die Behauptung in die Welt gesetzt, sie habe intime Kontakte zu einem Journalisten gepflegt, damit er eines ihrer Spiele positiv bewerte. Dass sich die Behauptung als falsch herausstellte, änderte nichts an den frauenfeindlichen Angriffen auf Quinn und andere Frauen aus der Branche.
Dass ganze Gamer-Gruppen für Kampagnen aller Art zu gebrauchen sind, hat auch Steve Bannon erkannt. Im Jahr 2005 war der frühere Chef von "Breitbart", dem US-Leitmedium der Rechten, und ehemalige Berater Donald Trumps Chef einer Firma mit Sitz in Hongkong. Ihr Geld verdiente die Firma über das populäre Online-Rollenspiel "World of Warcraft" ("WoW"), indem die Angestellten virtuelle Güter erspielten und anschließend gegen echtes Geld verkauften. "WoW"-Spieler griffen die Firma im Internet wegen ihres Geschäftsmodells an und äußerten in diesem Zuge auch antichinesische Ressentiments. Bannon soll seine Erkenntnisse aus dieser Zeit auch im Wahlkampf für Donald Trump angewandt haben.
Zur Auflösung der Fußnote[1] Auch über die "Gamergate"-Kampagne wurde unter Bannons Führung reichlich berichtet. Eine Suche nach dem Stichwort "Gamergate" auf der "Breitbart"-Website liefert mehr als 350 Ergebnisse.
Zu den Charakteristika einschlägiger Gaming-Communitys gehört eine ständige Ironisierung. Viele diskriminierende Äußerungen in Foren und Chats sind so formuliert, dass für Lesende nicht auf den ersten Blick klar ist, wie ernst sie gemeint sind. Diese Kommunikationsform erfüllt zwei Funktionen: Sie dient zum einen dazu, radikales Gedankengut zu normalisieren, und dient damit als Einstieg in die Ideologie. Zum anderen ziehen sich die Autoren der Beiträge, um sich nicht angreifbar zu machen, im Fall des Widerspruchs darauf zurück, dass ihre Aussagen nur ein Witz gewesen seien.
Dass in diesen digitalen Räumen auch junge Männer unterwegs sind, die bereit sind, Gewalt in die Tat umzusetzen, zeigen mehrere Anschläge der vergangenen Jahre. Im Sommer 2016 verübte David S. einen mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag im und um das Münchner Olympia-Einkaufszentrum. Damals starben neun Menschen mit größtenteils ausländischer Herkunft, die meisten von ihnen jünger als 20 Jahre. Der Täter hatte sich zuvor über eine Gruppe auf der Onlineplattform des Spieleanbieters "Steam" mit anderen über sein rassistisches Gedankengut ausgetauscht. Zu seinen Online-Freunden gehörte der US-Amerikaner David A., der eineinhalb Jahre später zwei hispanoamerikanische Schüler an einer US-Highschool erschoss. Ein weiteres Mitglied der Gruppe
Externer Link:sagte später, die dort verbreiteten Inhalte seien lediglich satirisch gemeint gewesen. Und: Eine solche Tat habe er A. nicht zugetraut.
"Steam" wurde von Rechtsradikalen lange Zeit auch deshalb genutzt, weil die Plattform kaum Sanktionen vom Betreiber für ihre menschenfeindliche Postings zu befürchten hatte. Generell sind Plattformen, die den Ruf haben, wenig oder gar nicht moderiert zu werden, bei Rechtsradikalen sehr beliebt. Auch US-Neonazis haben "Steam" in der Vergangenheit als Plattform für die Ansprache Gleichgesinnter
Externer Link:genutzt.