Switch? Nein, danke!
Switch ist für mich eine große Enttäuschung. Ich habe bisher jede Konsole der Japaner am ersten Tag gekauft, bin vor allem dem GameCube noch sehr verbunden. Und bei Wii sowie Wii U wollte ich zumindest irgendetwas Cooles von Tennis bis Zombi U sofort ausprobieren, weil es das nur auf diesem System gab und etwas Einizgartiges demonstrierte. Aber hier zieht mich nichts magisch an. Weder die zwischen allen Stühlen wackelnde und letztlich viel zu teure Hardware noch die bisher veröffentlichten Spiele.
Natürlich hängt das auch mit meinem Profil als Zocker zusammen: Unterwegs spiele ich vornehmlich auf dem 3DS oder iPad, daheim auf dem PC und der PlayStation 4. Wenn man sich anschaut, was diese Systeme für eine Quantität und Qualität an Titeln bieten, wird man fast erschlagen: Wir befinden uns in einer Zeit der Spieleschwemme mit ungeheurer Auswahl für alle Bedürfnisse. Und in dieser bietet mir Switch einfach zu wenig. Vor allem, weil ich unterwegs nicht das große Kino brauche: In der Bahn reichen mir Rundentaktik, Puzzler oder Adventure.
Nintendo wirft für Switch auch genau das Charakteristikum von Bord, das ich am meisten an der Wii U zu schätzen wusste: das interaktive Touchpad! Oben zocken, unten Karte sowie Management - das war einzigartig und für mich so etwas wie hybrid, weil es den Komfort eines Tablets zusätzlich zur Vollbildunterhaltung bot. Aber entweder spielt man Switch mobil oder am Bildschirm. Und wenn man das große Kino anwirft, wird man ebenfalls Abstriche machen müssen, denn da arbeitet ein jetzt schon überholter mobiler Chip.
Dass sich die Japaner nach dem GameCube aus dem finanziell kontraproduktiven Wettrüsten der potentesten Technik verabschiedet haben, ist überhaupt nicht das Problem. Im Gegenteil: Das sorgte beim Wechsel zu Wii noch für die Freisetzung kreativer Potenziale in der Bewegungssteuerung. Und ein Abenteuer wie The Legend of Zelda demonstriert auf beeindruckende Art, dass Kreativität im Spieldesign wichtiger ist als eine Legion verbauter Teraflops. Der schöpferische Geist schlägt immer die technische Hülle.
Aber um z.B. die Kreativität in der offen Welt von Hyrule zu erleben brauche ich keine Switch. Die größte Schwäche dieses Lineups ist, dass es bis auf das kleine Snipperclips nichts wirklich Exklusives und gleichzeitig Herausragendes gibt - dieses Dilemma hat sich Nintendo mit seiner Veröffentlichungsstrategie selbst eingebrockt. Für keines der anderen von uns mit gut oder besser bewerteten Spiele brauche ich die neue Konsole. Für The Legend of Zelda: Breath of the Wild reicht ebenso eine Wii U wie für Fast RMX, das nichts anderes ist als eine leicht gekürzte Abwandlung von Fast Racing Neo. Und wer ein Tablet oder Smartphone besitzt, kann schon lange das von uns prämierte Rhythmusspiel Voez spielen.
Wir haben zudem einmal ungenügend (Vroom in the Night Sky), zweimal mangelhaft (1-2-Switch!, New Frontier Days) und zweimal ausreichend (Super Bomberman R, I Am Setsuna) in Tests vergeben. Zwar hat ein schwaches Lineup zum Start fast schon Tradition bei jeder neuen Konsole, was meist der nötigen Entwicklungszeit für größere Projekte, aber auch der zyklischen Marketingstrategie geschuldet ist. Schließlich will man Top-Spiele quartalsweise, vor allem zum lukrativen Weihnachts- und Ostergeschäft anbieten, damit sich die Konsole stetig verkauft. Also gehören eine gewisse Geduld und Optimismus immer dazu, wenn man ein neues System kauft.
Aber ein Lineup ist immer auch eine erste Visitenkarte des Publishers. Damit könnte man auch Zeichen setzen, sein Image über eine gute Auswahl stärken. Auch kleine Titel wie Darkest Dungeon oder This War of Mine können ja groß bei uns Höchstwertungen abräumen. Aber genau diesen Trend hat Nintendo die letzten Jahre mal wieder verschlafen. Anders ist es nicht zu erklären, dass man so wenig Qualität aus der Independent-Szene in seinem eShop anbieten kann - da hilft mir auch die Aussicht auf weitere hundert Spiele nicht, zumal auch da wieder so schrecklich viel recycelt wird.
Wenn man doch weiß, dass man erst später mit Super Mario Odyssey aus eigenem Hause oder irgendwann mit Beyond Good & Evil 2 nachlegen kann, dann akquiriert man doch im Vorfeld genug kleinere Titel mit ausgewiesener Klasse. Stattdessen füllt man scheinbar ohne Rücksicht mit Schund à la New Frontier oder Vroom auf. Ja, digitale Rohrkrepierer gibt es auch über Steam, PSN & Co. Aber mit etwas Feingefühl veröffentlicht man gerade so etwas nicht zum Start, sondern klammheimlich irgendwann im Sommerloch - und zwar mit Megarabatten!
Dem Lineup fehlen bis auf Snipperclips die exklusiven Highlights, die die charakteristischen Stärken von Switch als Hybridsystem zeigen. Wo sind Arcade- und Sportspiele für den knackigen Spaß zwischendurch? Peinlich ist, dass das dafür in der Werbung platzierte Spiel, 1-2-Switch auch noch so unfassbar schlecht ist und dass selbst ein zeitloser Klassiker wie Super Bomberman R nicht abliefern kann, weil es u.a. Bildratenprobleme gibt. Egal, was noch kommt: All das sorgt zum Start für einen bitteren Beigeschmack. Von Multiplayerbegeisterung ist man jedenfalls bis zu Mario Kart oder Splatoon 2 noch weit entfernt.
Switch wird für mich erst dann als ernst zu nehmende Konsole interessant, wenn der erste sehr gute und voll exklusive Titel erschienen ist. Kein Minispiel, keine Umsetzung, keine Abwandlung, keine Deluxeversion irgendeines bestehenden Titels, sondern ein neues Abenteuer von Format.
Nintendo wird mich nie als Spieler verlieren - dafür verbinde ich zu viele geniale Momente mit diesem großartigen Pionier, dafür hoffe ich immer noch zu sehr auf den nächsten Schritt, der auch für den Wettbewerb wichtig wäre.
Aber Nintendo hat mich als Unterstützer seiner Hardware schon mit Wii U enttäuscht und jetzt komplett verloren.
Jörg Luibl
Chefredakteur