In gewisser Hinsicht kann man es fast schon als historische Gelegenheit ansehen, was derzeit (nicht nur) in Deutschland geschieht. Wann kann man schon live und sehenden Auges beobachten wie eine Demokratie sich in einen Überwachungstaat verwandelt (und das noch nichteinmal besonders langsam oder schleichend)? Dadurch geschieht etwas was selbst tausend terroristische Anschläge nicht vermocht hätten, daß ausgerechnet die Politik in offene Demokratieverdrossenheit verfällt. Also das (wie ich weiter oben schon mal geschrieben habe) eben nicht die Bevölkerung bei Wahlen die Demokratie in Frage stellt, sondern das die Politik sie eigenhändig zertrümmert. Aber laut einer Umfrage finden ja auch knapp 60% der Bevölkerung es ganz O.K., was die Parteien da unter dem Vorwand der Terrorabwehr veranstalten.
Natürlich hat man eine kleine Hoffung, daß das Pendel irgendwann in die andere Richtung schwingt. Zumindest ich hoffe, daß irgendwann nach dem Vorbild der Auflösung der Stasi, die Verantwortlichen gesucht und bestraft werden, Behörden wie BND und MAD aufgelöst und die Unterlagen über ihre Machenschaften öffentlich gemacht werden. Als ehemalige Mitarbeiter der Geheimdienste gebranntmarkte oder der Errichtung des Schnüffelsystems Verdächtigte werden dann aus dem öffentlichen Dienst entfernt, bekommen gar ihre komplette Pension gestrichen oder werden ähnlich wie Egon Krenz einfach inhaftiert. Obwohl man IMHO mit den Stasi Leuten oder den SED Ministern noch viel zu sanft umgegangen ist. Aber vielleicht wird auch ein Wolfgang Schäuble oder auch Schily (vielleicht sogar Frau Zypries) irgendwann zu ihrer Rechtfertigung wie Erich Mielke auch winseln, sie wollten doch nur "zu jedem Genossen einen Kontakt" haben (nach der Verabschiedung der Vorratsdatenspeicherung hat Zypries ja inzwischen sogar schon "Kontakt" mit dem Bürger aufgenommen). Allgemein sieht man bei der derzeitigen Diskussion gut, daß die Politik nichts aber wirklich auch gar nichts aus der Vergangenheit lernt (wie man jüngst bei Oettinger gesehen hat, wird die Vergangenheit auch gerne einmal umgedeutet). Wenn, so wie es derzeit ausschaut, die CDU tatsächlich hinter den Schnüffelmaßnahmen ihres Ministers steht, dann sollte man vielleicht (auch im Hinblick auf Äußerungen mancher Rechtsaußenpolitiker in der Partei) über einen Verbotsantrag gegen die CDU (und natürlich ganz besonder die CSU) nachdenken.
Das Verrückt derzeit ist ja, daß der Verfassungsschutz, der eigendlich von den Äußerungen Schäubles alarmiert sein sollte, eher ausgerechnet die Oppositions (in
diesem Falle die Linke/PDS) beobachtet. Der Verfassungschutz beobachtet also ausgerechnet kritische Stimmen, die die Verfassung in Gefahr wähnen, anstatt gegen die wirklichen "Gefährder" wie eben Schäuble oder damit die gesamte CDU zu ermitteln. Nicht das man mich falsch versteht, ich hege natürlich nicht wirklich uneingeschränkte Sympathien mit der Linken/PDS, da man in deren Kreisen leider noch immer so einige "faule Äpfel" findet.
Update: Hier ein Artikel zum Thema, ob Schäuble inzwischen ein Fall für den Verfassungsschutz ist.
Meiner bescheidenen Meinung nach müssen erst einmal die alten Ermächtigungsgesetze, die Schily noch zu verantworten hatte überprüft und hoffentlich auch beseitigt werden. Selbst solche Dinge wie der "große Lauschangriff" (also die Vereinfachung der Telefon- und Wohnraumüberwachung) sind schon in hohem Maße bedenklich und dürfen nicht zum Dauerzustand werden. Weshalb die neuen Vorschläge von Schäuble auch extrem Überzogen sind. Selbst den sonst recht datenhungrigen Polizeigewerkschaften gehen die Maßnahmen eines Wolfgang Schäuble inzwischen zu weit. Zwar ist der Schäublesche Extremismus aufgrund seines Attentats-Traumas (daher wohl diese krasse Überreaktion) in gewisser Weise erklärbar, nur kann man mit deratig mental labilen Personen keine Sicherheitspolitik betreiben!
Schäuble gehört in professionelle Behandlung aber nicht in ein politisches Amt!
Update:Ich bin übrigens nicht der Einzige, der sich Gedanken über Schäubles
Geisteszustand macht.