stupormundi schrieb:
Wenn es keine Objektivität gibt - wie kann man sich dann anmaßen, eine Erörterung, die bis auf den Schlussteil durchwegs objektiv sein soll, zu schreiben?
Jetzt wird es aber ziemlich abstrus bei dir. Wenn es keine Objektivität gibt, wieso soll dann eine Erörterung objektiv sein?
Die Erörterung ist ein Diskurs der Logik, und die Logik ist an den Verstand von Subjekten gebunden.
Du holst ziemlich weit aus. Eigentlich müsste man auch den Begriff Logik näher definieren, das würde aber den Rahmen sprengen.
Aber die Frage ist: Ist Logik an den Verstand des erkennenden Subjekts gebunden? Kant hat Verstand und sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit in ein Abhängigkeitsverhältnis gesetzt. Die Vernunft sollte dabei als regulierender Faktor beide in die Schranken weisen. Was ist die Pointe dabei? Richtig, das Erkenntnisobjekt entsteht erst durch das erkennende Subjekt! "Wir kennen an den Dingen nur das, was wir selbst in sie hineingelegt haben." Auch dazu gibt es verschiedene Meinungen.
Im 19. Jahrhundert wurde die Erkenntnistheorie durch die geisteswissenschaftliche Hermeneutik (Historismus ist auch ein solches "Schlagwort) ergänzt - Wissen bzw. Erkenntnis ist also auf Sprache angewiesen. Dieser Gedanke stand derart im Zentrum, das man zu Recht davon sprechen kann, dass die Kantische Erkenntnistheorie als Vernunftkritik von einer Sprachkritik abgelöst wurde. Zu dieser liefert auch die moderne (formale) Logik Mittel - sie stellt also nur Mittel zur Verfügung!
Insofern geht es hier nicht um eine objektive Meinung, die es gar nicht geben kann; sondern, und jetzt wiederhole ich mich zum letzten Mal für dich, es geht darum, Stärken und Schwächen des SPiels in einem Diskurs der Logik zu erörtern. Man erörtert, was einem gut gefällt und was einem weniger gut gefällt, und dann sucht man das zu begründen. Erst in der Argumentation findet nämlich der erörternde Teil der Arbeit statt (gut oder schlecht kann jeder irgendetwas finden, das ist keine gedankliche Leistung, etwas gut zu finden).
Ich bringe jetzt also Argumente, jedes am Besten noch mit einer These unterstützt. Gut, aber bereits die Auswahl der Argumente ist subjektiv! Der erörternde Teil ist derjenige, wo der Tester sich einer multiperspektivischen Betrachtung von Sachverhalten annähert. Je besser ein Tester das Erörtern gelernt hat, desto umfangreicher weiß er einen Sachverhalt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Das ist das Wesen von Reflektion. Man denkt über eine Sache nach, betrachtet den Sachverhalt aus verschiedenen Blickwinkeln, nähert sich somit der Komplexität des Sachverhaltes gedanklich an, wo vor dem Prozeß der Reflektion sich nur ein primites schwarz und weiß gezeigt hat. Man geht die Farbnuancen des Sachverhalts durch, wägt sie gegeneinander ab, bestimmt ihre Gewichtung und kultiviert und begründet auf diese Weise die eigene Sichtweise.
In Erörterungen, wie du ja gesagt hast, geht es u. a. darum, einen Sachverhalt möglichst objektiv zu betrachten, indem man ihn aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Allerdings ist es kaum möglich, einen Sachverhalt aus allen möglichen Perspektiven zu durchleuchten.
Die Definition von Objektivität wäre in diesem Fall, dass Objektivität der Querschnitt aller subjektiven Meinungen wäre.
Dass dies eine unzureichende Definition des Begriffs "Objektivität" ist, wurde bereits von vielen Philosophen gezeigt (wobei bei dem Begriff "zeigen" ja schon wieder das Problem vorliegt).
So verhät es sich bei einem Erörterungsprozeß, jedenfalls grob ausgedrückt. Bei einer Rezension geht es nur um diesen Prozeß, um nichts anderes. ALles andere ist für den Leser wertlos. Einfach zu schreiben, das und das gefällt mir nicht bringt dem Leser rein gar nichts!