Metroid, die Einsamkeit und das Weltall
Wenn wir uns alleine fühlen, passiert dies aus den verschiedensten Gründen; sei es die Trennung aus einer langjährigen Beziehung, das Dahinscheiden eines geliebten Verwandten oder gar die Abgrenzung eines Individuums aus der Gesellschaft.
Doch ist Einsamkeit nicht immer negativ; das einsame Lauschen zu Musik, das Betreiben einer Tätigkeit, die nur in der Einsamkeit auch eine Tätigkeit darstellt... diese Dinge werden gerne beiseite gelegt; es wird getan, als seien sie Randerscheinungen, als seien sie ungewollt und ungesund.
Zu einem gewissen Part mag das stimmen; jedoch hat die Einsamkeit unleugbar auch schöne Seiten, wenn man sie richtig einsetzt.
Es geht hier allerdings nicht um die Einsamkeit in der Gesellschaft; denn Alleinsein unter vielen Menschen ist kein richtiges Alleinsein, keine Isolation an sich; dies stellt nur einen psychologischen Effekt dar. Wirkliche Einsamkeit auf der Erde ist aufgrund des Lebens, welches auf ihr herrscht, wohl kaum möglich... es sei denn, man befindet sich in einer extrem dünn besiedelten geographischen Zone.
Dünn besidelt ist auf Zebes nichts: Samus hat allerhand mit feindlichem Unkraut zu kämpfen.
Doch Einsamkeit, die sich aus der Abwesenheit jeglichen Lebens ableitet, ist nur an fiktiven und imaginären Orten möglich... Orten also, zu denen wir jetzt gelangen wollen.
Die erste Heroine
Samus Aran ist einer der ersten weiblichen Helden der Videospielgeschichte. Ihre Karriere begann 1986 unter der Feder Gunpei Yokois, dem legendären Game Boy-Erfinder, mit dem Spiel Metroid.
Das Hauptaugenmerk von Metroid lag auf dem Erkunden einer fremden Welt, dem Aufstöbern von Geheimnissen und letztendlich dem Besiegen von riesigen Bossgegnern, die oftmals ganz bildschirmfüllend waren; Metroid entführt den Spieler in geheimnisvolle kosmische Welten, bevölkert von vielen feindlichen Kreaturen wie etwa den Weltraumpiraten, die die bekannte Heroine schon oft in Bedrängnis brachten.
Da es nichts Neues ist, den irdischen Antagonismus auf außerirdische Thematiken zu übertragen, legten die Entwickler weder Wert auf ein ausgeprägtes Feindbild á la „Du musst alle Weltraumpiraten vernichten“ oder gar auf ein waffenlastiges Gameplay; es galt, durch Benutzen des Denkzentrums Rätsel zu lösen und mit den gegebenen Items stets die korrekte Lösung zu finden; waren die Rätsel anfangs allerdings noch leichter und konnten meistens nur durch schieres Ausprobieren gelöst werden, so hatte man mit Metroid Prime, dem 3D-Auftakt der Serie, das Franchise erwachsener und auch rätsellastiger gemacht.
Mit dem Blick auf die fremde Welt kommt auch der Gedanke an Einsamkeit...
Mit den beiden darauf folgend erschienen Teilen und mit der bald herauskommenden Metroid Prime Trilogy ist es nun mein Anliegen, die metroidsche Einsamkeit der Weltallthematiken hinter dem Franchise näher zu beleuchten.
Einsam, einsamer, Samus Aran
Wenn Samus Aran etwa auf einer havarierten Weltraumstation nach dem Rechten sieht und sie dabei nur von gelegentlich auftauchenden insektenartigen Wesen und toten Körpern der Weltraumpiraten gestört wird oder wenn sie sich in einer schneeweiß glitzernden Eiswüste befindet und die dort heimische Flora und Fauna durch ihr Visier begutachtet, erreicht das Alleinsein eine neue Bedeutungsdimension, welche wir uns wohl kaum vorstellen können.
Eine Weltraumstation, Lichtjahre (!) entfernt vom nächsten bevölkerten Planeten, Kontakt zu intelligenten Lebewesen gleich 0... dieses Bild haben wir bereits das ein oder andere Mal im Franchise gesehen. So außerirdisch, wie das Design meistens wirkt, so ist auch die Leere, mit der man sich als Spieler konfrontiert sieht, gigantisch, desaströs; keine Lichtpunkte, nur das Meer von Sternen und diffusen Galaxienflecken im Hintergrund, die Rezeptoren des Visiers registrieren eine schwache kosmische Strahlung, wie sie überall herrscht... all das wird dominiert von einem großen, schwach rötlich leuchtenden Flecken, der ein Supernovaüberrest sein könnte... oder einfach nur sehr erhitztes Gas, das den schwachen Schein des noch schwächeren Sternenlichts einfängt.
Inspiration durch den Kosmos: Solche Bilder zeigen uns, wo Entwickler ihre Ideen hernehmen.
Dieser Nebel scheint das Gefühl der Einsamkeit regelrecht aufzuzwängen; er scheint das Bewusstsein zu stärken, das einzige intelligente Lebewesen im Umkreis mehrerer Lichtjahre zu sein.
Ein Funkkontakt würde mehrere Jahre dauern, mit Garantie auf Erfolglosigkeit; ist man erst einmal derart weit ('weit' scheint kein Wort zu sein, das die tatsächliche Weite ausdrückt) vom nächsten bewohnten Planeten oder Himmelskörper entfernt, muss das bei einem psychisch angeschlagenen Lebewesen äußerst ausdrucksstarke Gemütsschwankungen hervorrufen.
An der Schönheit eines solchen Panoramas kann man sich bereits in Metroid Prime mehr als nur satt sehen: Gleich das erste Szenario der havarierten Weltraumpiratenfregatte wird zuerst im Weltall, später unter Wasser besucht. Hier wird das Bild, welches zuerst durch die Einsamkeit dominiert wird (Samus ist hier nun wirklich eine der letzten Lebenden), von einem von vielen Unterwasserlebewesen bevölkerten Ort ersetzt, der mit seiner träumerischen Musik das eine oder andere Mal die Zeit still stehen lässt.
Aber genau dieser Effekt führt vor Augen, wie alleine man im Weltraum sein würde, besuchte man einen solchen Ort. Wie diese Einsamkeit zustande kommt, vermittelt folgendes Bild mit dazugehöriger Erklärung treffend:
Würde sich hier irgendwo das havarierte Raumschiff der Piraten aus Metroid Prime befinden, müssten wir einen Millimeter kleinen Abschnitt des Bildes trilliardenfach vergrößern, um dann erneut zoomen zu müssen, weil wir es immer noch nicht entdeckt haben...
Von untergegangenen Zivilisationen...
Doch Metroid wäre nicht Metroid, wenn verlassene Weltraumschiffe die einzigen Orte wären, zu denen Samus geschickt wird.
Einsamkeit in der Serie ist nicht nur an verlassenen Orten möglich, denn erst recht wird sie betont, wenn man indirekt einsam ist.
So etwa Samus auf Tallon IV; zwar ist sie neben ihrem Erzfeind Ridley und den Weltraumpiraten das einzige intelligente Wesen (was durch kilometerlange Marschwege durch das Dickicht des vielseitigen Planeten noch hervorgehoben wird) auf dem Planeten, doch hat man stets den Gedanken an die ausgestorbene Superzivilisation der Chozos im Kopf: Durch periodisch neu hinzukommende Einträge über Flora und Fauna, Wandhieroglyphen und nicht mehr benutzte Vorrichtungen der vogelartigen Wesen wird zwar ein Gefühl des Alleinseins erzeugt, doch wird dieses durch die Gewissheit entkräftigt, dass man sich auf einem Planeten befindet, der einst von intelligentem Leben bevölkert wurde. Dies ist äußerst atmosphärisch und äußert sich ab und zu in dem dumpfen Gefühl, doch nicht gänzlich alleine zu sein...
Ab und zu begegnet die Kopfgeldjägerin doch einem Lebewesen, welches auf sie aber nicht gut zu sprechen ist.
Das Gefühl des Alleinseins auf einem extrasolaren Himmelskörper wäre nicht so täuschend überzeugen herübergebracht worden, wenn nicht die entsprechende Musik und letztlich das Design etwas Außerirdisches vermitteln würden; gerade das Visuelle versetzt den Spieler wortwörtlich auf einen anderen Planeten.
Verschlungene Strukturen, ineinander verbaute, komplizierte Architektonik, Fauna und Flora, die zwar irdisch anmuten, aber außerirdisch sind; dies alles garniert mit auf wissenschaftlich getrimmten Scaneinträgen, die absolute Plausibilität vermitteln; als würde Forschung betrieben werden, als sähe die Heroine (was sie de facto auch tut!) diese Einrichtungen zum ersten Mal... Erkundung um des Erkundens Willen? Nein...
Erkundung um der Einsamkeit Willen? Wohl eher.
Ein Mensch, der die Einsamkeit liebt, würde bei solchen Szenarien von einer Hormonschwankung in die andere taumeln, denn er wäre stets am staunen über das Numinose, das sich ihm darbietet.
Nirgendwo wird Einsamkeit so sehr zelebriert wie in der Metroid-Reihe; ob ich mich in der Gluthölle der Magmoor-Kavernen befinde oder die Oberfläche auf Cebes durchstöbere, ob Samus jetzt auf der GFS Valhalla ist und oben angesprochenes, galaktisches Panorama begutachtet: Die Einsamkeit wäre der stete Begleiter einen oder mehrerer Weltraumreisender.
Egal, welchem psychischen Training ein Mensch sich unterziehen würde, um die Wirkung der kosmischen Einsamkeit etwas milder zu gestalten: Ein auf Gesellschaft ausgelegtes Lebewesen, wie wir es sind, würde dies niemals aushalten.
Es braucht schon eine digitale Figur, welche die Ängste nicht in ihrem Quellcode hat.
Doch ist es nicht schön, letztendlich? Der Einsamkeit einer Serienheldin wie Samus Aran haben viele Millionen Spieler ihre atmosphärischsten Videospielstunden zu verdanken.
Das Alleinsein im Weltall, ist dies nicht doch irgendwie eine kosmische Konstante, der wir diese Spielmomente zu verdanken haben?
Wird uns Other M das gleiche Gefühl der Einsamkeit vermitteln können wie seine Vorgänger?