Samuel R. Delany „Hogg“
Wie die zuvor beschriebenen Bücher des Horror-Genres, war dies auch eine Empfehlungen für angeblich verstörende Bücher. Bei vielen der vorher genannten Horror Romane fand ich diese gar nicht mal so hart und eigentlich kaum ein Buch kommt an die wirklich abartigen Werke von de Sade heran, aber „Hogg“ schafft es locker die absolute Verkommenheit von de Sade zu erreichen ohne im eigentlichen Sinne wirklich Horror zu sein (wobei im Vorwort sogar explizit auf die Werke von de Sade eingegangen wird). Das Positive (wenn man in Zusammenhang mit der Handlung von Hogg davon überhaupt reden kann) im Vergleich mit de Sade ist allerdings, dass hier nicht diese radikale anarchistisch-libertäre „Moral“ wie bei de Sade ständig von den Protagonisten wiedergekäut wird.
Prinzipiell ist dies eine Abfolge von wirklich harten Grausamkeiten und Perversitäten als der 11-jährige (!) naive und völlig unbefangene Protagonist, der sich und seine Freunde zuvor prostituiert hat, über den Verlauf des Buches willentlich eben jenem Hogg und seiner kleinen Gruppe an zur Bestrafung angeheuerten Vergewaltigern gegen Geld anschließt und durch eine Nacht begleitet. Das ganze ist über weite Strecken extrem brutal und geradezu plakativ (und unrealistisch) pornografisch bis hin zu plastischen Schilderungen von extremsten Praktiken.
Wo dies üblicherweise, selbst bei härteren Stoffen, meist eher kurze Momente der Gewalt sind, die einen Kontrast oder meinetwegen Schockmoment innerhalb der Handlung darstellen, ziehen sich bei Hogg diese Szenen über etliche Seiten und bis ins kleinste Detail beschrieben hin. Es wird im Gegensatz zu de Sade hier kein Urteil über die Leute gefällt, sondern jeder muss sich bei den Taten sein Teil selbst denken. Aber wirkliche Sympathiefiguren wird man hier nicht finden, fast jeder ist hier nur entweder Opfer, willentlicher Mittäter und selbst offener oder sich zunächst unschuldig gebender Triebtäter, etwaige nur kurz auftauchend Nebenfiguren eingeschlossen. Gemessen an anderen zeitgenössischen Büchern ist dies wirklich ganz, ganz harter Tobak.
Ken Grimwood „Replay - Das zweite Spiel“
Ausnahmsweise mal ein Buch mit Timeloop-Thematik. Leider spoilerte das Vorwort gleichmal die Hälfte der Handlung. Wer also die deutsche Edition mit Vorwort lesen sollte, sollte dieses besser erstmal überspringen und sich dieses besser erst am Schluss vornehmen. Grundidee ist prinzipiell ähnlich wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“, allerdings ist dies hier alles anderen als eine Komödie, sondern eher tragisch, hoffnungslos bis verzweifelt. Der Loop ist auch „etwas“ größer und zwar springt der Protagonist im Alter von 43 Jahren wiederholt zurück in seine College-Zeit und wiederholt so fast sein komplettes Leben immer wieder. Natürlich versucht er auf verschiedene Weisen das Beste aus dieser Zeitspanne zu machen, zumal er sich auch an jedes vorherige Leben in allen schönen, aber zumeist traurigen Episoden im Detail erinnern kann, jedoch ist dies letztlich einhergehend mit ständigem Verlust und letztlich Verzweiflung. Im Gegensatz zu anderen ähnlich gelagerten Geschichten, ist es auch keine Frage, ein besserer Mensch zu werden, um diesen Kreislauf zu durchbrechen und man sieht auch, was dies für psychische Auswirkungen auf eine Person haben kann. IMO sehr empfehlenswertes Buch!
Arthur Machen – „Der große Pan“ (Der große Pan / Das innerste Licht)
Dies wurde mir als eines der gruseligsten Werke des „gothic horror“ empfohlen (Originalzitat Stephen King „one of the best horror stories ever written. Maybe the best in the English language.“), was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Wie schon zuvor die von Lovecraft inspirierten Kurzgeschichten von Thomas Ligotti finde ich das eher sehr betulich, angestaubt und schlicht altmodisch.
Clive Barker – „Chiliad – A Meditation“
Ich bin zwar großer Fan von Barker, aber dies würde ich jetzt nicht unbedingt in meine Top 10 seiner besten Bücher aufnehmen. Dafür ist es vielleicht etwas zu experimentell und wirkt eher wie ein Fragment. Beschrieben wird hier wie sich Gewalt über mehrere Zeitebenen hinweg entwickelt.
Matt Shaw & Aron Beauregard - „Survivor's Guilt: An Extreme Horror“
Wieder ein Buch, welches als verstörend empfohlen wurde. Die Prämisse hört sich zwar durchaus recht hart an, aber so richtig berührt hat mich das ganz (trotz der Thematik) am Ende doch nicht (ich fand dies eher sehr schwarzhumorig), war aber, angesichts wie grotesk das ganze ist, durchaus unterhaltsam. Und zwar geht es hier im Prinzip um die Planung eines Schul-Massakers, allerdings nicht von gemobbten Schülern sondern einer Lehrerin, die dies sexuell stimulierend findet (mit teils plastischen Schilderungen). Das ganze verläuft aber nicht wirklich so, wie man es erwarten würde.
Alissa Nutting - „Tampa“
Und noch ein Buch mit verstörender Thematik (ohne jeden Horror), dass aber dieser Einschätzung diesmal wirklich gerecht wird. Wie schon bei dem ebenfalls eine Seiten vorher genannten, kontroversen „All the Ugly and Wonderful Things“/„All die Finsternis inmitten der Sterne“ von Bryn Greenwood geht es auch hier um die Beziehung eines Erwachsenen zu einer Minderjährigen. Wo dies bei zuvor genanntem Buch durchaus innerhalb gewisser Grenzen (ohne trotzdem mit kritischen Ansichten zu sparen) positiv geschildert wurde, ist bei „Tampa“ so ziemlich das Gegenteil der Fall. Allerdings hier mal mit umgekehrten Vorzeichen, nämlich aus der Sicht einer weiblichen Täterin und noch dazu einer Lehrerin, die hier teils eiskalt und massiv manipulativ agiert. Hier bleibt es auch nicht bei irgendwelchen vagen Andeutungen, vom persönlichen Beuteschema der Täterin, über deren Grooming bis zum Akt selbst, wird alles geradezu explizit geschildert. Wie schon Hogg, allerdings auf andere Art, harter Tobak, der auch die Thematik der Ungleichbehandlung von derartigen weiblichen und männlichen Tätern nicht ausspart.
Poppy Z. Brite & Deirdre C. Amthor - „Exquisite Corpse“
Was wäre gewesen, wenn die Serienmörder Jeffrey Dahmer und Dennis Nilsen einander getroffen hätten? Zwar sind im Buch beide Serienmörder eher fiktional, aber klar als die vorgenannten Personen zu erkennen und teils wurden sogar Details aus den realen Umständen der Taten mit eingebaut (weil mir die Person Nilsen nicht so bekannt war, habe ich mir sogar noch nebenher die dreiteilige britische Miniserie „Des“ von 2020 mit David Tennent in der Titelrolle angeschaut). Ich mag auch generell den Süden der USA und ganz besonders New Orleans als Schauplatz. Von dem Buch bekam ich ähnliche Vibes wie von der letzten Staffel 11 „American Horror Story“ (NYC). Auch dort ging es um einen Serienmörder mit Opfern aus der Schwulenszene und der Tatsache, dass die hedonistische Party der 70er in den 80er vorbei war als AIDS zu grassieren begann. In der Serie hatte man das Thema des Serienmörders schon ungefähr zur Hälfte abgehakt und der Rest widmete sich dem drastisch geschilderten AIDS-bedingten Niedergang in der Szene. Im Buch läuft das ganze eher ständig nebenher, denn auch hier hat AIDS und die Resignation und Desillusionierung die dies mit sich gebracht hat einen wichtigen Stellenplatz.
David Gerrold - „Zeitmaschinen gehen anders“ (Original „The man who folded himself“)
Das ganze beginnt eigentlich als launige Zeitreisegeschichte, in der diesmal die gängigen Regeln nicht gelten. Denn wenn man es nicht übertreibt, kann man schließlich keinen größeren Schaden anrichten, da sich einfach ein neue Zeitlinie und damit ein paralleles Universum aufbaut. Was also zunächst nur mit kleineren Experimenten beginnt, artet irgendwann völlig aus und es wird weitaus ernster, persönlicher und sogar existenzialistischer, als der nette und leichte Beginn vermuten lässt. Die Frage ist dabei nicht, ob man wirklich größeren Schaden an der Zeitlinie anrichten kann, sondern eher was das mit der reisenden Person selbst macht und wie die völlige Losgelöstheit von jeden zeitlichen Konventionen letztlich (wie ähnlich beim vorgenannten „Replay - Das zweite Spiel“) zu Verlust, Bereuen und sogar Trauer führt, weil man nicht alles wieder rückgängig machen kann. Ohnehin rückt nach einer Weile das in dem Genre übliche Reisen zu irgendwelchen historischen Begebenheiten eher in den Hintergrund, bis es nur noch in Nebensätzen erwähnt wird, sondern es dreht sich eher um den Lebensweg des Zeitreisenden. Auch interessant, dass der Autor all das, mit geradezu Zeitreise-Exzessen sowie quasi permanenten absurden Konsequenzen, da hier wirklich alle Regeln, die man für das Zeitreisen kennt, gebrochen werden, dies alles auf vergleichsweise so wenig Seiten gebracht hat. Ebenfalls sehr empfehlenswert!