hier eine gute Analyse wie Ferrari in diese gewaltige Misere gekommen ist...
Wer einen Motor zwei Jahre lang im "illegalen" Bereich optimiert, hat die Entwicklung verschlafen den Motor im legalen Bereich zu verbessern und opimieren.
Der Motor war einmal Ferraris Prunkstück. 2018 und 2019 setzte der Sechszylinder aus Maranello die Maßstäbe. Die Konkurrenz glaubt, weil Ferrari gemogelt hat. Für sie sind die offensichtlichen Motorprobleme bei Ferrari der ultimative Beweis dafür. Teamchef Binotto behauptet trotzdem: "Es lag kein klarer Bruch der Regeln vor. Sonst hätte man uns disqualifiziert."
Gehen wir einmal davon aus, das stimmt. Dann muss man sich zwei Fragen stellen: Wenn alles legal war, warum hat Ferrari dann über den Winter überhaupt einen komplett neuen Motor samt Turbolader und MGU-H gebaut? Die Überlegenheit war so groß, dass eine kontinuierliche Entwicklung auf einer exzellenten und nach Aussage von Ferrari legalen Basis mit weniger Risiken behaftet gewesen wäre.
Und selbst wenn Ferrari jetzt behaupten würde, noch einmal einen großen Schritt geplant zu haben, warum hat man dann nicht nach den Testfahrten reagiert? Da war das Ausmaß des PS-Verlusts und des Rückstands auf die Konkurrenz bereits abzusehen.
Wäre der 2019er Motor legal gewesen, hätte man ja durchaus auf einige seiner guten Features zurückgreifen können. Es nicht getan zu haben ist praktisch ein Eingeständnis dafür, dass man damit nie mehr durchgekommen wäre. Weil es in den Augen der FIA nicht regelkonform war und ist.
Zwei Jahre in falsche Richtung entwickelt
Es gibt noch eine weitere Ungereimtheit. Nach der Absage von Melbourne ging das Entwicklungsfenster noch einmal für 110 Tage auf, weil die für den Saisonauftakt versiegelten Motoren offiziell nie im System waren. Mercedes und Honda haben die Zeit für Nachbesserungen genutzt. Ferrari nicht.
Das lässt zwei Schlüsse zu. Der Umfang der notwendigen Entwicklungsschritte ist zu groß, als dass man das in drei Monaten abzüglich sechs Wochen Fabrikschließung hätte schaffen können. Und Ferraris Motoreningenieure haben im Moment gar keinen rechten Plan, wie das Problem zu lösen ist.
Im Winter haben sie die Lösung auf jeden Fall noch nicht gehabt. Ein Indiz dafür wäre, dass Ferrari kein Veto gegen den Entwicklungsstopp bei den Motoren eingelegt hat. Diese Sparmaßnahme betraf nur die vier Hersteller, nicht die Teams. Die Möglichkeit, einmal im Rest des Jahres zu reagieren, hätte weder Mercedes, noch Renault und Honda aus der Bahn geworfen.
Die Theorie der Gegner sieht so aus: Wer sich zwei Jahre lang darauf verlassen kann, mit illegalen Methoden Leistung zu gewinnen, der vergisst am Ende, wie man legal Leistung gewinnt. Lasst es uns etwas höflicher formulieren. Ferrari wird vorgeworfen, seinen Leistungsvorsprung der letzten beiden Jahre dadurch gewonnen zu haben, dass man in bestimmten Situationen mehr Benzin eingespritzt hat als die erlaubten 100 Kilogramm pro Stunde.
2018 soll das dadurch passiert sein, dass man hinter dem Durchflussmengensensor im Leitungssystem einen Akkumulator installiert hatte, in dem Kraftstoff für die entscheidenden Momente gebunkert wurde.
Als andere Motorenhersteller diesen Trick in der Grauzone des Reglements kopierten, mauerte die FIA dieses Schlupfloch durch eine Regeländerung zu. Es wurde genau spezifiziert, wie viel Benzin hinter der Messstelle bereitgehalten werden durfte, um den zuverlässigen Betrieb des Motors zu garantieren.
Im letzten Jahr soll Ferrari den Durchflussmengensensor durch gezielte Störungen des Messsignals ausgetrickst haben. Der Motor bekam mehr Sprit als erlaubt, während der Sensor meldete: Alles im grünen Bereich.
Dafür musste man im Rennen mehr Benzin im Tank verstauen als angegeben. Als Ferrari in Abu Dhabi 2019 erwischt wurde, weil sich zwischen Tankfüllung und Datenblatt eine Differenz von 6,6 Litern ergab, sahen sich die Gegner ein weiteres Mal in ihrem Verdacht bestätigt. Ferrari argumentierte mit Messfehlern.
Effizienz-Defizit aufholen
Nehmen wir einmal an, Ferrari hätte wirklich die 100 kg/h-Regel geknackt, mit welchen Tricks auch immer. Dann wäre es nur logisch, dass die Ingenieure den Motor in eine komplett andere Richtung entwickeln als bei einem regelkonformen Betrieb.
Dabei kann man nur Fortschritte erzielen, wenn man effizienter verbrennt. Also gleiche Leistung bei weniger Benzinverbrauch, oder mehr Power beim gleichem Spritkonsum. Es kommt am Ende aufs Gleiche raus. Im Rennen wird man die erste Variante wählen, weil es Gewichtsvorteile bringt, im Power-Modus für die Qualifikation die zweite, weil da nur Rundenzeit zählt.
Wer den Zauberstab hat, mehr zu verbrennen, bekommt die Leistung quasi gratis. Der muss sich um Effizienz nicht kümmern und Brennräume, Verbrennung und Turboladerabstimmung auf einen möglichst geringen spezifischen Verbrauch optimieren. Der macht eher das Gegenteil.
In diesem Fall hätte Ferrari zwei Jahre legale Motorenentwicklung verschlafen. Das wäre bitter. Jeder weiß, wie rasant sich die Technik in zwei Jahren entwickelt. Das holt man nicht einfach so mit einem Upgrade über den nächsten Winter auf.
Ferrari verlor am Red Bull-Ring eine Sekunde auf die Konkurrenz. Einen Großteil davon auf den Geraden. Und davon wiederum einen Großteil wegen des Motors. Dieser Rückstand wird Ferrari bleiben. Nicht nur wegen des Entwicklungsstopps bis Ende der Saison.
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