Was lange währt, wird endlich gut.
Nachdem ich ungefähr 17x kurz davor war die PC-Version zu kaufen (weil sind wir ehrlich: warten sucked), habe ich nun endlich die PS5-Version durchgezockt.
Damit wir hier mal gleich die Fronten klären: Disco Elysium ist eines der besten Spiele, die ich je gezockt habe (nein, heißt nicht zwingend Top10...es gibt viele tolle Spiele)...neben Returnal auch absolut das Highlight für mich bisher dieses Jahr (und ich finde MH Rise genial und Hitman 3 den Höhepunkt der Reihe...das hat also schon Gewicht).
Disco Elysium ist eine sehr eigenwillige Erfahrung - Pen and Paper für die Konsole. Ist eine echte Erfahrung, die ich nur jedem ans Herzen legen kann, der genremäßig auch nur irgendetwas mit alten Point and Click Adventures, Visual Novels, unorthodoxen RPGs und Ähnlichem etwas anfangen kann - einfach zumindest in einem Sale (ist gerade übrigens zumindest im PSN-Store im Sale, aber auf welcher Plattform man das spielt ist eigentlich egal - das wird in Zukunft auch auf der Switch seine Qualitäten ausspielen) dem Ding eine Chance geben wenn man mit irgendwas davon etwas anfangen kann.
Disco Elysium ist deine Geschichte oder besser gesagt, die Geschichte deines Charakters, aber nicht nur, sondern auch die Geschichte eines jeden einzelnen Charakters, den du in dieser Welt ansprechen kannst. Ganz anders und doch ganz eigen, aber spielt am Ende dennoch in der Hinsicht ähnlich mit deinen Emotionen wie es sonst fast nur ein Yakuza kann (ja ein eigenwilliger Vergleich, ich weiß). Und es ist ganz eigen, ganz seltsam mit den Dingen, die das Spiel bei dir erreicht: Ein zutiefst politisches Spiel, deren zutiefst politische Charaktere du nicht nach der politischen Einstellung beurteilst oder verurteilst - etwas das in unserer immer mehr gespaltenen Gesellschaft ja durchaus auch Thema ist. Zumindest ich konnte mich dagegen nicht wehren, denn am Ende war ein sturer, verbitterter Monarchist namens Rene Arnoux (nein, nicht der ehemalige Formel1-Fahrer) einer meiner Lieblingscharaktere und seine Einstellung selbst verkommt fast zur Randnotiz und ich weiß nicht ob es jedem so ging, aber ich vermute, das ist ein bisschen so gewollt.
Disco Elysium ist ein RPG in dem du alles falsch machen kannst, aber irgendwie auch nichts falsch machen kannst. Du kannst es spielen wie du willst und es schafft das, was so gut wie kein RPG heute wirklich schafft: Min-Maxing wird dir egal...wenn du einen Skillpunkt verteilen kannst, fragst du dich nicht welche Dialogoption du damit vielleicht überwinden kannst, weil mit jeder Stunde mehr der Wunsch in dir größer wird einfach einen Charakter zu basteln, deinen Charakter. Mein Harrier du Bois bekommt eben noch einen 8. Punkt in Inland Empire spendiert, auch wenn einer in Perception maybe sinnvoller wäre. Allein, dass das Spiel das schafft, verdient auch designtechnisch Respekt. Und es ist noch so viel mehr, man könnte Essays über Atmo und ja selbst literarische Leistungen des Games schreiben - es lohnt ja allein schon wegen dem Writing in Shivers Punkte zu versenken.
Natürlich muss man in diesem Spiel viel lesen und manchmal erwischt man sich dabei, dass man einen Absatz eines Enzyklopädie-Erfolgs nur überfliegt, aber wenn man das Spiel durch hat, wünscht man sich mehr, mehr von allem. Dein eigener Char ist ein von der Liebe oder vom Leben (das geht ja häufig Hand in Hand wie viele von uns wissen) gebrochener Cop, der eines Morgens sein Gedächtnis verliert und dennoch einen Mordfall untersucht...und dabei die unterschiedlichsten Figuren trifft, die man sich nur vorstellen kann. NPCs, die oft gar nicht so viel Text haben, eigentlich keine große Rolle in dem Game spielen, die dir dann aber dennoch das Gefühl geben, dass du sie fast besser kannst als viele Bekannte aus deinem Leben, die du fast als Freunde bezeichnest. Das ist oft zwar überzeichnet, wie bei einem der besten Charaktere wie ich finde (und glaube werde nicht allein sein), aber dennoch nicht weniger effektiv: meine natürlich Idiot Doom Spiral....er hat nur seinen Wohnungsschlüssel verloren...die Folgen waren fatal: Surreal und gleichzeitig sehr real. Kleinigkeiten können dich häufig runterziehen, ein Ereignis dich lange verfolgen...es wirkt lächerlich, aber doch greifbar und begreifbar.
Es ist eine Erfahrung, die jeder anders beurteilen und gar verstehen wird und genau das ist die Stärke des Titels. Es ist auch eines dieser Spiele bei denen du dich fragst, ob das Ende befriedigend wird, mit einem Bang aufhört und ohne zu spoilern: Das tut es nicht so wirklich und dennoch lässt es dich nachdenklich zurück. Darüber was du durch deine Entscheidungen verpasst hast und darüber was deine Entscheidungen bedeuten.
Mein Harry du Bois war jemand der versuchte aufzuhören zu trinken und Drogen zu nehmen, es aber nicht ganz lassen konnte, jemand der Selbstbewusstsein hatte, aber seine Fehler kannte, jemand der mal langweilig, mal Disco, mal Kommunist, mal liberal war...der nicht immer loslassen kann, aber versucht besser zu sein. Kompliziert, nicht zweidimensional. Und deiner?
