Destiny - oder: Wie Planwirtschaft die Kreativität knebelt
Das war schon seltsam, oder? Da relativiert die PR von Bungie bereits im Vorfeld mögliche schlechte Tests zu Destiny. Dabei sind doch alle so stolz auf das Science-Fiction-Abenteuer. Und dabei müsste doch gerade dieses Mammutprojekt für ein dickeres Fell sorgen.
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Community-Manager David Dague betonte, dass man die „beste Erfahrung“ erst auf vollen Servern und ab Level 20 mit „Endgame-Raids“ erleben würde. Mal abgesehen davon, dass man als professioneller Tester von Multiplayer-Action ohnehin etwas länger als fünf Minuten ballert: Die Argumente sagen viel darüber aus, wie unwichtig das eigentliche Spieldesign ist.
Hier werden nicht Story, KI oder kreative Inhalte genannt, die man berücksichtigen müsse, um die Qualität zu erkennen – sondern Mitspieler und Stufen.
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Woher kommt diese Unruhe? Warum verlässt Design Director Joseph Staten ein Studio mit dieser Perspektive im September 2013? Warum feuert man den renommierten Halo-Komponisten Martin O’Donnel im April 2014? Moment: Diese Fragen führen vielleicht auf die falsche Fährte. Eine vage PR-Aussage hier oder personelle Abgänge da – so etwas passiert eben in der schnelllebigen Spielebranche.
Aber wenn man sich nochmal die Vertragsinhalte zwischen Bungie und Activision anschaut, die im Rahmen des Rechtsstreits zwischen Activision und EA im Mai 2012 öffentlich wurden (wir berichteten), und wenn man davon ausgeht, dass dieser Vertrag nicht in wesentlichen Bereichen nachträglich aktualisiert wurde, wird die spielepolitische Unsicherheit vielleicht greifbarer.
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Bungie eine Bonusprämie von 25 Millionen Dollar einstreicht, wenn man bei gamerankings.com einen Wertungs-Schnitt von 90% für Destiny erreicht. Da kann man sich schlechte Presse im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten.
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Activision kann z.B. den Vertrag mit den Entwicklern auflösen, wenn das Spiel innerhalb der ersten sechs Monate nicht fünf Millionen mal verkauft wird – nicht an den Handel, sondern an den Endkunden. Da muss die Qualität stimmen. Da muss Begeisterung her, und zwar weltweit, damit das Spiel in die Charts stürmt.
Und dazu gehören Rekordnachrichten, die natürlich auch für Begehrlichkeit sorgen sollen: Bisher scheint man im Soll, denn Activision spricht von 500 Millionen Dollar Umsatz am ersten Tag.
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In diesem millionenschweren Kontext versteht man die vorbeugende Desavouierung von frühen und kritischen Tests unter 90% vielleicht etwas besser, denn die zehn Jahre sind gar nicht so sicher wie man meint. Mir geht es hier nicht um guter Entwickler hier, böser Publisher da. Schließlich hat Bungie den Exklusivvertrag 2010 unterschrieben und verdient ordentlich mit – je nach Zielerreichung 20 bis 35 Prozent des operativen Einkommens von Destiny.
Mir geht es um ein für die Spielkultur kontraproduktives System, das fast wie in einer Planwirtschaft mit strengen Vorgaben die Kreativität knebelt.
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Übrigens gibt es kaum Alternativen für Bungie, kaum Platz für kleine Spieleprojekte am Rande: Laut dem Vertrag darf man erst dann mehr als fünf Prozent der Angestellten an eigene Entwicklungen setzen, etwa an ein weiteres Marathon (1994), wenn man mindestens 375 Millionen Dollar mit Destiny erwirtschaftet hat.
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Und gerade Bungie hätte nach einem Epos wie Halo das Potenzial gehabt, ein wirklich großes Abenteuer zu inszenieren, um neben Rockstar, Naughty Dog & Co ein weiterer Motor für faszinierende Triple-A-Spiele zu sein. Stattdessen lässt man sich auf ein Online-Korsett ein, hinter dem nicht in erster Linie eine spielerische Vision, sondern wirtschaftliche Absicherung steckt. Gerade diese Fixierung auf Multiplayer führt zu künstlichen Beschränkungen im Spieldesign, was Storytelling und künstliche Intelligenz angeht. Ich mag Science-Fiction, ich mag auch das Artdesign von Destiny. Aber es ist erstaunlich, wie schnell man unter dieser Oberfläche gewöhnliche Action erlebt, die viele faule Kompromisse eingeht - fünf Redakteure haben sich Destiny bisher angeschaut, alle sind vom Spieldesign auf ihre Art ernüchtert. Der Tenor bisher: "Ja, kann man mal spielen." Darunter sind übrigens nicht wenige, die für Halo oder Borderlands schwärmen.
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Und wenn jemand von Bungie auf dem langen Weg ins Jahr 2024 die Lust am Spieldesign verliert? Auch daran hat der Vertrag gedacht: Sollten innerhalb von zwölf Monaten mehr als ein Drittel der wichtigen Entwickler kündigen, wird das als „kritisches Risiko“ bewertet. Bungie muss dann umgehend einen Plan vorlegen, wie man trotzdem die Meilensteine erreichen will – andernfalls wird man vertragsbrüchig. Activision will alles unter Kontrolle haben – und zwar bis zum letzten Dollar. Das ist bei einem Projekt dieser Größenordnung durchaus verständlich.
Nur die Faszination da draußen, die lässt sich nicht kontrollieren.
Schon gar nicht über ein Jahrzehnt.