Wen es so einfach währe, währe Mariupol schon vor Monaten gefallen. Das einzige was man mit der Bombardierung des Stahlwerks erreicht hat, ist dieses in Trümmer zu legen und so den Verteidigern mehr Deckung zu liefern, wen Sie die Katakomben verlassen und sich selbst den Angriff zu erschweren, da die Trümmer eine koordinierte Attzacke und Sturm nahezu unmöglich macht.
Gegen gut eingegrabene und verschanzte Infantrie ist Artelerie oder Luftangriffe bekanntlich wenig effektiv.
Ein kritischer Faktor sind natürlich Voräte an Munition, Nahrung und Medikamente.
Aber da die Zivilisten jetzt raus sind, sind vielleicht wieder ausreichend für die nächste Zeit vorhanden.
Ich bleib dabei, das Mariupol und das Stahlwerk immer mehr zum Alamo der Ukraine wird.
Das Stahlwerk mit seinen Tunneln ist ein relativ guter Schutz vor Artillerie und schwer (nur mit hohen Verlusten) einnehmbar, die Russen werden sich hüten da reinzugehen.
Aber wenn völlig von der feindlichen Armee eingeschlossen ist das Stahlwerk auch ne beschissene Falle für die Insassen. Selinsky könnte die Russen in Mariupol angreifen und die Soldaten dann einen Ausbruch wagen, aber scheinbar hat man keine Hoffnung auf Erfolg oder denkt der Preis wäre zu hoch.
Ich kann auch nur schreiben was ich lese und das klingt für die eingeschlossenen nicht gut, hoffnungslos wenn von außen keine Hilfe kommt oder die Russen sie ins Ausland abziehen lassen (was kaum zu erwarten ist). Sie könnten sich ergeben und dann halt als Kriegsgefangene überleben, wenn man den Russen noch so weit trauen kann, dass sie Soldaten leben lassen, die die Waffen niederlegen.
Die als Nationalisten bekannten Asowsoldaten sind halt auch ne Trophäe für Putin, einer der Kriegsvorwände, an deren Stelle würde ich auch nicht gerne in russischer Hand sein. Es ist ne menschliche Tragödie was sich da in diesem Stahlwerk abspielt.
Seit Wochen verteidigen Kämpfer des Asow-Regiments das Stahlwerk von Mariupol. Viele Zivilisten konnten inzwischen evakuiert werden, doch für die Kämpfer gibt es wenig Hoffnung. Ihre Angehörigen berichten von großer Verzweiflung. Von R. Barth.
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Doch jetzt sieht die Welt zu, wie die schätzungsweise 2500 ukrainischen Soldaten in den Bunkern des Asow-Stahlwerks langsam sterben. Wie sie immer dünner werden und ihre Haut immer gelber. Weil sie kaum mehr Nahrung haben, kein Trinkwasser, keine Medikamente. "Es gibt Pilzbefall in den Kellern. Sie haben seit zwei Monaten nicht geduscht", sagt Prokopenko.
Verletzte sterben an Wundbrand. Auch ihre Körper liegen in den Kellern, manche schon seit zwei Monaten. Die Kühlschränke würden nicht mehr funktionieren, sagt Prokopenko.
Ausmaß der Zustände kaum vorstellbar
Wie viele Soldaten tot oder verletzt sind, wollten die Asow-Vertreter bei einer Online-Pressekonferenz am Sonntag nicht sagen. Aber wie schlimm die Zustände in den Bunkern tatsächlich sind, können Angehörige wie Olga erahnen.
Ihr Mann habe sich verändert, sagt sie. Vor wenigen Wochen klang er noch positiv. "Er schrieb, ich solle mir keine Sorgen machen, alles werde gut." Aber seit ein paar Tagen schickt er ihr andere Nachrichten. "Die einzige Hoffnung, die wir haben, seid ihr. Bitte macht etwas, damit diese Hölle aufhört."
Wurden alle Zivilisten gerettet?
Bisher aber konnten nur Zivilisten aus dieser Hölle gerettet werden.
"Der Befehl des Präsidenten ist erfüllt", gab die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk nach der letzten Rettungsaktion von Zivilisten aus dem umkämpften Stahlwerk an.
Doch ob tatsächlich alle Menschen gerettet werden konnten, wollen die Soldaten nicht bestätigen. Dafür ist das Gelände zu groß. Auch sie haben keine Möglichkeit, jeden einzelnen Keller zu durchsuchen.
Der Beschuss hört nicht auf
Gleichzeitig scheint der Dauerbeschuss nicht aufzuhören. Das schreibt auch Marynas Mann. "Wir sind unter Artilleriebeschuss. Überall Einschläge. Viele Tote und Verletzte."
"Mein Gott, was tun?", schreibt sie zurück. Keine Antwort. "Mein Schatz." Keine Antwort. Alle drei Stunden schickt sie eine kurze Nachricht. Bis in die späten Abendstunden. Keine Antwort.
Erst viel später gibt es wieder Netz. Dann schickt er manchmal Fotos. Sie zeigen Hunde und Katzen zwischen den Lagern der Soldaten. Manchmal zeigen sie Verletzungen von Kameraden.
Irgendwann schreibt er: "
Die Hunde fressen die Toten. Die Jungs liegen beim Eingang. Die anderen überall verstreut. Wir haben Mykola gefunden, können ihn gerade nicht holen." "Lebt er?" "Nein."
Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Kritik an der Regierung
Die Kritik an der ukrainischen Regierung wird mit jeder Stunde, die die Männer näher an ihren Tod rücken, unverhohlener. "Schade, dass uns ständig gesagt wird: 'Morgen helfen wir euch!' So war es im März, im April und im Mai", sagt der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments Swjatoslaw Palamar.
Passiert sei jedoch nichts. Man sei alleingelassen worden. Die ukrainische Regierung hat sich bisher nicht zu diesen Vorwürfen geäußert.
Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt an, militärisch könne man den Männern nicht mehr helfen. Diplomatisch versuche er alles. Und Präsidentenberater Oleksij Arestowytsch wird bei seiner allabendlichen Diskussion mit dem russischen Anwalt Mark Feygin ausfällig: "Diese ganzen scheiß, ehrenlosen Wichser, die über das Thema spekulieren. Die meinen, es gäbe eine militärische Lösung, aber die Regierung wolle nicht!", flucht er.
Dramatischer Appell verhallt
Es ist heute knapp drei Wochen her, dass Serhij Wolyna, Kommandeur der 36. Marineinfanteriebrigade, erstmals in einem dramatischen Appell die Evakuierung in einen Drittstaat forderte. Doch schon damals habe es kaum Hoffnung für die Männer gegeben, sagen manche.
Russland werde nicht akzeptieren, dass ukrainische Kämpfer vor ihren Augen ausgeflogen werden, meint der Militärhistoriker Sönke Neitzel gegenüber dem "Spiegel". Er glaube nicht, dass Russland ein Zeichen der Humanität setzen wolle.
Und so steht Wolyna mittlerweile die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Er ist gerade 30 Jahre alt, verheiratet, hat einen kleinen Sohn.
Aus den Bunkern des Stahlwerks heraus ändert er immer wieder sein Facebook-Profilbild. Die Bilder zeigen keinen Soldaten, sie zeigen einen Familienmenschen. Wolyna mit Frau, mit Sohn, alle zusammen irgendwo am Meer. Es sind Bilder aus einer anderen Zeit.
"Reality-Show aus der Hölle"
Die Nachrichten, die er aus dem Stahlwerk schickt, klingen immer ohnmächtiger. "Wie es mir geht?", schreibt er vor wenigen Tagen auf Instagram. "Es scheint, als befände ich mich in einer Reality-Show aus der Hölle, in der wir ums Überleben kämpfen und die ganze Welt nur eine interessante Geschichte sieht. Aber das hier ist kein Film und wir keine fiktiven Charaktere. Das ist das wahre Leben. Schmerz, Leid, Hunger, Qual, Tränen, Angst, Tod - alles echt!"
Als Wolyna diese Worte schreibt, stirbt irgendwo in Asowstahl Olgas Mann. Er ist einer von drei Soldaten, die die Rettung der angeblich letzten Zivilisten aus den Bunkern nicht überleben. Maryna hat seit Wochen kein Lebenszeichen von ihrem Mann erhalten. Kateryna nur das allmorgendliche: "Wir halten durch." Und: "Ich liebe dich."