Die US-Regierung will Forschungen zu den Langzeitfolgen von Corona-Infektionen vorantreiben. Präsident Joe Biden gab dem Gesundheitsministerium den Auftrag, die landesweiten Forschungen zu Long Covid zu koordinieren, die auf bereits bestehenden Studien der US-Gesundheitsbehörde NIH aufbauen.
Die zuständigen Bundesbehörden rief Biden auf, sicherzustellen, dass Patientinnen und Ärzte bei den Behandlungsmöglichkeiten von Long Covid immer auf dem neuesten Stand seien. Außerdem müsse garantiert werden, dass die Versicherungen die langwierigen Behandlungen weiter zahlten und dass auch am Arbeitsplatz Rücksicht auf die Rechte langzeiterkrankter Arbeitnehmer genommen werde.
Long Covid ist ein Sammelbegriff für Langzeitfolgen einer Corona-Infektion, die oft sehr unterschiedlich aussehen können. Groben Schätzungen zufolge hat jeder dritte Genese länger Beschwerden. Wie schwer sie ausfallen und wie lange sie andauern, variiert aber sehr. Über die genauen Ursachen von Long Covid weiß man trotz intensiver Forschungen noch relativ wenig.
Infektiologe Spinner sieht Übergang zur Endemie
Der Infektiologe Christoph Spinner aus München hat in den vergangenen zwei Jahren wiederholt vor der Gefährlichkeit des Coronavirus gewarnt. Seine Sicht auf das Infektionsgeschehen hat sich nun verändert. "Seit Beginn der Omikron-Situation sehen wir eine viel weniger schwere Erkrankungsvariante. Durch den deutlich gestiegenen Impfschutz in der Allgemeinbevölkerung wurde das Risiko zusätzlich reduziert, und deshalb gibt es ein neues Bild der Pandemie, wir stehen am Übergang zur Endemie", sagte er BR24.
Dadurch komme der Infektionsvermeidung – zumindest in den Nicht-Risiko-Gruppen – keine so entscheidende Rolle mehr zu. "Deshalb ist es aus meiner Sicht mehr als folgerichtig, behördlich angeordnete Isolation und Quarantäne zurückzunehmen.
Das heißt aber natürlich nicht, dass es als kranker Mensch nicht sinnvoll wäre, sich aus der Öffentlichkeit fernzuhalten", fügt Spinner hinzu.
Mehr als 88.000 Neuinfektionen in Italien
Die italienischen Gesundheitsbehörden haben in den vergangenen 24 Stunden 88.173 Neuinfektionen mit dem Coronavirus erfasst. Hinzu kommen demnach 194 Todesfälle in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion.
Lauterbach verteidigt Lockerungen bei Isolationspflichten
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat das weitgehende Ende amtlich angeordneter Isolationspflichten für Corona-Infizierte gegen Kritik verteidigt. "Das hat nichts mit der Frage zu tun, öffnen wir mehr oder weniger", sagte der SPD-Politiker. Es gehe um "eine technische Verbesserung, die den Gesundheitsämtern mehr Möglichkeiten geben wird, die Pandemie zu bewältigen".
Bei den derzeit hohen Fallzahlen kämen Anordnungen sehr oft unvollständig oder zu spät, wenn die Quarantäne schon abgelaufen sei. Ziel sei, die Arbeit der Ämter auf die Bereiche zu konzentrieren, auf die es jetzt ankomme, erläuterte Lauterbach. So sollten die Kräfte gebündelt werden, um zumindest die besonders wichtige Isolation von infizierten Beschäftigten im Gesundheitswesen sicherzustellen. Dies schütze besonders verletzliche Gruppen.
Dazu komme, dass wegen der Routine mit Quarantäne-Benachrichtigungen viele Ämter vorbeugende Aufgaben der Pandemiebekämpfung nicht mehr wahrnehmen könnten - etwa die Identifikation großer Corona-Ausbrüche oder von Infektionsketten. Dies zu beheben, sei der Grund für die Änderungen, sagte Lauterbach. "Hier geht es einzig und allein darum, die total überlasteten Gesundheitsämter so neu zu strukturieren, dass sie die Arbeit machen können, die jetzt am wichtigsten ist."
Immunologe Watzl sieht das Ende der Isolationspflicht kritisch
Das geplante Ende der Isolations-und Quarantänepflicht für die meisten Corona-Infizierten hält der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, für eine paradoxe Entscheidung. Statt wie erhofft Personalausfälle zu vermeiden, würden vermehrt infizierte Personen zur Arbeit kommen und andere anstecken. "Die Anzahl der Infektionen wird also steigen. Damit wird aber auch die Anzahl der Erkrankungen steigen, mit der dann wieder Personal ausfällt", sagte der Immunologe der Nachrichtenagentur dpa.
Bei vielen Menschen komme zudem die Nachricht an, dass man trotz einer Infektion weiter am öffentlichen Leben teilnehmen könne. Dass es immer noch "dringend empfohlen" sei, sich zu isolieren, werde in der Kommunikation wohl untergehen. "
Ich hatte mir eigentlich erhofft, dass wir durch die Corona-Pandemie gelernt hätten, dass es nicht ok ist, wenn man mit einer ansteckenden Erkrankung weiter zur Arbeit kommt", sagte Watzl. So eine falsche Verhaltensweise werde jetzt wieder unterstützt, die Entscheidung gehe daher in die falsche Richtung.
Minister Thümler warnt vor Long-Covid-Welle
Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) warnt vor rasant ansteigenden Zahlen von Long-Covid-Erkrankungen. Die bundesweiten Lockerungen der Corona-Vorschriften kämen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Infektionszahlen weiterhin hoch seien, sagte er in Hannover. Rund 20 Prozent der an Corona erkrankten Menschen litten unter Langzeitfolgen. "Die Long-Covid-Welle hat ihren Scheitelpunkt noch lange nicht erreicht."
Nötig seien neue Erkenntnisse über dieses bisher sehr diffuse Krankheitsbild, um Betroffenen zu helfen, sagte er. Über den Forschungsbedarf habe sich der interdisziplinäre Expertenkreis Long-Covid seines Ministeriums ausgetauscht, erläuterte Thümler. Ziel müsse es demnach vor allem sein, vorhandene Diagnosedaten mit der Forschung zu verknüpfen, um konkrete Rückschlüsse für die Verbesserung der Versorgung zu ermöglichen.
Grünen-Experte: Corona-Isolationsregeln sollten weiter gelten
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen hat vor einem Ende von Quarantänevorgaben in der Corona-Krise gewarnt. "Isolationsregeln sollten bei einer Corona-Infektion weiterhin gelten", sagte der Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur dpa. "Weil viele Schutzmaßnahmen wie das verpflichtende Maskentragen nun gestrichen wurden, ist die Gefahr einer Ansteckung deutlich gestiegen." Kapazitätsprobleme in Gesundheitsämtern dürften nicht dazu führen, dass sich Infizierte und erkrankte Menschen nicht mehr in eine medizinisch weiter sinnvolle und erforderliche Isolation begeben.
Dahmen sagte: "Die Abschaffung der Quarantänepflicht erweckt den falschen Eindruck, dass eine Virusweitergabe medizinisch unproblematisch sei."
Sozialverband und Patientenschützer: Risikogruppen gefährdet
Der Sozialverband VdK und die Deutsche Stiftung Patientenschutz üben heftige Kritik am geplanten Wegfall der Isolationspflicht für Corona-Infizierte.
"Der Schutz der Risikogruppen spielt für die Politik offenbar überhaupt keine Rolle mehr", sagte VdK-Präsidentein Verena Bentele in Berlin. Sie forderte weiter Mindestschutzmaßnahmen für vulnerable Personen.
"Sehr alte Menschen, Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranke haben zu Recht große Sorge vor einer Ansteckung mit Corona", sagte Bentele. Sie seien weiterhin durch einen schweren Verlauf akut gefährdet und auf Solidarität angewiesen. Viele von ihnen sowie ihre Angehörigen müssten sich ab Mai noch weiter einschränken und isolieren. "Es wird dann auch immer wahrscheinlicher, dass das Virus doch in Pflegeeinrichtungen hineingetragen wird. Diese Politik gefährdet Menschenleben", kritisierte die VdK-Präsidentin.
Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sieht große Gefahren für alte, kranke und behinderte Bürger. "Für die Hochrisikogruppe wird es immer gefährlicher. Diese Menschen leben mitten unter uns", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Brysch warf den Gesundheitsministern eine widersprüchliche Politik vor. "
Auf der einen Seite die Mahnung vor der Ansteckung mit Corona. Die täglich transportierte Angst vor Leiden, Sterben und einem unkontrollierbaren Herbst." Und jetzt werde die Isolation abgeschafft: "Gleich den Corona-Leugnern wird die Infektion verharmlost", kritisierte der Patientenschützer.