Das Problem am Gewinnspielvergleich ist, dass man ein Gewinnspiel (üblicherweise) nicht basierend auf moralischen Vorstellungen auswählt.
Die Gewinnspielanalogie hat gezeigt, dass keine Entscheidung, die sich an der Maximierung eines Erwartungswertes* orientiert, irgendwelche Werte verändert. Ob es dabei um die Maximierung des Erwartungswertes eines monetären Gewinns oder der Anzahl geretteter Menschenleben geht, spielt für diese einfache Erkenntnis keine Rolle. Der Wert ist hier jeweils ein im voraus gesetzter, fixer Parameter, der die Entscheidung beeinflusst und nicht umgekehrt. Wurden die Werte wie in meiner Analogie oder durch das Grundgesetz genau gleich gesetzt, hängt die Entscheidung nach dem Erwartungswert logisch zwingend nur noch von der Wahrscheinlichkeit ab. Ich selektiere also bei einer Triage nach Wahrscheinlichkeit, weil jedes Menschenleben den gleichen Wert hat. D.h. die Gleichwertigkeit menschlichen Lebens wird durch das Selektionsprinzip nach Überlebenswahrscheinlichkeit nicht in Frage gestellt, sondern ist im Gegenteil seine
Voraussetzung. Und das gilt selbstverständlich auch in Deinem Zugbeispiel.
* Der Erwartungswert ist das Produkt von Wert und dessen Realisierungswahrscheinlichkeit
Nein, für die Gleichwertigkeit des Lebens brauchst du keine Begründung. Ich brauche eine Begründung, warum dir eine unsichere Prognose reicht, um eine solche Entscheidung zu treffen und inwiefern dies trotz dieser Unsicherheit moralisch vertretbar ist.
Weil die Selektion nach Überlebenswahrscheinlichkeit die Strategie ist, die unter der Annahme der Gleichwertigkeit, den höchsten Erwartungswert hat. Oder einfach ausgedrückt: Weil so auf lange Sicht am wenigsten Menschen sterben.
Ich fasse zusammen: im von mir genannten Beispiel würdest du den Ungeimpften behandeln und den Geimpften nicht, wenn der Ungeimpfte zuerst im Krankenhaus angekommen ist? Das halte ich für falsch.
Nein, bei gleicher Überlebenswahrscheinlichkeit würde ich wie gesagt ein Losverfahren befürworten. Die "Wer zu erst kommt mahlt zu erst Strategie" sollte Dir nur verdeutlichen, dass eine Strategie nicht automatisch besser ist, nur weil sie für Klarheit sorgt.
Und mit deinen Extrembeispielen blendest du gewisse Elemente meiner Forderung aus. Beispielsweise unterstellst du mir behauptet zu haben, dass Ungeimpfte prinzipiell nie behandelt werden sollten. Das war jedoch nie meine Aussage. Meine Forderung war sehr klar ausformuliert: knüpft den Impfverzicht an eine Verzichterklärung einer Behandlung im Falle einer Hospitalisierung. Wir haben in vielen Ländern bereits eine rechtliche Grundlagen für einen solchen Verzicht und sie findet in Bezug auf verschiedene Eingriffe bereits Anwendung. Mitglieder der Zeugen Jehovas sind bspw. bekannt dafür, dass sie auf Bluttransfusionen verzichten, wodurch Operationen, die zwingend eine Bluttransfusion erfordern, nicht durchgeführt werden dürfen. Diese Verzichterklärung wird grundsätzlich akzeptiert.
Die aktuelle Rechtslage sieht in Bezug auf diese Thematik aber bereits einige Ausnahmen vor. In einer Notsituation ist es den Ärzten so bspw. gestattet, über diese Verzichterklärung (bzw. eine mangelnde Einwilligung) hinwegzusehen. Und da meine Forderung exakt an diese bereits bestehenden rechtlichen Bedingungen knüpft, wäre damit deinen Extrembeispielen bereits Rechnung getragen.
Extrembeispiele sind in der Argumentationstechnik übliche Stresstests für moralische Prinzipien. Sich über den Test zu beschweren, gilt als guter Indikator, dass die Prinzipien versagt haben. Die Verzichterklärung lasse ich nicht als Ausrede gelten. Du hattest deutlich zu verstehen gegeben, dass es eine solche gar nicht braucht um jemanden von der Behandlung auszuschließen, würde es in einer idealen Welt nach Deiner Moralvorstellung gehen. Und es ist immer noch Deine Moral, die hier gerade auf dem Prüfstand steht und nicht irgendwelche juristischen Hilfskonstrukte, auf Du die notgedrungen zurückgreifen müsstest, um überhaupt eine realistische Chance zu haben, Deine Moral zumindest in Teilen rechtskonform zu implementieren. Also rede Dich nun auch nicht mit diesen heraus.
Ich habe nicht gesagt, dass es ausgeschlossen ist. Ich habe gesagt, dass es nicht vergleichbar ist mit der Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, weil das Bedürfnis kein grundlegendes Bedürfnis der meisten Menschen ist.
Doch, das hast Du ausgeschlossen:
Dass sexuelle Handlungen i.d.R. auf sexuellen Präferenzen basieren, schließt das Prinzip der Verantwortlichkeit keineswegs aus. Anderenfalls wäre es beispielsweise nicht möglich, nichtkonsensuelle sexuelle Handlungen zu sanktionieren.
Natürlich tut es das. Du vergleichst hier Äpfel mit Tomaten.
Mag sein, dass Du das nicht so gemeint hast, aber genau so hast Du es geschrieben. Irritierend finde ich auch, dass ich Dich hier noch darauf hingewiesen habe, dass Eigenverantwortung im Strafrecht von zentraler Bedeutung ist, Du nun aber glaubst, mich darauf hinweisen zu müssen, dass Eigenverantwortung im Strafrecht von zentraler Bedeutung ist:
Nochmal: du trägst in absolut jeder Lebenssituation die direkten Konsequenzen deines Handelns. Immer und überall. Die einzigen künstlich geschaffenen Konsequenzen sind Straftaten, da für diese eine Ahndung gefunden werden musste, damit der Gesellschaft keinen Schaden zugefügt wird. In diesen Bereichen ist die Situation mit dem eigenverantwortlichen Handeln aber btw. ebenfalls ein absolut zentrales Element der Bestrafung. Wir differenzieren nicht grundlos zwischen bspw. fahrlässiger Tötung und Mord. Auch wenn du bedroht wirst, dass du getötet wirst, wenn du X nicht ermordest, wirst du strafrechtlich kaum belangt werden können, weil die Tat nicht deine freie Entscheidung war. Für das Opfer ist die Situation die gleiche: es ist tot. Für den Täter ist es aber ein riesiger Unterschied, weil nur in einem Fall die Entscheidung voranging, jemanden zu töten.
Ich kann Dir immer schwerer folgen. Du hattest doch gefordert, dass Ungeimpfte unter bestimmten Umständen die direkten Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen sollen. Jetzt schreibst Du, dass man das sowieso immer und überall muss. Also entweder gibt es doch Umstände unter denen man sie nicht tragen muss, oder Du kannst keine direkten Konsequenzen gemeint haben, die Ungeimpfte tragen sollen. Tatsächlich forderst Du, wie schon ausgeführt, dass Ungeimpfte unter besagten Umständen die Konsequenzen Deiner Selektionsstrategie tragen sollen. Das ist nun ebenso "künstlich geschaffene" Konsequenz wie die strafrechtlichen Konsequenzen im Strafrecht. Dort irrst Du übrigens auch. Fahrlässige Tötung und Mord werden nicht nach dem Kriterium der Eigenverantwortlichkeit unterschieden. Für beide Straftaten ist Eigenverantwortlichkeit gleichermaßen notwendige Voraussetzung zur Feststellung von Schuld und damit der Strafbarkeit. Eigenverantwortlichkeit kann zwar durch massiven Zwang oder Unzurechnungsfähigkeit erheblich herabgesetzt oder sogar gänzlich ausgeschlossen sein. Da Homosexuelle im Iran aber weder unzurechnungsfähig sind noch massiv zum Sex gezwungen werden, ist diese Möglichkeit für den Vergleich schlicht irrelevant.
Ein junger, ungeimpfter ohne Impfung spielt hier aber keine Rolle, weil der gar nie in die Situation kommen wird, dass diese fehlende Einwilligung zur Behandlung zum Tragen käme. Wie bereits gesagt erfinde ich hier keine Rechtsnorm, sondern wende eine bestehende Rechtsnorm an.
Es versterben auch junge, gesunde ohne Impfung an Corona. Dass Du diesen Fakt ausblenden musst, sagt mir nur, dass Deine Moral mal wieder durch den Stresstest gefallen ist.