Das Team der weltweit anerkannten medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" hat mit Blick auf das US-Krisenmanagement während der aktuellen Corona-Pandemie den schwindenden Einfluss wissenschaftlicher Einrichtungen kritisiert. Das Editorial der britischen Zeitschrift erscheint dabei ungewöhnlich politisch.
Im Editorial wurde die US–Regierung aufgefordert, dem US–Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention (CDC) seine Befugnisse zurückzugeben.
Angefangen hat der Artikel mit der Tatsache, dass die Reaktionen einzelner US–Bundesstaaten auf COVID–19 weder einheitlich noch konsequent seien.
"Wie konnte eine Behörde, die sonst erste Anlaufstation für viele nationale Gesundheitsbehörden war, so schlecht vorbereitet sein, die öffentliche Gesundheit zu schützen?", heißt es dort. Die "US Centers for Disease Control and Prevention (CDC)", eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, wurde demnach kaum gehört, die Reaktionen der US-Politik auf die Ausbreitung des Coronavirus seien zusammenhanglos und widersprüchlich. Fehler werden sowohl aufseiten der Behörde, als auch der Politik gesehen.
Die CDC habe sich fälschlicherweise zunächst überzeugt gezeigt, dass man das Virus im Griff habe und darüber hinaus fehlerhafte Tests zur Verfügung gestellt. Doch leide die Behörde vor allem unter politischen Einschnitten. Während sie einerseits seit Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend an Einfluss gewonnen habe und ihre Forscherinnen und Forscher international anerkannt seien, habe die Behörde immer wieder unter Budget-Kürzungen und anderen Einschnitte durch republikanisch geführte Regierungen gelitten, so "The Lancet".
Aufgrund von Personalkürzungen sei seit Mitte 2019 kein Beschäftigter der Behörde mehr in China gewesen, was zu einem Wissens-Vakuum bei Ausbruch des Coronavirus geführt habe. Nachdem die Direktorin des "CDC’s National Center for Immunization and Respiratory Diseases" die Bürgerinnen und Bürger der USA im Februar vor Einschränkungen aufgrund des Virus gewarnt habe, sei diese zudem immer seltener bei Briefings im Weißen Haus zu sehen gewesen. Richtlinien der Behörde stelle die US-Regierung in Frage. Das habe deren Führungsrolle im Krisenmanagement während der Corona-Pandemie unterwandert.
"Die Regierung ist besessen von Wundermitteln", heißt es im Editorial. Dazu gehöre das Versprechen von Impfungen, neuen Medikamente oder die Hoffnung, dass das Virus einfach verschwinden werde. Dabei sei die USA weit entfernt davon, eine grundlegende Kontrolle über die Ausbreitung des Virus zu haben und ausreichend Testkapazitäten zur Verfügung stellen zu können. "Die CDC braucht einen Chef, der Führung zeigen kann ohne befürchten zu müssen, zum Schweigen gebracht zu werden, und der die technische Ausstattung hat, alle dafür notwendigen Anstrengungen zu unternehmen."
Das Editorial schließt mit einem indirekten Aufruf zu einem Regierungswechsel. "US-Bürgerinnen und -Bürger müssen im Januar 2021 einen Präsidenten ins Weiße Haus wählen, der versteht, dass die öffentliche Gesundheit nicht von Parteipolitik abhängen sollte."