Natürlich haben wir hier, anders als in den USA, keine absolute "Meinungsfreiheit", bzw. weniger Meinung als eine totale Laberfreiheit, weil es hier eben rein rechtlich Grenzen gibt, was du öffentlich über deinen Nachbarn oder den den Wirten oder eben deinen Bürgermeister sagen darfst.
Da wir die Meinungsfreiheit aber trotzdem für ein sehr hohes Gut halten, darfst du über den Bürgermeister sehr viel mehr sagen als über deinen Nachbarn, weil er freiwillig ein öffentliches Amt bekleidet und daher eine Person der Öffentlichkeit ist. Heißt, wenn du dich auf den Dorfplatz stellst und dann sagst, dass dein Nachbar ein Betrüger, Lügner und Vaterlandsverräter ist, hast du vermutlich sofort eine Geldstrafe. Ein Politiker muss sich prinzipiell mehr gefallen lassen aber auch das hat eine juristische Grenze und wo die ist, müssen Gerichte anhand von verschiedendsten Kriterien und Überlegungen im Einzelfall jeweils festlegen. Da wir aber gleichzeitig im Zweifelsfall für den Angeklagten entscheiden, muss man einen Politiker schon wirklich schlimme Sachen vorwerfen, damit man zu einer Strafe verurteilt wird.
Das war früher anders- in den 50ern oder gar in den 70ern gab es weniger Meinungsfreiheit als heute und da hat man noch leichter Gründe gefunden, wieso Majestätsbeleidigung eben doch indirekt bestraft werden konnte, teils unter recht wackeligen Konstruktionen. Man erinnere sich da auch noch an die Spiegelaffäre. Long Story Short: Der Politiker ist der, zusammen mit anderen Stars, rechtlich am wenigsten vor Beleidigungen, Vorwürfen, Unterstellungen und auch potentiellen Lügen geschützteste Bürger und musste sich potentiell nie mehr gefallen lassen als heute. Eine gute Sache, dass Reichelt hier freigesprochen wurde aber gleichzeitig wirklich kein Wunder, dass halt nur sehr wenige Leute heute noch Bock haben, Politiker zu werden, wenn man in Spitzenpositionen 70-80 Stunden arbeitet, dafür vgl. mit einem Wirtschaftsjob überwiegend eher so mittel verdient und dafür permanent von großen Teilen des Landes gehasst und beschimpft wird, völlig unabhängig davon, was man eigentlich tut.