Den Spielemarkt erobern längst Smartphones und Tablets, wer braucht also noch Sonys Playstation Vita? Hartgesottene Game-Fans wissen die Konsole im Kleinformat sicher zu schätzen - doch ein paar Dinge fehlen zum vollkommenen Gamer-Glück, wie unser Test zeigt.
Der erste Frust kommt kurz nach dem Einschalten. Kurz nachdem man die Verarbeitung bewundert, den Bildschirm bestaunt und sich über die gute Handhabung von Knöpfen und Sticks gefreut hat. Der Frust entsteht, wenn man spielen will und eine Fehlermeldung präsentiert bekommt. "Vor dem Start der Anwendung muss eine Speicherkarte eingesteckt werden". Ohne diese geht eigentlich nichts. Keine Spiele, keine Musik, keine Filme. Und die Speicherkarte ist nicht dabei im Paket.
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Ohne Sonys proprietäre Speicherkarte ist kaum Leben auf die Playstation Vita zu bringen. Sie kostet 250 oder 300 Euro, je nach Ausstattung, die Speicherkarte noch einmal zwischen 20 (4 GB) und 50 Euro (16 GB). Die Spielepreise bewegen sich zwischen 30 und 50 Euro, je nach Umfang und Hersteller. Nach der 2005 erschienenen Playstation Portable (PSP) ist die Vita der zweite Versuch des japanischen Konzerns, im Markt der tragbaren Spielkonsolen Fuß zu fassen. Der erste hat nicht so geklappt, wie man sich das vorgestellt hatte.
Eine der Konkurrenz weit überlegene Hardware und Spiele, die so aussehen wie auf der Wohnzimmerkonsole, sollten die Überlegenheit Nintendos im Handheldbereich brechen - auch weil man gegen die vermeintliche Kinderkonsole DS antrat. Die war weniger leistungsfähig, hatte ein damals merkwürdiges Gimmick namens Touchscreen und Spiele, die im direkten Vergleich schlecht aussahen. Zur Überraschung von Sony und vielen Marktbeobachtern aber verlor die PSP den Kampf. Während Nintendo mit dem DS und cleveren Spielen Verkaufsrekorde aufstellte, konnte sich die PSP mit ihrem Fokus auf bekannte Titel nie wirklich durchsetzen. Daran änderten auch diverse Neuauflagen nichts. Mal wurde die Konsole dünner, mal fiel das mit einem proprietären Disk-Format ausgestattete Laufwerk weg.
Der Markt wird von Emporkömmlingen aufgerollt: Smartphones
Diesmal sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start noch schwerer. Sony muss nicht nur die sehr guten Verkaufszahlen von Nintendos 3DS-Konsole einholen, sondern sich zudem in einem Markt bewähren, in dem iPhone, iPad und Android-Geräte zu Spielmaschinen geworden sind, die den anderen Handhelds stetig Marktanteile abnehmen. Erzielten diese Geräte vor zwei Jahren noch 19 Prozent der Einnahmen im Handheld-Bereich, so schätzen Experten diesen inzwischen auf 58 Prozent. Von 500 Millionen Dollar stiegen die Einnahmen auf 1,8 Milliarden Dollar, während die Einnahmen von Nintendo und Sony drastisch sanken. Es ist ein gewagter Schritt, in diesem Umfeld eine Konsole auf den Markt zu bringen, die sich hauptsächlich über das Spielen definiert. Doch genau das tut die Vita.
Für Spieler ist das ein Geschenk, denn das Gerät hat alles, was eine gute Spielkonsole ausmacht. Sie kann grafisch mit den aktuellen Heimkonsolen locker mithalten, hat - wichtig für viele Spiele - zwei kleine Analogsticks und gut zu erreichende Knöpfe. Der Bildschirm zeigt nicht nur brillante Bilder, sondern ist auch ein Multitouch-fähiger Touchscreen, auf der Rückseite ist ebenfalls ein Multitouchfeld angebracht. Spiele können also auch über Gesten gesteuert werden, wie bei "Katamari Damacy", wo aus einem Ball mit zwei Fingern eine Rolle oder ein Rad geformt werden kann. Zwei Kameralinsen auf jeder Seite des Gerätes und ein Mikrofon helfen bei der Kommunikation und die Internetanbindung ist ja nach Modell über W-Lan oder W-Lan plus 3G (UMTS) gelöst.
Wenn sie läuft, macht sie Spaß
Im Spieletest funktioniert die Konsole hervorragend. Einziges Manko: Ab und an verabschiedet sie sich aus dem Stand-by-Modus in den Tiefschlaf und kann nur noch durch einen Hardware-Reset wieder zum Laufen gebracht werden. Auch bei leerem Akku dauert es eine Weile, bis sie trotz Anschluss an die Stromversorgung wieder spielen will. Und die Ladezeiten der einzelnen Spiele oder Level sind zum Teil arg lang. Wenn sie aber läuft, macht sie Spaß: Die Urwälder und Höhlen des Abenteuerspiels "Uncharted: Golden Abyss" sehen großartig aus, die Steuerung funktioniert präzise und die Touchscreen-Elemente sind sinnvoll eingesetzt, bei "Wipeout 2048" lassen sich die schwerelosen Gleiter selbst bei hohen Geschwindigkeiten gut steuern und bei "Lumines" klingt die Musik so gut, wie das Spiel aussieht.
Weitere Funktionen der Konsole sind vor dem Verkaufsstart nicht zu testen. Der Playstion Store, in dem man die meisten Titel auch als Download kaufen kann, war noch nicht verfügbar. Die Nintendos "Streetpass" abgeschaute "Near"-Technik zum heimlichen Austausch von Spielegegenständen über eine drahtlose Verbindung wenn zwei Geräte sich zufällig auf der Straße treffen, wird erst dann relevant werden, wenn es ausreichend Geräte gibt, und Chatprogramme sind auch erst bei größerer Verbreitung der Konsole wichtig. Sonst ist ja schlicht niemand zum chatten da.
Remote play: Wenig mehr als ein Versprechen
Auch andere angekündigte Features sind noch nicht vorhanden oder schlecht nutzbar. "Remote Play" zum Beispiel, bei dem Spiele, Filme oder Musik auf einer verbundenen Playstation 3 abgespielt, aber auf der Vita gesteuert oder angezeigt werden, krankt an Unterstützung. Keines der getesteten PS3-Spiele wollte mit der Vita kooperieren, DVD und Blu-ray-Filme sind sogar ausdrücklich vom "Remote Play" ausgenommen. Einzig Fernsehen über playTV wurde auf der Vita problemlos angezeigt. Was schade ist, denn die Vorstellung, einfach im Bett noch den letzten Level eines Spieles fertig zu spielen, erscheint reizvoll. So aber ist es wenig mehr als ein Versprechen, von dem man noch nicht genau weiß, wann und ob es eingelöst wird.
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Wenig Spaß machte auch das Erneuern der Firmware, was im Zeitraum des Tests bereits zweimal stattgefunden hat und jeweils längere Downloads erforderte, weil selbst bei einer normalen Internetverbindung 95 MB Systemupdate rund 40 Minuten kosten kann. Wer eine Playstation 3 besitzt, kennt dieses Problem wahrscheinlich, denn auch hier kann es schon mal eine Stunde dauern, bis eine neue Version des Systems heruntergeladen wurde. Genau so langsam funktioniert übrigens der Spieledownload über den Playstation Store der Playstation 3 und die darauffolgende Übertragung auf die Vita. Hoffentlich schafft es Sony hier, bald schnellere Server zur Verfügung zu stellen, um den Frust zu minimieren. Der jetzige Zustand ist untragbar - gerade für eine tragbare Konsole.
Sony hat mit der Vita Mut bewiesen und sich gegen den Trend der Zeit gestellt: Das Gerät ist eine solide verarbeitete Spielemaschine, die alles hat, was Spieler brauchen - zum Beispiel eine vernünftige Art, auch anspruchsvolle Spiele zu steuern, was bei reinen Touchgeräten nur selten gut gelingt. Es ist ein Gerät, das hoffentlich die noch nicht eingelösten Versprechen bald mit Leben füllen kann. Schön, dass die Vita bereits zum Start ein umfangreiches Spieleangebot bietet - auch wenn das zum größten Teil aus bekannten Marken und Spielen besteht. Sie liefert nur eines nicht: Einen Grund, warum man sie unbedingt besitzen sollte, ein Alleinstellungsmerkmal, eine brillante Idee - wie sie Nintendo mit dem 3D-Bildschirm hatte.
Vita ist das Werk von Ingenieuren, die an alles gedacht haben, nur nicht daran, wie man das Gerät mit Leben füllen will. Und genau das könnte sie zur letzten ihrer Art machen. Zur letzten reinen Spielekonsole bevor Smartphones und Tablet-Computer endgültig den mobilen Spielemarkt übernehmen.