Jetzt kommt schon wieder diese Leier.
Ich persönlich bin froh, dass es so etwas wie den ÖR gibt, bei welchem eben Formate wie die von Böhmermann noch ungestört möglich sind. Wie es in der "freien" Wirtschaft um solche Formate stehen würde, hat man ja jüngst bei Jon Stewart gesehen.
Die für Apple TV+ produzierte Serie des US-Satirikers Jon Stewart findet wohl ein vorzeitiges Ende. Angeblich gab es "kreative Differenzen" mit Apple-Managern.
heise.de
Aber ich glaube das allgemeine Bashing gegen den ÖR gerade aus einer gewissen Ecke hat durchaus Kalkül. Man will eben keine wirklich freie Presse, sondern berechtigter Kritik einen Maulkorb anlegen. Gerade bei den Privaten ist man durch die Abhängigkeit von Werbekunden massiv gehandicapt, was die Themenwahl anbelangt, weil man vielen eigentlich höchst kritikwürdigen Unternehmen aufgrund der Abhängigkeit von diesen nicht auf's Dach steigen kann. Teils kommt es sogar noch ärger und man engagiert sogar die Schlimmsten der Schlimmsten aus der "freien" Wirtschaft für die eigenen Formate wie z.B. den Finanzbetrüger Carsten Maschmeyer, den man bei "Höhle der Löwen" allen ernstes als erfolgreichen Geschäftsmann präsentierte. Man stelle sich vor ähnlich berechtigte ätzende Kritik gegen die eigenen (Scripted) Reality-Formate wie damals bei Böhmermann, im speziellen Falle von Vera Int-Veen, vielleicht eine der ekligsten Gestalten der Privaten, würde man bei den Privaten bringen. Ein noch extremeres Beispiel ist da wohl der RedBull Kanal "Servus TV", wo man mit der Berichterstattung über Extremsport teils wortwörtlich über Leichen ging. Dort reichte es sogar, dass die Mitarbeiter sich gewerkschaftlich organisieren wollten. Daraufhin wollte der damalige (ebenso moralisch fragwürdige) Chef Dietrich Mateschitz nur aufgrund dessen den Betrieb einstellen und führte den (inzwischen puren) Schwurbelkanal erst weiter, als sich die verbliebenen Mitarbeiter persönlich von einer gewerkschaftlichen Organisation distanzierten, also bei Mateschitz zu Kreuze krochen.
Ich würde ja noch nicht einmal unterstellen, dass man sich in den genannten Kreisen russische Zustände wünscht, wo mediale Kritik schonmal mit einer Kugel im Kopf enden kann, aber viele dürften wohl an der Medienlandschaft in Ungarn Gefallen finden, wo man das ganze letztlich weniger tödlich, aber dafür perfider organisierte. Der Tenor gegenüber den öffentlichen und freien Medien war ganz ähnlich und man hat dort die Umgestaltung (und ich glaube genau dies wollen auch Einige bei uns) schleichender gemacht. Verträge von kritischen Mitarbeitern wurden einfach nicht verlängert oder wurden schlicht gefeuert und durch gesinnungstreue Gestalten ersetzt oder ganz im Sinne der korrupten Führung dort, durch Leute denen man einen Gefallen schuldet. Die Auswirkung ist aber die gleiche wie In Russland. Was man hier beim ÖR kritisiert, hat man so nun höchstselbst umgesetzt. Mediale Themenbeiträge (eher Propaganda) kommt in Russland wie in Ungarn direkt aus der Regierung. Offene Kritik in Russland führt zum Tod oder (wenn man Glück hat) zu Gefängnis, in Ungarn wird man schlicht gefeuert und durch einen Parteisoldaten ersetzt. Wer dort weiterhin wirklich kritische Formate machen will muss zum eigenen Schutz diese aus dem Exil senden.
IMO gibt es bei uns sogar beim ÖR zu viele unnötige Regeln, die diesen letztlich hemmen, wie insbesondere die auferlegten Fristen für die eigenen Mediatheken, die ein absolutes Unding sind und so vom Steuerzahler schon bezahlte Formate irgendwann im Orkus verschwinden (übrigens eine Gängelung die direkt auf Druck der Privaten umgesetzt werden musste). Derartige Fristen machen allerdings durchaus Sinn bei Formaten, die das Potenzial haben, dass Persönlichkeitsrechte verletzt werden könnten, also letztlich als Schutz von Personen, die sonst öffentlich diffamiert werden würden - dies wäre also höchst nötig statt dessen bei den Privaten Kanälen, sodass IMHO z.B. Formate wie Reality-TV oder "Casting" à la DSDS allerhöchstens 2 Wochen in den Mediatheken bleiben, um die in derartigen öffentlichen Erniedrigungs-Formaten zur Schau gestellten Leute zu schützen. Ein Arbeitskollege meiner Schwester hat z.B. in der dortigen Firma einen recht abwertende Spitznamen bekommen, weil er sich in diesem Erniedrigungs-Format von ausgerechnet Dieter Bohlen hat vorführen und beleidigen lassen müssen. Also eine Welt, in dem es nur noch Privates von Werbung abhängiges und damit unfreies Fernsehen geben würde, wäre eine echte Dystopie.