Es sind die letzten Sekunden seines Lebens. Commander Shepard feuert mit letzter Kraft und den Gesichtern seiner Freunde vor Augen auf den Katalysator - und taumelt geradewegs in sein Verderben. Zuckende Flammen verspeisen seinen Körper. Durch den Weltraum fegt ein Impuls gigantischer Ausmasse: Schneller als das Licht und heisser als eine Supernova frisst er sich durch die Sternenbilder. Schlagartig herrschen im Vakuum andere Temperaturen. Planeten verkohlen, die Milchstrasse glüht, sämtliches synthetisches Leben wird entmaterialisiert. Das Finale der „Mass Effect“-Serie stimmte viele Spieler unwirsch, auch nach dem Ende der Science Fiction-Saga lechzen sie nach Antworten auf ihre Fragen. Hoffnung, die Bioware prompt im Keim erstickt. Die Trilogie sei vorbei und ein Wiedersehen mit Shepard ausgeschlossen. Und doch geht es weiter, mit dem derzeit wohl epischsten Universum der Spielebranche. „Wir arbeiten an einem neuen Mass Effect-Spiel“ twittert Executive Producer Casey Hudson. Bioware will mehr bieten. Mehr Drama, mehr Epik, mehr Rollenspieltiefe...
„Wir haben grossen Respekt vor der Serie“
"Mass Effect 4“ wird eine Mega-Produktion, vergleichbar mit „Assassin`s Creed“. So sitzen mit Bioware Edmonton und Bioware Montreal zwei der renommiertesten EA-Studios am neuen Teil.
"Wir werden sehr respektvoll mit dem Vermächtnis der Serie umgehen", erklärt Montreals Studio-Director Yanick Roy, "entwickeln uns aber in eine neue Richtung, sowohl beim Gameplay als auch bei der Geschichte." Ob das Spiel damit endgültig zum Bombast-Shooter gestutzt wird, seinen Fokus auf mehr Rollenspiel, Allianzen und Nebencharaktere verlegt, gar einen Genrewechsel in Betracht zieht, will Bioware zu diesem sehr frühen Zeitpunkt noch nicht verraten. Man befinde sich erst in der Konzeptphase. Derzeit sammeln die Entwickler Fanvorschläge, um die individuellen Wünsche abzuwägen und gegebenenfalls umzusetzen. Laut Hudson soll der vierte Teil zwar auf einem anderen Fundament fussen, die drei Grundpfeiler Alienrassen, erkundbare Galaxie und cineastische Story-Sequenzen mit grosser Entscheidungsfreiheit bei den Dialogen sollen aber erhalten bleiben.
"Wir werden sehr respektvoll mit der Serie umgehen, entwickeln uns aber in eine neue Richtung. Sowohl beim Gameplay als auch bei der Geschichte", Yanick Roy, Studio Director Bioware Montreal
Wer waren die Protheaner?
Sie beherrschten vor 50000 Jahren den Weltraum und trugen zur Evolution der nachfolgenden Völker bei - bis sie ein zyklischer Vernichtungsprozess aus der Galaxis löschte. Obwohl wir während der „Mass Effect“-Trilogie immer wieder über den Namen der Protheaner und deren Hinterlassenschaften stolpern, ist über das uralte Volk nur wenig bekannt. Wir sind uns aber sicher: Die geheimnisvolle Mutterspezies trägt weiterhin zur Faszination des „Mass Effect 4“-Universums bei.
Wir wollen mehr Protheaner-Ruinen erkunden, Erbstücke dieser mystischen Existenz entdecken und endlich mal Hallo sagen, Angesicht zu Angesicht, ohne Hologrammtrickserei und Computersimulationen.
Von uns aus auch gern mit einer Zeitmaschine, die wir im künftigen vierten Serienteil betreten können. Spannender wäre es jedoch, würde „ME4“ ein Prequel werden, das weit vor den Geschehnissen rund um Commander Shepard und den Reapern angesiedelt ist. Denn eines ist sicher: Das Spiel braucht einen neuen Helden und eine neue Bedrohung. Warum also nicht selbst in die Haut eines Protheaners schlüpfen? Mit ihm handeln und sprechen, ihn verstehen? Und wenn es nur für kurze Zeit ist - wir sind über jeden Story-Happen des Urvolkes dankbar.
Entscheidungen mit Vergangenheitsbezug
Jahrelang haben wir gebibbert, gezögert, gekämpft und gezetert - und im Nachhinein so manche Entscheidung bereut. Auch wenn nur gelegentlich spürbare Konsequenzen folgten: die epische Geschichte samt tiefgründigen Dialogen, profilstarken Figuren und kniffligen Entscheidungen machen „Mass Effect“ aus, sie sind das Markenzeichen der Serie. All das soll nicht umsonst gewesen sein, vergangene Ereignisse dürfen auch im neuen Serienauftakt nicht unbeachtet bleiben. Klar, als Prequel könnte „Mass Effect 4“ nur schwer Bezug auf unsere Handlungen nehmen.
Im Falle eines geschichtlichen Nachfolgers würden wir uns aber ein Wiedersehen mit alten Bekannten wünschen, oder zumindest von ihnen hören. Was ist aus der Kroganischen Rebellion geworden? Können die vermummten Quarianer nach dem Sieg über die technifizierten Reaper wirklich ohne Schutzhelm leben? Und was ist aus Joker und unseren anderen Begleitern geworden? Die Entwickler haben betont, dass sich auch der vierte Teil in den Kanon des Serienuniversum eingliedert. Das wollen wir auch spüren, angefangen mit der Erklärung, wen die beiden Personen (Kind und Vater?) im Mass „Effect 3“-Abspann verkörpern sollen.
Frostbite at it`s best. Maue Technik adé.
Für „Mass Effect 4“ will sich Bioware richtig viel Zeit lassen, der neue Teil wird wohl nicht vor 2014, möglicherweise sogar erst 2015 erscheinen. Die Kanadier wollen sich bislang nicht festlegen und generell kann sich in einer Konzeptphase noch sehr viel ändern. Zumindest der Grafikmotor steht bereits fest: Die Frostbite Engine 2. DICE Edel-Engine brilliert in „Battlefield 3“, das Team will mit „Battlefield 4“ aber vor Allem im Bereich dynamischer Schatten und generell Lichteffekten deutlich mehr abliefern, einen Ultra-Highend-PC vorausgesetzt.
Auf der uralten Technik von PS3 und Xbox 360 fühlt sich die Frostbite-Engine wenig wohl, ein „Armored Kill“ oder „Battlefield 3: Aftermath“ sehen fast schon peinlich schlecht aus auf den Konsolen im Gegensatz zu meinem PC. Die Schweden haben wohl auch nicht damit gerechnet das Sony und Microsoft den Launch der nächsten Generation so massiv hinauszögern und warten sehnsüchtig darauf auch auf Konsole zu zeigen was heute technisch machbar ist. Die Frostbite Engine 2 eignet sich hervorragend kolossale Bauten, Wälle und Mauern oder auch gigantische Schlachtschiffe, also die gesamte Levelarchitektur zu zerbröseln. Wir wissen zwar heute noch nicht ob sich „Mass Effect 4“ weiter Richtung Action entwickelt, „Battlefield 3“ demonstriert jedoch eindrucksvoll, dass zerstörbare Umgebungen für eine spürbar intensivere Atmosphäre und mehr Gänsehaut sorgen.
Vertrauensvolle Mimik, abwehrende Gestik. Lässt L.A. Noire grüssen?
Um aus „Mass Effect 4“ einen optischen Knüller zu zaubern, bedarf es einer Generalüberholung: Weg mit dem nervenden Körnerfilter, den matschigen Texturen und den grobschlächtigen Polygonmodellen. Gerade den zahlreichen Dialogen würde ein Facelifting gut tun.
Wir denken da ganz speziell an die hervorragende Aufnahmetechnik von L. A. Noire, in dem die Charaktergesichter unglaublich authentisch wirkten. Wir hoffen Bioware spielt mehr mit Mimik und Gestik, lässt uns spüren wenn sich ein Charakter skeptisch in eine Art Abwehrstellung begibt oder uns mit grossen und erwartungsvollen Augen freudig empfängt.