Geistiges Eigentum im Internet - was passiert?
Die Betreiber der Internettauschbörse "Pirate Bay" müssen wegen Verletzung des Urheberrechts für ein Jahr ins Gefängnis. Was bedeutet dieses Urteil für den Umgang mit geistigem Eigentum im Internet?
Seit dem Aufkommen von Filesharing- Software fordern die technischen Möglichkeiten des Internets das Urheberrecht heraus. Internettauschbörsen sind im Prinzip eine Innovation mit utopischem Potenzial: Die Programme ermöglichen den unbegrenzten Austausch von Informationen, ohne den Umweg über Dritte. Dabei werden, was oft vergessen wird, nicht nur geschützte Filme und Musikalben verbreitet, sondern etwa auch lizenzfreie Software wie Open Office oder Linux-Anwendungen.
Anfangs lagen die Dateien noch auf zentralen Servern. Doch das Bit-Torrent-Protokoll, auf dem auch das Angebot von „Pirate Bay“ basiert, erlaubt es, direkt von Festplatte zu Festplatte zu kopieren. Wer ein Datenpaket kopiert, stellt es zugleich auch selbst wieder zur Verfügung – so vermehren sich mit jedem Download auch die Downloadquellen. Gefunden werden die gewünschten Daten über sogenannte Tracker, die verfolgen, wo gerade was angeboten wird. Den größten Trackerdienst bietet die Internetseite „Pirate Bay“. Ihr Nutzerkreis wird auf weltweit 22 Millionen geschätzt.
Die Betreiber des Dienstes wurden nun am Freitag vom Stockholmer Bezirksgericht wegen Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen verurteilt. Peter Sunde (30), Fredrik Neij (30), Gottfrid Svartholm (24) und Geldgeber Carl Lundström (48 )
sollen ein Jahr ins Gefängnis und 30 Millionen schwedische Kronen an verschiedene Film- und Musikkonzerne zahlen, darunter Warner Brothers, Sony Music, EMI und Columbia Pictures. Die Angeklagten hätten mit ihrem Angebot zu Rechtsbrüchen angestiftet und sich durch Werbeeinnahmen kommerziell bereichert, befand das Gericht. Der Prozess hatte große internationale Aufmerksamkeit erregt.
„Bit Torrent“ lässt sich mit „Datenflut“ übersetzen. Und gegen diese Flut versuchen die großen Konzerne, die sich durch illegales Filesharing um ihre Umsätze gebracht sehen, seit Jahren Deiche zu errichten in Form härterer Gesetzgebung und technischer Barrieren. Auf der Flut segeln die Datenpiraten, die sich als Kämpfer im Dienste freien geistigen Austauschs sehen. Dabei zeigte der Prozess um „Pirate Bay“, dass sie die öffentlichen Sympathien durchaus auf ihrer Seite haben.
Die 2006 gegründete „Piratenpartei“, die schon mehr Mitglieder als die schwedischen Grünen zählt und Ableger unter anderem auch in Deutschland hat, kämpft dieses Jahr um den Einzug ins Europaparlament. Sie fordert die komplette Reformierung des schwedischen Urheberrechts und die Abschaffung des Patentrechts. Hinter dem nun beendeten Prozess steht also die Ungewissheit, wie es infolge der technologischen Umwälzungen in einer vernetzten Welt mit dem Urheberrecht weitergeht. Eine Debatte eher für die Politik als für Gerichte.
Die Kläger haben schon vor der Urteilsverkündung den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg angerufen, um Druck auf die anderen EU-Staaten auszuüben. In Schweden trat zum 1. April das „IPRED“- Gesetz in Kraft, das das Aufspüren illegaler Downloads erleichtert. In Frankreich wurde vergangene Woche ein Gesetzentwurf vorerst gestoppt, der es erlauben soll, illegale Filesharer vom Internet zu trennen. In Deutschland verschickt die Musikindustrie immer massiver Abmahnungen. Die digitale Aufrüstung geht weiter.
Das Urteil von Stockholm ist ein vorläufiger Sieg der Rechteverwerter, hat aber keine direkten Folgen. Die Angeklagten wollen in Berufung gehen. So könnte sich der Prozess noch Jahre hinziehen und tatsächlich in Luxemburg landen. „Pirate Bay“ ist weiter erreichbar und hat als Antwort auf das „IPRED“-Gesetz den „IPREDator“ angekündigt, einen kostenpflichtigen anonymisierten Dienst.
Der Prozess hat allerdings Beispielcharakter für die Frage, wann beim Filesharing die Rechtsbrüche beginnen.
Die Verteidigung verwies darauf, dass „Pirate Bay“ keine Inhalte zur Verfügung stelle, sondern lediglich Verweise. Die Verantwortung liege bei den Nutzern. Das Gericht sah dies anders – eine bedenkliche Entscheidung für viele Nutzer. Denn Bit-Torrent-Quellen lassen sich auch über Google finden.
Während die schwedischen Schriftsteller Henning Mankell und Per Olov Enquist selbst Klagen gegen illegales Downloaden führen, erhielten die
Filesharer überraschende Unterstützung von Paul Coelho. Der Schriftsteller hat seine Bücher über Bit Torrent verfügbar gemacht und nach eigenen Angaben infolge des Werbeeffekts zehntausend Exemplare extra verkauft. „Das Teilen“, sagte er, „liegt in der menschlichen Natur.“