Taddl schrieb:
Sahasrahla schrieb:
Kritik gibt es natürlich mehr als genug (und da kritisiert Taddl auch an den richtigen Stellen), dennoch weiß mich das Spiel gut viermal so lange zu fesseln als noch der 2. Teil.
Vielleicht ist das Spiel viermal so lang (zumindest das gesamte Spiel, den Storypart *hust* hat man in zwei Stunden durch

), dafür ist die Spielerfahrung nicht mal ein Zehntel so intensiv.
Das kann ich so nicht bestätigen als jmd., der das Spiel nun 240h gespielt hat

.
Natürlich schleichen sich da Phasen der Lustlosigkeit ein, aber das Spiel muß mich doch gepackt haben, daß ich mir das freiwillig antue. Ich weiß ja, daß ich nicht mit einem angemessenen Spielende belohnt werde. Warum sollte ich also dafür weiterspielen? Ich spiele um des Spiels willen. Es hat sich eben wieder die typische Gothic-Sucht eingestellt, nur daß sie nun um das vierfache an Spielzeit gesteigert worden ist. Das nervt mich sogar mittlerweile schon, weil mir das für ein Spiel schon viel zu viel Zeit ist, die man da investiert.
Deine Kritik an Varant kann ich nicht nachvollziehen. Die Wüste sieht nicht lieblos aus (gut, bessere Sandtexturen hätten sicher nicht geschadet), vielmehr stellt sich dort eine richtige Wüstenatmo ein, und genau das ist eines der Kunststücke von Gothic3, das anderen Rollenspielen halt nicht gelingt: man wird von der Flora regelrecht eingesogen.
In Nordmar spüre ich die Kälte in meinem Rücken, so daß ich genauso wie die Barbaren Appetit auf gebratenes Fleisch bekomme; denn wie mir ein Barbar in ironisierter ernährungswissenschaftlicher Pose nahegelegt hat, kommt man in so einer eisigen Gegend wie Nordmar als Fruchtesser nicht weit. Man braucht hier einfach Fleisch, damit man was auf die Rippen bekommt - ja, und der Satz stößt mir immer wieder in den Kopf, wenn ich mich durch Nordmar bewege, weil es so realistisch erscheint und ich das glaube. Die Charaktere verhalten sich eben nicht tot, sondern sind wirklich authentisch an die Gegenden angepasst (ein Punkt, den der gute Jörg Luibi - Chefredakteur von 4players - nicht herausfinden konnte, da er das Spiel ja nicht lange genug gespielt hat). Das Ergebnis davon ist, daß man auch durch die absolut gelungene Visualisierung in diese Welt hineingesogen wird. Es kommt da nicht zu Stilbrüchen, wie du behauptest, der AUsdruck ist aus meiner Sicht absolut daneben. Gothic3 punktet eben gerade auf der Stilebene (sieht man von ein paar Ausnahmen gerade auch zu Beginn des Spiels ab), die stilistische Umsetzung von Flora, Fauna, Figurendesign und Vertonung sind die großen Stärken dieses RPGs. Schwächen offenbart es eben hauptsächlich durch die Unvollständigkeit, die man an vielen Stellen spürt, richtig! Dann sollte man aber auch DAS kritisieren und nicht wild durcheinander kritisieren, daß erfahrene Spieler dieses Spiels die Nase rümpfen müssen.
Varant ist ebenfalls wie Nordmar wunderbar gelungen, wohl sogar noch authentischer geworden. Man merkt einfach, daß die Leute in der Wüste anders ticken. Sie geben sich anders, sie reden anders. Das ist nicht nur in ihrem Dialekt festzustellen. Sie reden auch inhaltlich anders als die Barbaren in Nordmar (gebrauchen andere Ausdrücke, verwenden eigene, charakteristische Redewendungen), geben sich insgesamt viel rassiger.
Sie bewegen sich wie Wüstenbewohner, sie sind wie Wüstenbewohner gekleidet, sie haben als Wüstenbewohner einen ganz eigenen, charakteristischen Lebensstil, der im Spiel auch wirklich zum Ausdruck kommt. Ihre Siedlungen sind sehr authentisch. Das wirkt alles so glaubwürdig, wenn man sich in ihren "Städten" umsieht, die Architektur und Funktionalität ihrer Gebäude/Zelte ist ein Lehrbeispiel für einen eigentümlichen, aber doch authentischen Stil.
Das ist die große Stärke von Gothic, die anderen Rollenspielen doch fehlt. Ich bewege mich als typischer Mitteleuropäer durch die Wüste von Varant und fange innerlich das Schwitzen an, weil ich das Gefühl habe, daß es mir mit meiner Paladinrüstung dort viel zu heiß ist. Ich sehe Gothic eben nicht nur, ich spüre und denke es! Und genau auf dieser Ebene entfaltet Gothic3 ein grandioses Spielerlebnis.
Gothic3 hat auf anderen Gebieten seine Schwächen. Stichwort Kampfmechanik und das Fehlen einer dramaturgischen Handlung (worin ich die Präsentation wichtiger, zentraler NPCs miteinschließe, die in den früheren Teilen bei weitem besser ausgefallen ist). In letzterem Punkt funktioniert Gothic3 aber auch anders als die Vorgänger, weil es sich in seinem Konzept etwas verändert hat (wobei es trotzdem unverkennbar ein richtiges Gothic geblieben ist). Das Spiel ist nicht mehr in Kapitel gegliedert, durch die es zuvor möglich gewesen ist, eine dramaturgische Handlung aufzubauen. Die Welt ist jetzt frei begehbar, du kannst überall hin zu jeder Zeit, wann du Lust hast. Das ist halt die Frage, ob man das kritisieren möchte und lieber das alte Kapitelsystem zurück haben möchte. Ich will das jedenfalls nicht. Aber ich wünsche mir, daß ein besserer Kompromis gefunden wird zwischen Handlung und freier Begehbarkeit der Spielwelt. Denn auch wenn Dramaturgie NOCH NIE eine Stärke von Gothic gewesen ist (weshalb ich mich über das Fehlen einer dramaturgischen Handlung logischerweise weniger echauffiere als komischerweise der ein oder andere Gothic-Liebhaber), finde ich, daß es zu einer Stärke der Serie werden sollte.
Zur Präsentation wichtiger, zentraler Figuren kann man nur feststellen, daß dafür den Entwicklern offenbar die Zeit gefehlt hat. Und das muß man den Jungs ankreiden, daß sie dem Spiel nicht noch einige Monate Feinschliff verpasst haben. So wirken einige Stellen des Spiels beeindruckend, während andere wieder sehr unfertig ausschauen. Auch wurde teilweise versäumt, Sätze zu vertonen bzw. Sprachausgabe ins Spiel zu implementieren. Man sieht dann zwar, daß die NPCs und der namenlose Held etwas zu sagen haben, hört sie aber nicht. In 240h Spielzeit kam das aber nur 2 bis dreimal bisher vor, und es war auch immer nur ein Satz, der gefehlt hat. Also nicht schlimm, aber ein Beweis mehr dafür, daß das Spiel erst in ein paar Monaten hätte veröffentlicht werden dürfen.