Die Geschichte des Unternehmens hat auf den ersten Blick nichts mit Russlands Angriff auf die
Ukraine zu tun. Genauer betrachtet zeigt sie aber, wie Russland in eine mittelalterliche Vergangenheit zurückkehrt.
Das Unternehmen Bakaltschuk ist so groß, dass es seit vielen Jahren ein begehrtes Ziel für alle möglichen Plünderer, also für die russischen Strafverfolgungsbehörden, darstellt.
In solchen Situationen tun russische Geschäftsleute immer das Gleiche – sie suchen nach einem »Dach«. (Dieses seltsame russische Wort erlangte 2012 während des Prozesses in London zwischen Roman Abramowitsch und
Boris Beresowski internationale Berühmtheit. Damals behauptete Abramowitsch, Beresowski sei sein »Dach«, das heißt, er schütze ihn vor äußeren Bedrohungen durch die Behörden und Gangster).
Sie stimmte auch einer Fusion zwischen »Wildberries« und »Russ Outdoor« zu, wobei sie an dem neuen Unternehmen nur 65 Prozent erhalten sollte, während sie 35 Prozent an ihre Partner abgeben würde. Es war allen klar, dass dies die Bezahlung für das »Dach« war.
Übertragen auf den Fall der Familie Bakaltschuk heißt das: Wenn das »Dach« deiner Frau dir das Geschäft wegnimmt, suche dir ein besseres Dach. Wladislaw Bakaltschuk wandte sich hilfesuchend an den tschetschenischen Machthaber
Ramsan Kadyrow.
Kadyrow hat seine rechte Hand, den Duma-Abgeordneten Adam Delimchanow, der verdächtigt wird, mehrere Morde organisiert zu haben und vor einigen Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten gesucht wurde, beauftragt, die Angelegenheit zu untersuchen.
Am 18. September versuchten Wladislaw Bakaltschuk und eine Gruppe von Tschetschenen, die Zentrale von »Wildberries« im Einkaufszentrum Romanow Dwor zu stürmen, das direkt gegenüber dem Kreml liegt.
Die Eindringlinge wurden jedoch von anderen Personen aus dem Nordkaukasus gestoppt, Leute aus Inguschetien, einer Nachbarrepublik von
Tschetschenien, die zu Russland gehört. Interessanterweise befanden sich auf beiden Seiten viele Sportler: ehemalige Profi-Wrestler und Mixed-Martial-Arts-Kämpfer. Außerdem waren auf beiden Seiten Strafverfolgungsbeamte, entweder von der Nationalgarde oder vom Innenministerium, anwesend.
Mehrere Teilnehmer an der Schießerei, darunter auch Bakaltschuk, wurden festgenommen. Medienberichten zufolge wurde Wladislaw wegen Mordes und wegen versuchten Mordes an Vollzugsbeamten angeklagt. Trotzdem wurden er und mehrere andere an der Schießerei Beteiligte bald wieder nach Hause entlassen. Dies zeigt, wie das »Dach« im modernen Russland funktioniert: Man kann im Zentrum Moskaus ein Massaker mit Opfern verüben und wird dafür nicht mal verhaftet.