NATHAN
L14: Freak
@Swisslink
Von welchen Experten redest du?!?!?
Alexander Kekulé ist Professor für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.
Das neue Coronavirus mit der offiziellen Bezeichnung Sars-CoV-2 ist gefährlicher als die saisonale Grippe, die von Influenzaviren verursacht wird. Und zwar deshalb, weil die Infektion häufiger schwer oder tödlich verläuft.
Wenn man – als grobe Schätzung – annimmt, dass nur jede dritte oder vierte Infektion als "bestätigter Fall" gemeldet wird, müssten sich in China bisher etwa 250.000 bis 500.000 Menschen mit dem neuen Coronavirus infiziert haben. Das Problem ist also größer, als die bestätigten Fälle vermuten lassen. Andererseits sinkt damit das statistische Risiko, an einer Infektion zu sterben, in den Bereich von 0,5 Prozent. Eine aktuelle Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO errechnete diese Case Fatality Rate, bezogen auf ganz China, mit 0,7 Prozent. Damit wäre das neue Coronavirus zwar nicht vergleichbar mit dem Sars-Virus von 2003, bei dem die Letalität knapp zehn Prozent betrug. Aber es wäre immer noch fünfmal gefährlicher als die normale Grippe durch Influenzaviren.
Außer der im Vergleich zur Grippe wahrscheinlich höheren Sterblichkeit gibt es drei weitere Gründe, warum wir das neue Virus auch in Deutschland sehr ernst nehmen müssen.
Wir kennen die Risikogruppen nicht genau
Wir kennen, erstens, im Gegensatz zur Influenza die Risikogruppen nicht genau und wissen deshalb auch nicht, wer sich besonders schützen muss. Die ursprüngliche Behauptung chinesischer Behörden, an der neuen Krankheit Covid-19 (von "coronavirus disease 2019") würden nur Alte und Menschen mit schweren Vorerkrankungen sterben, ist inzwischen widerlegt.
Wie alle Viren, die erst kürzlich von einer Tierart auf den Menschen übergesprungen sind, hat sich Sars-CoV-2 noch nicht an seinen neuen Wirt angepasst. Deshalb variieren Symptome und Schwere der Erkrankungen von Fall zu Fall erheblich. Es gibt inzwischen zahlreiche Berichte von vorher gesunden Menschen im mittleren Lebensalter, die an dem neuen Coronavirus gestorben sind.
Keine Medikamente – und keine Herdenimmunität
Zweitens gibt es gegen Influenza gezielt wirkende Medikamente, gegen Coronaviren dagegen noch nicht. Drittens sind in Europa viele Menschen gegen Influenza mehr oder weniger gut geschützt, weil sie geimpft wurden oder die Grippe schon einmal oder mehrfach durchgemacht haben. Bei einem vollkommen neuen Virus fehlt diese Herdenimmunität, die Bevölkerung ist – wie es Epidemiologen nennen – "immunologisch naiv".
Aktuell breitet sich Sars-CoV-2 schneller aus, als die Fachleute (mich eingeschlossen) anfangs gehofft hatten. Das Virus ist offenbar deutlich ansteckender als seine nächsten Verwandten, das Sars-Virus von 2003 und das von Dromedaren auf den Menschen übertragene Mers-CoV. Für die Planung von Gegenmaßnahmen müssen wir vorläufig davon ausgehen, dass es hauptsächlich durch direktes Anhusten und Anniesen ins Gesicht sowie auch durch Schmierinfektionen mit den Händen übertragen wird.
Nach der Influenza-Pandemie von 2009 (die Betonung liegt auf: "nach") wurden Pläne für den Fall entwickelt, dass eine größere Zahl infektiöser Patienten behandelt werden muss, sodass wir in Deutschland auf so eine Situation grundsätzlich gut vorbereitet sind. Allerdings dürften die erforderlichen Infektionsschutzmasken (sogenannte Respiratoren mit Schutzklasse FFP2 oder FFP3) nicht überall in größerer Zahl vorrätig sein. Übungen, wie mit diesen umzugehen ist, wurden angesichts der chronischen Arbeitsüberlastung des Personals mancherorts vernachlässigt. Da die für den Fall einer Influenza-Pandemie eingelagerten Medikamente (Tamiflu und Relenza) gegen Sars-CoV-2 wahrscheinlich nicht wirken, ist eine zuverlässige persönliche Schutzausrüstung besonders wichtig. Wenn das medizinische Personal nicht geschützt ist oder aus Angst nicht zur Arbeit kommt, können bereits einige Hundert Covid-19-Fälle das Gesundheitssystem auf eine Belastungsprobe stellen.
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Laut den Wiener Forschern würde bei ungebremster Ausbreitung alleine in Wien am Epidemie-Höhepunkt der Bedarf um etwa 32.000 Betten ansteigen. Zum Vergleich: Derzeit gibt es in Wien rund 10.000 Krankenhausbetten, wie es in einer Aussendung der Technischen Universität (TU) Wien heißt.
Es gäbe noch ein Handlungsfenster, aber es zähle jeder Tag, sagt Peter Klimek von der Meduni Wien: „Dieses Handlungsfenster ist schätzungsweise fünf Tage lang." Wegen der Verdoppelungsgeschwindigkeit mache es einen großen Unterschied, ob Maßnahmen heute oder erst in zwei Tagen gesetzt werden.
In Italien verdoppeln sich trotz rigoros wirkender Maßnahmen die Coronafälle derzeit alle drei Tage und wenige Stunden, in Österreich alle zwei Tage und acht Stunden. Italien befinde sich noch immer in einer exponenziellen Wachstumsphase, sagt Stefan Thurner von der Meduni. Er rät für Österreich daher zu "stärkeren Maßnahmen, als die die in Italien gemacht worden sind.“
Die beiden Forscher verweisen auf asiatische Länder, wie Singapur und Taiwan. Die seien besser vorbereitet gewesen – auch aufgrund der SARS-Epidemie 2003. Sie haben unter anderem Sozialkontakte drastisch eingeschränkt.
Auch die Berechnungen einer zweiten Forschergruppe um Niki Popper vom Institut für Informationssysteme an der Technischen Universität Wien zeigen, dass die Spitäler an die Grenzen ihrer Kapazitäten kommen werden. Konkret ausgerechnet haben die Forscher das für Wien. Selbst bei einem angenommenen günstigen Verlauf, also wenn die Sozialkontakte der Menschen untereinander tatsächlich stark sinken und damit auch die Infektionen, würden zum Epidemie-Höhepunkt rund 6.400 zusätzliche Betten benötigt (Anm. „normale“ Betten, keine Intensivbetten).
Von welchen Experten redest du?!?!?
Alexander Kekulé ist Professor für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.
Das neue Coronavirus mit der offiziellen Bezeichnung Sars-CoV-2 ist gefährlicher als die saisonale Grippe, die von Influenzaviren verursacht wird. Und zwar deshalb, weil die Infektion häufiger schwer oder tödlich verläuft.
Wenn man – als grobe Schätzung – annimmt, dass nur jede dritte oder vierte Infektion als "bestätigter Fall" gemeldet wird, müssten sich in China bisher etwa 250.000 bis 500.000 Menschen mit dem neuen Coronavirus infiziert haben. Das Problem ist also größer, als die bestätigten Fälle vermuten lassen. Andererseits sinkt damit das statistische Risiko, an einer Infektion zu sterben, in den Bereich von 0,5 Prozent. Eine aktuelle Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO errechnete diese Case Fatality Rate, bezogen auf ganz China, mit 0,7 Prozent. Damit wäre das neue Coronavirus zwar nicht vergleichbar mit dem Sars-Virus von 2003, bei dem die Letalität knapp zehn Prozent betrug. Aber es wäre immer noch fünfmal gefährlicher als die normale Grippe durch Influenzaviren.
Außer der im Vergleich zur Grippe wahrscheinlich höheren Sterblichkeit gibt es drei weitere Gründe, warum wir das neue Virus auch in Deutschland sehr ernst nehmen müssen.
Wir kennen die Risikogruppen nicht genau
Wir kennen, erstens, im Gegensatz zur Influenza die Risikogruppen nicht genau und wissen deshalb auch nicht, wer sich besonders schützen muss. Die ursprüngliche Behauptung chinesischer Behörden, an der neuen Krankheit Covid-19 (von "coronavirus disease 2019") würden nur Alte und Menschen mit schweren Vorerkrankungen sterben, ist inzwischen widerlegt.
Wie alle Viren, die erst kürzlich von einer Tierart auf den Menschen übergesprungen sind, hat sich Sars-CoV-2 noch nicht an seinen neuen Wirt angepasst. Deshalb variieren Symptome und Schwere der Erkrankungen von Fall zu Fall erheblich. Es gibt inzwischen zahlreiche Berichte von vorher gesunden Menschen im mittleren Lebensalter, die an dem neuen Coronavirus gestorben sind.
Keine Medikamente – und keine Herdenimmunität
Zweitens gibt es gegen Influenza gezielt wirkende Medikamente, gegen Coronaviren dagegen noch nicht. Drittens sind in Europa viele Menschen gegen Influenza mehr oder weniger gut geschützt, weil sie geimpft wurden oder die Grippe schon einmal oder mehrfach durchgemacht haben. Bei einem vollkommen neuen Virus fehlt diese Herdenimmunität, die Bevölkerung ist – wie es Epidemiologen nennen – "immunologisch naiv".
Aktuell breitet sich Sars-CoV-2 schneller aus, als die Fachleute (mich eingeschlossen) anfangs gehofft hatten. Das Virus ist offenbar deutlich ansteckender als seine nächsten Verwandten, das Sars-Virus von 2003 und das von Dromedaren auf den Menschen übertragene Mers-CoV. Für die Planung von Gegenmaßnahmen müssen wir vorläufig davon ausgehen, dass es hauptsächlich durch direktes Anhusten und Anniesen ins Gesicht sowie auch durch Schmierinfektionen mit den Händen übertragen wird.
Nach der Influenza-Pandemie von 2009 (die Betonung liegt auf: "nach") wurden Pläne für den Fall entwickelt, dass eine größere Zahl infektiöser Patienten behandelt werden muss, sodass wir in Deutschland auf so eine Situation grundsätzlich gut vorbereitet sind. Allerdings dürften die erforderlichen Infektionsschutzmasken (sogenannte Respiratoren mit Schutzklasse FFP2 oder FFP3) nicht überall in größerer Zahl vorrätig sein. Übungen, wie mit diesen umzugehen ist, wurden angesichts der chronischen Arbeitsüberlastung des Personals mancherorts vernachlässigt. Da die für den Fall einer Influenza-Pandemie eingelagerten Medikamente (Tamiflu und Relenza) gegen Sars-CoV-2 wahrscheinlich nicht wirken, ist eine zuverlässige persönliche Schutzausrüstung besonders wichtig. Wenn das medizinische Personal nicht geschützt ist oder aus Angst nicht zur Arbeit kommt, können bereits einige Hundert Covid-19-Fälle das Gesundheitssystem auf eine Belastungsprobe stellen.
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Laut den Wiener Forschern würde bei ungebremster Ausbreitung alleine in Wien am Epidemie-Höhepunkt der Bedarf um etwa 32.000 Betten ansteigen. Zum Vergleich: Derzeit gibt es in Wien rund 10.000 Krankenhausbetten, wie es in einer Aussendung der Technischen Universität (TU) Wien heißt.
Es gäbe noch ein Handlungsfenster, aber es zähle jeder Tag, sagt Peter Klimek von der Meduni Wien: „Dieses Handlungsfenster ist schätzungsweise fünf Tage lang." Wegen der Verdoppelungsgeschwindigkeit mache es einen großen Unterschied, ob Maßnahmen heute oder erst in zwei Tagen gesetzt werden.
In Italien verdoppeln sich trotz rigoros wirkender Maßnahmen die Coronafälle derzeit alle drei Tage und wenige Stunden, in Österreich alle zwei Tage und acht Stunden. Italien befinde sich noch immer in einer exponenziellen Wachstumsphase, sagt Stefan Thurner von der Meduni. Er rät für Österreich daher zu "stärkeren Maßnahmen, als die die in Italien gemacht worden sind.“
Die beiden Forscher verweisen auf asiatische Länder, wie Singapur und Taiwan. Die seien besser vorbereitet gewesen – auch aufgrund der SARS-Epidemie 2003. Sie haben unter anderem Sozialkontakte drastisch eingeschränkt.
Auch die Berechnungen einer zweiten Forschergruppe um Niki Popper vom Institut für Informationssysteme an der Technischen Universität Wien zeigen, dass die Spitäler an die Grenzen ihrer Kapazitäten kommen werden. Konkret ausgerechnet haben die Forscher das für Wien. Selbst bei einem angenommenen günstigen Verlauf, also wenn die Sozialkontakte der Menschen untereinander tatsächlich stark sinken und damit auch die Infektionen, würden zum Epidemie-Höhepunkt rund 6.400 zusätzliche Betten benötigt (Anm. „normale“ Betten, keine Intensivbetten).