Und doch: „Weiche Triage wird bereits angewendet“, sagte Michael Hallek dem „Kölner Stadtanzeiger“. Der Mediziner ist Leiter der Klinik I an der Universitätsklinik in Köln und befürchtet Schlimmes für die nächsten Wochen. „Selbst Notfälle können nicht immer umfassend bei uns versorgt werden“, erklärte Hallek. Denn es gäbe immer mehr Covid-19-Patienten. Eine harte Triage könnte schon nächste Woche notwendig werden.
"Weiche“ Triage hat schon begonnen – was das bedeutet
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erklärt „weiche Triage“ mit suboptimaler Versorgung durch Verlegen oder Verschieben von anderen medizinischen Eingriffen.
Eine solche Situation herrscht bereits im Bundesland Thüringen. Dort sollen fünf nach einer Corona-Infektion schwer an Covid-19 erkrankte Menschen auf Intensivstationen anderer Bundesländer verlegt werden. Die Patienten aus dem Uniklinikum Jena und dem Krankenhaus Greiz sollten in Kliniken in Bayern und in Norddeutschland gebracht werden, sagte Michael Bauer, Chefarzt der Jenaer Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin.
Grund dafür: Die Lage auf den Thüringer Intensivstationen ist ebenso angespannt wie auf dem Höhepunkt der zweiten Pandemiewelle um den Jahreswechsel.
„Das Pflegepersonal und die Ärzte sind müde. Richtig müde.“
Noch halten sie durch. Doch Karagiannidis von der Divi stellt sich darauf ein, dass sich viele Pflegekräfte in der Intensiv- und Notfallmedizin nach anderer Arbeit umsehen werden: „Ich befürchte eine große Kündigungswelle.“ Mehr als ein Jahr Corona habe die Mitarbeiter in den Krankenhäusern erschöpft. „Das Pflegepersonal und die Ärzte sind müde. Richtig müde“, sagte der Lungenmediziner. Bereits mehr als 9000 Pflegekräfte hätten ihren Beruf gewechselt, wie der „Tagesspiegel“ mit Verweis auf die Bundesagentur für Arbeit berichtete. Das mache Karagiannidis „richtig Sorgen“.
Genau das prognostizierte Böhler bereits während der zweiten Welle: „Das Nachwuchsproblem ist das eine. Das andere die aktuelle Belegschaft. Ganz viele Kollegen mit langjähriger Berufserfahrung wollen sich umorientieren.“ Darum mahnte Böhler schon im November an, sich auf die Intensivpfleger in der Praxis zu fokussieren: „Und zwar jetzt! Denn ich fürchte, dass viele wegen Corona-Überlastung hinschmeißen, wenn der Winter vorbei ist. Dann haben wir nächstes Jahr ein gravierendes Problem. Das verschärft den Personalmangel enorm.“ Sie hat recht behalten.
Weiche Triage wird bereits angewendet: Wie Ärzte entscheiden, wer behandelt wird
Während Politikerinnen und Politiker noch über die Notbremse diskutieren, laufen die Intensivstationen voll. Mediziner sprechen alarmiert von „Fünf nach zwölf“ und „weicher Triage“, die bereits begonnen hat. Was den Weg durch die dritte Welle jetzt so riskant macht.
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