Arbeitgeber drängen auf Kürzung der Lohnfortzahlung
Die Entgeltfortzahlung von erkrankten Beschäftigten belastet deutsche Unternehmen mit jährlich 77 Milliarden Euro. Arbeitgeber fordern eine Reform.
Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, hat
in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) eine umfassende Reform der Lohn- und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall gefordert.
Die Kosten übersteigen laut Dulger sowohl den Verteidigungshaushalt als auch die Gesamtausgaben der Pflegeversicherung. Es handele sich um die teuerste von Arbeitgebern allein finanzierte Sozialleistung, betonte der BDA-Präsident. Im internationalen Vergleich biete Deutschland besonders großzügige Leistungen für erkrankte Arbeitnehmer.
Angesichts wachsender Lohnzusatzkosten und der aktuellen wirtschaftlichen Lage sei eine Anpassung der Ausgaben dringend notwendig.
"Steigende Kosten für Lohnfortzahlungen sind ein erheblicher Ballast, der den Weg raus aus der Rezession erschwert", erklärte Dulger.
Die BDA stützt ihre Argumentation auf Umfrageergebnisse, wonach Missbrauch der Lohnfortzahlung zwar nicht die Regel sei, aber regelmäßig vorkomme. Etwa 13 Prozent der Befragten gaben an, innerhalb eines Jahres mehrfach unter einem Vorwand der Arbeit ferngeblieben zu sein. Weitere Studien zeigen, dass acht Prozent der Beschäftigten gezielt blau machen und 60 Prozent sich auch bei leichten Symptomen krankmelden.
Kritik an telefonischen Krankschreibungen und Onlinediensten
Ein besonderer Kritikpunkt der Arbeitgeber sind telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die laut Dulger ein
"Einfallstor für Missbrauch" darstellen und abgeschafft werden sollten. Eine noch unveröffentlichte Forsa-Erhebung zeige, dass sich 2024 rund 60 Prozent der abhängig Beschäftigten mindestens einmal wegen Atemwegserkrankungen krankmeldeten.
Die meisten erhielten eine entsprechende Bescheinigung nach einem persönlichen Arztbesuch. Etwa 14 Prozent gaben jedoch an, keinen Arztkontakt gehabt zu haben. In diesen Fällen regelte eine Arzthelferin die Krankschreibung per E-Mail oder Telefonat – ein laut BDA nicht zulässiges Vorgehen.
Die Arbeitgeberverbände fordern nun, dass jede elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung künftig von einem Arzt elektronisch signiert werden müsse.
Zudem möchte die BDA Krankschreibungen über Internetplattformen unterbinden. Demnach werden jährlich etwa 700.000
"ungerechtfertigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen" ausgestellt, unter anderem über Anbieter, deren Ärzte in Deutschland keiner Ärztekammer angehören.
Laut FAZ wird im 13 Seiten umfassenden Forderungskatalog vorgeschlagen, die Entgeltzahlung auf maximal sechs Wochen im Kalenderjahr zu begrenzen – und nicht mehr wie bisher bis zu sechs Wochen pro Erkrankung. Außerdem sollten Zuschläge für Mehrbelastungen wie Nacht- und Sonntagsarbeit in der Fortzahlung entfallen.
Als weitere Möglichkeiten werden ein Karenztag am ersten Krankheitstag oder eine Reduktion der Lohnfortzahlung auf 80 Prozent genannt. Die BDA verweist auf das schwedische Modell. Demnach bleibt der erste Krankheitstag unbezahlt, anschließend werden für zwei Wochen 80 Prozent gezahlt. Die Skandinavier hätten 2022 durchschnittlich 11,4 bezahlte Krankheitstage gehabt – weniger als halb so viele wie Deutsche mit 24,9 Tagen.