STANDARD: Zuerst eine Frage, die vor ein paar Jahren noch undenkbar erschienen wäre: Steht der Präsident der Vereinigten Staaten, der mächtigste Mann des Westens und der Welt, unter russischer Kontrolle?
Genté: Ich würde eher von Einfluss als von Kontrolle sprechen. Diesen Einfluss muss man aber präzisieren.
STANDARD: Bitte.
Genté: Der Moskauer Geheimdienst FSB – Nachfolger des KGB – würde sagen, der US-Präsident sei "Russland-kompatibel". Er hegt keine große Liebe für die liberale Demokratie, er verehrt starke Machthaber, und er glaubt in den internationalen Beziehungen nur an Machtkonstellationen und Einflusszonen, in denen die jeweilige Großmacht ihre Kontrolle – und das auch mit Gewalt – ausübt. Trump bewundert etwa den ehemaligen republikanischen US-Präsidenten Theodore Roosevelt für die von ihm entscheidend erweiterte Monroe-Doktrin, die den amerikanischen Kontinent dem Einfluss der USA zuschlug. Zudem gibt es zwischen Trump und Russland eine alte und enge Beziehung, eine Geschichte, die etwa 40 Jahre zurückreicht und die klar aufzeigt, unter welchem Einfluss Trump steht.
STANDARD: Wie genau?
Genté: Es gibt keine Beweise, aber viele Indizien, dass Trump das ist, was man im KGB-Jargon einen "vertraulichen Kontakt" nennt. Seine erste Russland-Reise von 1987 wurde zweifellos vom KGB organisiert. Tatsache ist, dass er nach seiner Rückkehr aus Moskau auf einmal russische Argumente wiedergab. Seine Forderung, die Europäer müssten mehr für die Nato zahlen, stammt von dort, auch wenn damals schon Ronald Reagan diesen Diskurs führte. Dafür wurden in den USA aus Moskau kommend Gerüchte gestreut, Trump wäre ein guter Präsident.
STANDARD: Muss man von einer eigentlichen Russland-Connection Trumps sprechen?
Genté: Der damalige Immobilienmagnat wurde von einflussreichen Russen umworben; sie investierten Geld in seine Projekte, kauften Immobilien zu überhöhten Preisen, bauten ihn politisch auf. Diplomaten, Oligarchen, auch die russische Mafia spielte mit. Viele dieser hochrangigen Persönlichkeiten sind in der "roten Mafia" und gleichzeitig in der russischen Politik und Geheimdienstszene. Das russische Ballett um Trump half über die Jahre, seine Präsidentschaftskandidatur in die Wege zu leiten. Ein Geschäftspartner Trumps schrieb 2015 in einer E-Mail, was auch den Titel meines Buches ergab: "Wir sind in der Lage, unseren Mann ins Weiße Haus zu bringen." Gemeint war Trump.
STANDARD: Ein Jahr später gewann er den Wahlkampf wirklich.
Genté: Unter anderem, weil der russische Geheimdienst durch Cyberangriffe und Fake News massiv in die Kampagne eingegriffen hatte, wie wir heute wissen.