Am Ende reckte Invictus Gaming die WM-Trophäe in die Höhe. 50.000 Zuschauer im Stadion und weitere 200 Millionen Menschen vor den Bildschirmen staunten, als die Chinesen erstmals den Titel der League-of-Legends-Weltmeisterschaft holten. Ausgerechnet in Südkorea, der erfolgreichsten eSport-Kaderschmiede der Welt.
Südkorea fördert eSport seit 18 Jahren
Bis 2018 hatten ausschließlich südkoreanische Teams das LOL-Global gewonnen. "Dort fördert der Staat seit gut 18 Jahren den eSport“, erklärt Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bunds Deutschland (ESBD). Mit 34 Qualifikanten stellte Südkorea beim letztjährigen Global die meisten Teilnehmer - einen deutschen eGamer suchte man vergebens.
Seit 2011 waren überhaupt erst 14 deutsche eSportler mit dabei. "Wir sehen die Leistungsunterschiede zu diesen Systemen“, stellt Jagnow fest: "Wenn man diese Systeme nicht bieten kann, dann steht man eben nicht an der Weltspitze.“
Die Deutschen - unauffällig
Auch in anderen wichtigen eSport-Titeln hängt der deutsche Leistungsbereich hinterher. So beim Taktik-Shooter "Counter-Strike: Global Offensive“. 56 Major-Teilnahmen machen in der Nationenwertung des beliebten Klassikers den neunten Rang aus. In anderen Titeln wie „Starcraft II“ schaffte es mit Tobias Sieber bei den letztjährigen WCS Global Finals ein Deutscher auf Platz 11 - weit weg von den vorderen Plätzen.
Dänemark gibt den Weg vor
Dort sind Skandinavier seit Jahren vertreten. Erst kürzlich sah man den dänischen Premierminister Lars Løkke Rasmussen bei einer Runde Counter Strike mit dem dänischen Profi-Team Astralis auftreten. Zuvor kündigte seine Regierung einen neuen kulturpolitischen Weg an, mit dem eSport eine noch größere gesellschaftliche Rolle einnehmen soll.
Der "Nationalen Strategie für eSport" folgend, wirbt die Regierung für eine stärkere Einbindung des eSports in bestehende Sportverbände, die Förderung von Talenten und die Stärkung der Profis. Dabei hat Dänemarks Regierung eines erkannt: Fast 50 Prozent der Dänen daddeln. Nimmt man die Gesamtheit aller Teenager Dänermarks, verbringen 96 Prozent der 13 bis 19-Jährigen Zeit vor der Konsole. Dazu hat die Branche mit einem weltweiten Umsatz von gut 740 Millionen Euro eine große wirtschaftliche Kraft, von der Dänemark profitieren möchte.
Investoren und eSport-Unternehmen sollen daher in Zukunft gute Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden. Schließlich bedeuten gute eSportler gute Zahlen. Ein Abhängigkeitsverhältnis, an dessen Ende auch die Nachwuchsarbeit profitiert. "Man kann sich ja mal fragen, wo ein heute 12-jähriger Counter-Strike-Spieler in zehn Jahren steht“, sagt Jagnow: “Wenn der in ein System eingebunden wird, wird der gegebenenfalls an der Weltspitze stehen.“ Längst gibt es in Dänemark daher Schulen wie das Campus Vejle Sportscollege, an dem eSport zum Stundenplan gehört.
Von solchen Entwicklungen ist man in Deutschland weit entfernt. Ein erster Ansatz könnte die vom ESBD initiierte eSport-Trainerausbildung sein. Durch sie soll eine effektivere Talentförderung betreiben werden, um deutsche Pro Gamer an die Weltspitze zu führen. So könne man "erlerntes Wissen in die Teams und Strukturen weitergeben", meint Maximilian Breier, sportlicher Leiter des ersten deutschen Amateursportvereins mit eSport-Abteilung. Für seinen Verein, den TSV 1895 Oftersheim e.V., könnten die Rahmenbedingungen jedoch deutlich besser sein.
Um die Begeisterung der deutschen eSport-Fans in einer adäquaten Nachwuchsförderung aufzufangen, fehlt es an mehr Struktur und Förderung: "Die Regierung hat es bisher versäumt, sich an den Koalitionsvertrag zu halten und eSport als gemeinnützig anzuerkennen“, kritisiert Breier. Man würde so vielen interessierten Vereinen den Weg in den eSport verbauen, da diese befürchten müssten "ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren.“
Der Basis wird dadurch eine wichtige Funktion genommen. Wie in klassischen Sportarten gehört die Jugendarbeit zu den tragenden Säulen des Leistungsports und entscheidet zu großen Teilen über internationalen Erfolg.
ESBP-Präsident appelliert an Profi-Vereine
Mehr Mut und Initiative zur Talentförderung wünscht sich ESBD-Präsident Jagnow von den Profi-Vereinen: "Nicht nur die Scoutingstrukturen sondern auch die Nachwuchsförderung sollte professionalisiert werden", sagt er.
Dies hat SK Gaming schon vor einiger Zeit umgesetzt. Seit Juni 2018 betreibt das Mitglied der europäischen League-of-Legends-Liga (LEC) eine Nachwuchsmannschaft. Mit Gerrit Stukemeier, Tim Willers und Janik Bartels gehören ihr aktuell drei deutsche Spieler an. Für CEO Alexander Müller ist das Vorgehen selbstverständlich: "Maßgeblich sehen wir darin eine Chance, für eine Region in Europa zu stehen. Natürlich möchten wir speziell deutsche Talente fördern und an die Spitze in Europa heranführen.“
Trainingszentrum soll Durchlässigkeit erhöhen
In naher Zukunft möchte SK Gaming ein neues Trainingszentrum am Standort Köln eröffnen. Dort soll ein gesamtheitliches Programm umgesetzt werden, "das den Schritt in den Profi-Bereich erleichtern wird, sofern die Leistung auch stimmt“, blickt Müller voraus.
Gemeinsam mit dem Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln soll das Programm auf körperlicher, sozialer und spielerischer Ebene neue Maßstäbe setzen. Einen Spagat zwischen wirtschaftlichen Zielen und der Jugendförderung gebe es laut dem Geschäftsführer nicht: "Mit einem erfolgreichen Konzept wird es uns gelingen, Nachwuchsspieler zu entwickeln. Die werden dann im Profi-Team von SK Gaming landen.“
Letztlich steht und fällt das Interesse einer Sportart auch mit dem Erfolg einheimischer Athleten - siehe Sportarten wie Tennis und die Formel 1. Ohne Stars in der Weltspitze, könnte auch in Deutschland das Interesse an eSport sinken.