Die FDP verkauft die Bürgerrechte
Glanzleistung, das hat nicht mal ein Jahr gebraucht: Die FDP, die als Bürgerrechtspartei in den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 einging und damit 15% der Bundestagssitze einnehmen konnte, die FDP, die als Bürgerrechtspartei seit Oktober 2009 an der Bundesregierung beteiligt ist, diese Partei verkauft inzwischen munter die Bürgerrechte.
Wir erinnern uns, schon in ihrem Wahlprogramm [PDF] kündigte die Partei bereits an:
Mit der FDP wird es keine aktionistischen Verbote oder staatliche Zensur im Internet geben.
Selbst noch anfang September, im Wahlmonat, sprach sich FDP-Bundesvorsitzender Guido Westerwelle gegen das Zugangserschwerungsgesetz und dessen Zensur des Internets aus und versprach:
Die Bürgerrechte sind bei der FDP gut aufgehoben. [Wir werden] auch in Koalitionsverhandlungen dafür sorgen, dass die Bürgerrechte eben auch respektiert werden. [Die Piratenpartei] kann man ja wählen, aber die Stimme ist natürlich dann im Gulli. Wer die Piratenpartei wählt, wird lediglich dafür sorgen, dass die Stimme verloren ist; wer FDP wählt, sorgt dafür, dass im nächsten Deutschen Bundestag auch wirklich jemand für Bürgerrechte eintreten kann.
Am Vorabend der Wahl war er bei Stefan Raabs TV-Total-Sondersendung zu Gast und bekräftigte dort noch einmal, dass eine Stimme für die Piratenpartei eine verschenkte Stimme sei und nur die FDP die Bürgerrechte auch wirklich vertreten könne.
Am Morgen nach der Bundestagswahl war ich in meiner Katerstimmung ob des guten FDP-Ergebnisses allerdings misstrauisch:
Hoffentlich belehrt mich die FDP vor allem eines Besseren, was mein Misstrauen in Bürgerrechtsfragen angeht: Westerwelle und seine Kollegen haben in den letzten Wochen den Mund verdammt voll genommen, was Politik für die Bürgerrechte angeht, und ich traue diesen Leuten da etwa so weit, wie Jörg Tauss das tut. Jetzt haben sie Gelegenheit, mich dort zu überzeugen.
Nicht zuletzt deshalb besuchte ich anfang Oktober die Mahnwache, die von mehreren Bürgerrechtsgruppen vor der Nordrheinwestfälischen Landesvertretung in Berlin veranstaltet wurde, wo zu jener Zeit die Unionsparteien und die FDP den Koalitionsvertrag aushandelten. Unter anderem der FoeBuD, Mogis, der AK Vorrat und die Piratenpartei waren vor Ort, um die FDP an ihre Versprechen zu erinnern.
Was im Koalitionsvertrag tatsächlich drin steht, hatte ich damals keine Zeit, zu kommentieren, wurde aber von Alexander Lehmann vortrefflich illustriert.
Dass Guido Westerwelle, seitdem Deutscher Vizekanzler und Außenminister und damit zweiter Mann in der Regierung, ein eher loses Verhältnis zu überprüfbaren Fakten unterhält, hat er inzwischen bereits mit seinem HartzIV-Feldzug bewiesen.
Mittlerweile, nicht einmal acht Monate nach der Bundestagswahl, bricht das Lügengebäude der „Liberalen“ vollends in sich zusammen.
Die hier schon diskutierte Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV), die demnächst von den Ländern beschlossen werden soll, enthält Netzsperren als Maßnahme zum Filtern von Webseiten, die sich dem neugeregelten Jugendschutz verweigern.
Außerdem sollen auf einen Vorstoß von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hin Netzsperren auf EU-Ebene eingeführt werden und gehören zur kürzlich formulierten Digitalen Agenda Europas.
Beide Pläne zur Einführung der Netzzensur weigert sich die FDP, aufzuhalten.
Vielmehr bekämpft sie Initiativen, dagegen vorzugehen.
Am vergangenen Mittwoch wurde im Bundestag durch die FDP ein Antrag verhindert, die EU-Sperrenpläne zu rügen und womöglich politisch aufzuhalten:
Mit christlich-liberaler Mehrheit ist im Bundestag der Versuch der Grünen blockiert worden, europaweite Internetsperren zu verhindern. Die Grünen hatten im Rechtsausschuss des Bundestages einen Antrag zur Abstimmung gestellt, der eine Kompetenzüberschreitung durch die EU-Kommission rügt, die den Plan für Internetsperren verfolgt. Nach dem Vertrag von Lissabon können nationale Parlamente eine Subsidiaritätsrüge aussprechen, wenn die EU sich in Bereiche einmischt, die auf nationaler Ebene hinreichend geregelt werden können. Doch ein Vertreter der FDP im Rechtsausschuss, Christian Ahrendt, beantragte, den Vorschlag zu vertagen, was mit Regierungsmehrheit verabschiedet wurde.
[...] Die Rüge kann damit nicht mehr rechtzeitig bei der EU gestellt werden, erfuhr Golem.de beim Büro des Abgeordneten Montag. Die Vertagung wurde auf Antrag eines Vertreters der FDP im Rechtsausschuss gegen die Stimmen der Grünen, der Linken und der SPD beschlossen. Andere Ausschüsse haben sich dem angeschlossen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war ebenfalls kurz im Rechtsausschuss anwesend, hat sich nach Angaben von Montags Büro aber nicht geäußert.
Gleichfalls am Mittwoch wurden im Landtag von Sachsen durch die Stimmen von CDU und FDP zwei Anträge abgelehnt, die vorgesehene Neufassung des JMStV zu vereiteln:
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hat daher einen Antrag gestellt, mit dem gewährleistet werden soll, dass der Landtag ausreichend über die zu erwartenden Folgen des neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) informiert wird, bevor er über dessen Ratifikation entscheidet. Die Staatsregierung soll darauf hinwirken, dass die Schaffung einer Zensur-Infrastruktur durch den JMStV vermieden wird. Außerdem soll in Zukunft geprüft werden, welche Auswirkungen der JMStV tatsächlich gehabt haben wird.
[...]
Auch die Linksfraktion hat einen Antrag zum Thema gestellt.
[...]
CDU und FDP haben die Anträge abgelehnt. Die SPD hat sich enthalten.
Wir sehen: Die FDP hat gelogen. Sie hat das Deutsche Volk belogen, um an die Macht zu kommen. Sie hat ihre Wähler angelogen und verhökert nun deren Interessen.
Die FDP hat versprochen, dass sie keine Internetzensur zulassen wird und stellt sich jetzt jedem in den Weg, der Internetzensur verhindern will.
Die FDP hat sich als starke Bürgerrechtspartei inszeniert, die für die Bürgerrechte auch „wirklich eintreten kann“ und geht nur wenige Monate später der CDU munter dabei zur Hand, die Bürgerrechte zu verkaufen.
Wer hätte das gedacht.
Da wirkt es glatt vernünftig, dass laut dem ZDF-Politbaromenter derzeit nur noch drei Prozent der Wahlberechtigten bundesweit die FDP wählen würden – über zwei Drittel ihrer Wähler hat die Lügenpartei also bereits verloren.
Aber deren Stimmen sind ja nun im Gulli.