Engländer sprechen von einem Jack of all trades, master of none, wenn sie über jemanden reden, der alles beherrscht, aber in nichts brilliert. Das Computerspiel Yakuza 3 ist ein ebensolcher Allrounder. Vordergründig ist es ein Rollenspiel, doch Yakuza 3 ist auch ein Prügelspiel, eine Golfsimulation, ein Rhythmusspiel und und und.
Das Hauptproblem: Die einzelnen Konzepte sind teils fehlerhaft oder oberflächlich umgesetzt. So sind Billard und Golf zwar durchaus unterhaltsame Spielereien, aber keine abendfüllende Unterhaltung mit Tiefgang.
Sie schlüpfen in die Rolle von Kazuma Kiryu, der mit seiner kriminellen Vergangenheit abgeschlossen hat, zurückgezogen auf Okinawa lebt und ein Waisenhaus leitet. Wie ein Sog, dem er sich nicht entziehen kann, reißen ihn seine Verbindungen zur Unterwelt eines Tages wieder in die Tiefe: Die Nachbarschaft soll eingestampft werden, um politischen Projekten zu weichen. Das Land gehört den örtlichen Yakuza und dem kriminellen Tojo-Clan, dem Kazuma einst angehörte.
Japans Unterwelt
Was dem Italiener seine Mafia, ist dem Japaner die Yakuza. Die Anfänge der kriminellen Organisation sind um 1700 datiert. Ihr gehörten damals vornehmlich Handelsreisende und Glücksspieler an, die als der Bodensatz der Gesellschaft galten. Im Gegensatz zu anderen Syndikaten arbeiten die Yakuza im Licht der Öffentlichkeit. Zugehörigkeiten sind dem Staat gemeldet, Mitglieder stellen sich offen zur Schau: Sicherstes Erkennungsmerkmal sind die kunstvollen Tätowierungen, die teilweise den ganzen Körper bedecken. Zu den klassischen Geschäften der Organisation gehören Schutzgelderpressung und das Betreiben von Bordellen.
Die Bosse der Organisationen werden angeschossen die Ereignisse überschlagen sich. Es entbrennt ein Machtkampf, der Kazuma zurück ins gleißende Neonlicht von Tokio führt. Die Story von Yakuza 3 scheint zunächst politische Intrigen und Machtspiele zu behandeln, im weiteren Spielverlauf wandelt sie sich zur intimen Erzählung über Familie, Loyalität, Vertrauen.
Die Schauplätze Kamurocho (Rotlichtbezirk) und Ryukyu Downtown sind ihren realen Vorbildern Kabukicho und Naha zum Verwechseln ähnlich, aber fiktiv. Die Spielwelt fühlt sich echt und lebendig an. Zum Erforschen laden Nachtclubs, Restaurants, Bistros, Spielhallen, Kneipen, Baseball-Anlage ein und das ist längst nicht alles. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken.
In einem mehr oder minder realistisch dargestellten Japan der Gegenwart bleiben Kulturschocks für europäische Spieler nicht aus: So legt Hauptcharakter Kazuma während einer Karaoke-Einlage sein ganzes Herz in die Ballade Kamurocho Wiegenlied oder er spielt die Hauptrolle in einem Samurai-Film. Auch viele abseitige Geschichten erleben Sie: In einem Nebenquest handeln Sie etwa mit dem vom Aussterben bedrohten Blauflossen-Thunfisch.
In typischer Rollenspiel-Manier treffen Sie zwischen den großen Ereignissen auf jede Menge Menschen, mit denen Sie sprechen. So füllen Sie Ihren Terminplan mit Nebenaufgaben. Da nur wenige Leute auf Kazumas Wort hören, schaffen Sie Probleme mit den Fäusten aus der Welt. Im Nahkampf greift der Protagonist auch gern zur Eisenstange oder zu einer Parkbank.
Im Vergleich zum Vorgänger liegt ein stärkerer Fokus auf Waffen. Ihre Gegner ziehen häufig gut gerüstet in den Kampf oder greifen selbst nach herumliegenden Gegenständen. Zudem kaufen Sie jetzt diverse Schlag-, Hieb- und Stichwaffen, modifizieren und reparieren Ihre Lieblinge. Zu Schießereien kommt es allerdings selten. Im Land der aufgehenden Sonne sind Ballermänner nämlich nicht nur schwer zu beschaffen, sondern auch unter ehrbaren Kriminellen verpönt.
Positiv fällt gleich zu Spielbeginn die fantastische japanische Sprachausgabe auf. Auch ohne die Worte zu verstehen, wirkt jeder Satz authentisch, die Stimmen sind passend besetzt.
Von der ruhigen Erhabenheit und Wärme, die Kazuma seinen Kindern entgegenbringt, bis zum bissigen Tonfall eines verschwörerischen Yakuza-Emporkömmlings ist die gesamte Bandbreite seines Charakters abgedeckt. Grandios! Wer der englischen Sprache nicht mächtig ist, bekommt allerdings Probleme deutsche Bildschirmtexte, die den japanischen Sprachwirrwarr auflösen, gibt es nicht.
Und optisch? Schon als Yakuza 3 im Februar 2009 in Japan erschien, war der Titel grafisch kein Hingucker. Einziger Höhepunkt sind die Zwischensequenzen, die die städtischen Kulissen liebevoll detailliert erstrahlen lassen. Die Figuren glänzen in den Filmen mit lebensechter Mimik. Im Spielgeschehen schrauben die Schöpfer den Detailgrad aber deutlich herunter. Passanten sind durchweg schwach animiert, wirken wie hochaufgelöste PS2-Relikte.
Es ist leicht, Yakuza 3 zahlreiche Verfehlungen vorzuwerfen: die schier unendlichen Textpassagen, eine maue Optik oder die schlichten Missionsstrukturen beispielsweise. Gerecht wird man dem Titel damit nicht. Yakuza 3 ist kein Spiel von der Stange. Es spiegelt anhand einer Reihe einzelner Figuren die japanische Gesellschaft perfekt wider samt unverbrauchter Kulisse und vielen interessanten Charakteren. Auch die Geschichte ist während der circa 20-stündigen Spielzeit spannend inszeniert.
nzig die Diskrepanz zwischen dem ernsthaften Hauptplot und den witzig-skurrilen Nebenaufgaben sorgen bis zum Schluss für Irritation. Vor allem der Unterschied im Tonfall fällt negativ auf: Der ansonsten bierernste Kazuma ist in den Nebenquests stets zu Späßen aufgelegt und führt dämliche Hol und Bring-Aufträge aus, die eines echten Yakuzas unwürdig sind. Das nimmt der Geschichte Spannung und Authentizität.