Also Taddl, was du hier vom Stapel läßt, ist Jakobs Krönung:
Nun, im WoG herrscht eigentlich die einhellige Meinung, dass es eben absolut kein Gothic mehr sei. Die Story ist quasi non-existent (im Intro(!) von G2 labert Xardas bereits wesentlich mehr als im gesamten G3) und sehr billig präsentiert, Charaktere sind längst nicht mehr so einprägsam und geben in den spärlichen Dialogen nur grobe Questbeschreibungen, statt wie früher den Eindruck zu vermitteln, ein Teil dieser Welt zu sein und eigene Ansichten darüber zu vertreten, was politisch so abgeht
Ich schreibe selbst im Gothic-Forum und habe meine Kritikpunkte dort schon angebracht. Daß dort nun die einhellige Meinung herrsche, es handle scih bei Gothic3 um KEIN Gothic mehr, das hast du dir wohl zusammengereimt. Es gibt Hauptkritikpunkte, ja, die gibt es auch von mir, und die Dichte von Dialogen ist der Hauptkritikpunkt, aber dennoch muß man fairerweise sagen, daß Gothic3 SELBSTVERSTÄNDLICH ein Gothic ist, und das spürt man wieder an jeder Ecke dieser im Vergleich zu den Vorgängnern gigantischen und endlosen Welt.
Die Story sei mager? Willst du mich verscheißern? Sag mal, hast du überhaupt den Vorgänger gespielt? Was war da an der Story NICHT mager? IN diesem Punkt schenken sich Gothic 2 und 3 sicherlich nicht viel.
Aber gerade bei der Charakterdarstellung hat Gothic3 zweifelsohne ZU VIEL Potential verspielt und auch einfach schlechte Arbeit geleistet. Zu viele NPCs wirken im Vergleich zum Vorgänger wie Statisten, von den wichtigen Charaktern ist man gänzlich enttäuscht, weil sie schlicht nicht präsentiert werden (es werden aber auch einige NPCs sehr gut präsentiert, so ist es nun auch wieder nicht).
Und trotz dieser IMMENSEN Kritikpunkte, die für ein Gothic - müßte man meinen - eine Katastrophe bedeuten, BEGEISTERT MICH dieses Spiel tooooootal. Denn wo es auf der einen Seite stark abgebaut hat (weil die Entwickler keine Zeit mehr hatten oder schlicht schlechte Arbeit abgeliefert haben), profitiert es auf der anderen aus meiner Sicht eben doch immens davon, nun eine freibegehbare, kohärente Welt zu präsentieren, die dem Spieler absolute Entscheidungsfreiheit läßt. Diese NIcht-Linearität war aus meiner Sicht eine gute Entscheidung, trotz all der Probleme, die diese Entscheidung mit sich gebracht hat. Der Spieler ist nun wirklich FREI und keinem kapitelhaften Schema mehr unterworfen. Bestimmte Grenzen ergeben sich nur noch aus der inhaltlichen Natur des Spiels, nicht mehr aus der konzeptionellen (Orks bewachen etwa den Pass nach Nordmar und man muß sich zuerst deren Zustimmung verdienen, ehe man passieren darf, usw.).
Es gibt dennoch ein Schema, das Gothic3 sicher schadet, das ist dieses Muster: Revolution in einer Stadt und ihre anschließliche Besetzung durch interaktionslose Rebellen und Sklaven. Sicher, das zwängt Gothic3 in ein blödes Schema, worin das Spiel weiter an Potential abbaut. Für eine glaubwürdige Welt ist es wichtig, daß man sie nicht nach demselben Interaktionsmuster aufbaut, was in diesem Punkt leider geschehen ist.
Städte verkommen nach Revolutionen zu bedeutungslosen Rebellensiedlungen.
Aber das ist eine Sache, zu der man nicht gezwungen wird. Man kann die Städte so lassen wie man möchte, wenn einem das lieber ist.
Und ich könnte weitere grobe Schnitzer kritisieren wie etwa das Balancing, oder die Performance (Nachruckler) und einige nervige Bugs (Double nach Verwandlung). Nur, was soll mir das jetzt bringen?
DIE WAHRHEIT IST EINFACH: dieses Spiel BEGEISTERT MICH - trotz seiner Fehler, die dem Spiel einen sehr guten Achtziger verwehren. Aber interessiert mich das? Ich merke an jeder Stelle dieser Welt, wieviel Liebe die Entwickler ins Detail haben einfließen lassen. Die Flora und Fauna sind atemberaubend schön gelungen, die vielen Quests sind nach meinem Dafürhalten ganz bestimmt nicht langweilig oder eintönig, sondern treiben einen immer wieder gerne an, sich die nächsten EP zu ergattern. Sicher ähneln sie sich in ihrem Schema, aber das ist hier gar nicht von Bedeutung; entscheidend ist, daß sie sehr überzeugend in diese Spielwelt und in das situative Moment der NPCs eingeflochten worden sind, so daß man das wiederholende Schema gar nicht wirklich bemerkt (es sei denn, man möchte von Anfang an keinen Spaß mit diesem Spiel haben

). Dieselbe Vorgehensweise wird immer in einem anderen und vor allem - das ist hier das Entscheidende - glaubwürdigen Kontext präsentiert. Als Spieler glaubt man wirklich, daß diese Aufgaben einen Sinn haben, mehr noch: sie ziehen dich noch mehr in diese Welt hinein, weil sie wirklich zu ihr passen und eine tolle spielerische Dichte erzeugen.
Wer also die Quests kritisiert, der kritisiert meiner Meinung nach absolut an der falschen Stelle.
Ich habe sicher keinen Grund, das Spiel besser zu reden als es ist. Ich würde diesem Spiel niemals einen Neunziger geben, dazu ist es zu fehlerhaft. Zu Abzügen wie 4players bin ich aber ganz sicher auch nicht bereit, weil dazu diese Spielwelt zu atemberaubend, zu begeisternd und motivierend ist, um Gothic einen Siebziger verpassen zu können. Es sei denn, ich blende meinen Spaß mit dem Spiel komplett aus und schaue nur auf die Verbugtheit, dann kann ich dem Spiel sicherlich auch 69% vergeben.
Was den Unterhaltungswert angeht, ist Gothic das beste Spiel der letzten Jahre für mich (wobei ich eh kaum gespielt habe, muß man dazu sagen).
Ich bin voll in dieser Spielwelt drin, durchforste wirklich jeden Zipfel dieser gigantischen Welt; wenn ich mich durch Nordmar bewege, spüre ich förmlich den eisigen Hauch dieser schneebedeckten Gebirgslandschaft.
Noch nie war für mich eine Spielwelt so intensiv, so lebendig dargestellt worden, was die Flora betrifft. Auch die Fauna kann in bestimmen Landschaftsteilen voll überzeugen, etwa gerade in Nordmar. Die Bedrohung dort ist jeden Moment spürbar, die Orkwachen in Faring haben also kein bißchen dabei übertrieben, als sie mich vor meinem Aufbruch dorthin eindringlich gewarnt haben.
Andere Landschaftsteile haben wieder weniger Fauna zu bieten, das ist einfach dem Umstand zu verschulden, daß die Entwickler am Ende zu wenig Zeit hatten, um das Spiel fertig zu bringen. Und das merkt man eben auch insbesondere bei den Dialogen, wo in meinen Augen am meisten gepfuscht worden ist. Die Dialoge sind nur selten ein Griff ins Klo, sie sind größtenteils gut und glaubwürdig präsentiert, aber VIEL ZU unvollständig eben. Das ist hier der Kritikpunkt, um den es eigentlich gehen sollte, um die Unvollständigkeit dieser eh schon riesigen und von der Spielzeit fast unaufhörlichen Spielwelt. Und genau den Vorwurf muß sich PB gefallen lassen, dieses Spiel so unfertig auf den Markt gebracht zu haben. Diese Unvollständigkeit wird auch nach 8 Patches noch nicht aufgehoben worden sein können, da braucht man sich gar nichts vorzumachen. Aber mit Sicherheit sollte PB daran gehen, gerade die wichtigsten Charaktere in den Dialogen NEU zu präsentieren, denn da wurde Schundluder getrieben.
Ich bin jedenfalls trotz der zum Teil auch für mich als Spieler frustrierenden Verfehlungen von dem Spiel absolut begeistert. Es fesselt mich und ich will es so gut wie jeden Tag spielen. Ja, ich bin gothicsüchtig, und ich stehe dazu!
Ich habe nun schon vermutlich 90Std. gespielt und habe vielleicht ein Drittel dieser Welt erkundigt. Gothic 2 wäre jetzt durch. Gothic 3 hat mir dagegen noch das Meiste zu bieten. ICh habe hier für 40eur ein gigantisches Spiel bekommen, so viel steht fest, und es war der beste Kauf seit Gothic2 für mich - weil es ein Gothic ist.
Edit: @Gothic3spieler: welche Musik fand ihr bisher am schönsten? Ich muß sagen, der Soundtrack haut alles um, was ich bisher in einem Spiel hören durfte. Kai Rosenkranz würde ganz bestimmt auch in Hollywood Fuß fassen, wenn er das überhaupt wollte.
Mein Favorit bisher: die Musik in Nordmar - genialst komponiert und so unheimlich stimmungsvoll. Passt zu dieser Landschaft 1a.